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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

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ner Provinz in Papier vor die Kammer tre¬
ten und triumphirend ausrufen: Seht, das
haben wir im Frieden gewonnen; wer hat
nun Recht? Das Volk wird wieder in Zent¬
nern, das Vaterland Morgenweise verkauft.
Was sie im Geheimen brüten, wer kann das
wissen? Die öffentliche Meinung hat sich schon
fürchterliche Dinge erdacht; aber die Furcht
der öffentlichen Meinung ist die einzige, die
nicht trügt, und die immer lange vorher
weiß, zwar nicht auf welchem Wege die Ge¬
fahr kömmt, aber daß sie kömmt. So spricht
man: Polen solle an Preußen kommen --
das wäre die Sklaverei statt in Essig, in
Zucker eingemacht, die weit verderblichere, hoff¬
nungslosere, weil sie mundet. Und dafür
Griechenland an Rußland, und so weiter den
Völker-Trödel. Möchte einem nicht die Brust
zerspringen vor Wehmuth, möchte einem nicht
das Herz ausbluten, wenn man bedenkt, daß

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ner Provinz in Papier vor die Kammer tre¬
ten und triumphirend ausrufen: Seht, das
haben wir im Frieden gewonnen; wer hat
nun Recht? Das Volk wird wieder in Zent¬
nern, das Vaterland Morgenweiſe verkauft.
Was ſie im Geheimen bruͤten, wer kann das
wiſſen? Die oͤffentliche Meinung hat ſich ſchon
fuͤrchterliche Dinge erdacht; aber die Furcht
der oͤffentlichen Meinung iſt die einzige, die
nicht truͤgt, und die immer lange vorher
weiß, zwar nicht auf welchem Wege die Ge¬
fahr koͤmmt, aber daß ſie koͤmmt. So ſpricht
man: Polen ſolle an Preußen kommen —
das waͤre die Sklaverei ſtatt in Eſſig, in
Zucker eingemacht, die weit verderblichere, hoff¬
nungsloſere, weil ſie mundet. Und dafuͤr
Griechenland an Rußland, und ſo weiter den
Voͤlker-Troͤdel. Moͤchte einem nicht die Bruſt
zerſpringen vor Wehmuth, moͤchte einem nicht
das Herz ausbluten, wenn man bedenkt, daß

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[99/0113] ner Provinz in Papier vor die Kammer tre¬ ten und triumphirend ausrufen: Seht, das haben wir im Frieden gewonnen; wer hat nun Recht? Das Volk wird wieder in Zent¬ nern, das Vaterland Morgenweiſe verkauft. Was ſie im Geheimen bruͤten, wer kann das wiſſen? Die oͤffentliche Meinung hat ſich ſchon fuͤrchterliche Dinge erdacht; aber die Furcht der oͤffentlichen Meinung iſt die einzige, die nicht truͤgt, und die immer lange vorher weiß, zwar nicht auf welchem Wege die Ge¬ fahr koͤmmt, aber daß ſie koͤmmt. So ſpricht man: Polen ſolle an Preußen kommen — das waͤre die Sklaverei ſtatt in Eſſig, in Zucker eingemacht, die weit verderblichere, hoff¬ nungsloſere, weil ſie mundet. Und dafuͤr Griechenland an Rußland, und ſo weiter den Voͤlker-Troͤdel. Moͤchte einem nicht die Bruſt zerſpringen vor Wehmuth, moͤchte einem nicht das Herz ausbluten, wenn man bedenkt, daß 7*

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/113>, abgerufen am 24.11.2024.