einander treffen. Wahrhaftig ich bewundere den Sultan, ob ich zwar das gar nicht nö¬ thig hätte, um unsere christliche Fürsten zu verachten. Bei diesen, wo ihr böser Wille aufhört, beginnt erst ihre Schwäche. Keiner von ihnen hat den Muth, dem Widerstreben ihres Hofes, ihres Adels gegen die Entwick¬ lung der Volksfreiheit sich entgegen zu setzen. Der Kaiser von Rußland ist so feige und schwach, daß er nicht wagt die Polen frei zu geben, weil es seine russischen Hofbären nicht wollen. Und der Sultan steht ganz allein, hat kein Volk auf seiner Seite, gegen sich aber den Pöbel, die Geistlichkeit und die Aristokratie, und doch läßt er sich nicht ein¬ schüchtern und geht auf dem Wege der Ver¬ besserungen muthig vorwärts! Und der Adel, der dem Sultan feindlich entgegensteht, ist kein entnervter, hasenfüssiger, an seidenen Bändern wie Hündchen geführter europäischer
einander treffen. Wahrhaftig ich bewundere den Sultan, ob ich zwar das gar nicht noͤ¬ thig haͤtte, um unſere chriſtliche Fuͤrſten zu verachten. Bei dieſen, wo ihr boͤſer Wille aufhoͤrt, beginnt erſt ihre Schwaͤche. Keiner von ihnen hat den Muth, dem Widerſtreben ihres Hofes, ihres Adels gegen die Entwick¬ lung der Volksfreiheit ſich entgegen zu ſetzen. Der Kaiſer von Rußland iſt ſo feige und ſchwach, daß er nicht wagt die Polen frei zu geben, weil es ſeine ruſſiſchen Hofbaͤren nicht wollen. Und der Sultan ſteht ganz allein, hat kein Volk auf ſeiner Seite, gegen ſich aber den Poͤbel, die Geiſtlichkeit und die Ariſtokratie, und doch laͤßt er ſich nicht ein¬ ſchuͤchtern und geht auf dem Wege der Ver¬ beſſerungen muthig vorwaͤrts! Und der Adel, der dem Sultan feindlich entgegenſteht, iſt kein entnervter, haſenfuͤſſiger, an ſeidenen Baͤndern wie Huͤndchen gefuͤhrter europaͤiſcher
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einander treffen. Wahrhaftig ich bewundere
den Sultan, ob ich zwar das gar nicht noͤ¬
thig haͤtte, um unſere chriſtliche Fuͤrſten zu
verachten. Bei dieſen, wo ihr boͤſer Wille
aufhoͤrt, beginnt erſt ihre Schwaͤche. Keiner
von ihnen hat den Muth, dem Widerſtreben
ihres Hofes, ihres Adels gegen die Entwick¬
lung der Volksfreiheit ſich entgegen zu ſetzen.
Der Kaiſer von Rußland iſt ſo feige und
ſchwach, daß er nicht wagt die Polen frei zu
geben, weil es ſeine ruſſiſchen Hofbaͤren nicht
wollen. Und der Sultan ſteht ganz allein,
hat kein Volk auf ſeiner Seite, gegen ſich
aber den Poͤbel, die Geiſtlichkeit und die
Ariſtokratie, und doch laͤßt er ſich nicht ein¬
ſchuͤchtern und geht auf dem Wege der Ver¬
beſſerungen muthig vorwaͤrts! Und der Adel,
der dem Sultan feindlich entgegenſteht, iſt
kein entnervter, haſenfuͤſſiger, an ſeidenen
Baͤndern wie Huͤndchen gefuͤhrter europaͤiſcher
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/149>, abgerufen am 27.11.2024.
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