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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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Gestern war ich in der italienischen Oper, weil
mir Jemand ein Billet dazu schenkte; denn sonst
wäre ich viel zu sehr Pariser Dandy dahin zu gehen,
wenn die Malibran nicht singt. Das Haus war nur
halb gefüllt, und von dieser Hälfte schlichen sich die
Meisten lange vor dem Ende fort. Manchen jungen
Herrn sah und hörte ich schlafen. Und doch war die
ganze Oper vortrefflich besetzt. Madame Lalande
wäre eine glänzende Sängerin, würde sie nicht von
der Malibran verdunkelt. Man gab Zelmire, eine
tragische Oper von Rossini. Nach meinem Ge¬
fühle
(denn Urtheil habe ich freilich keines in der
Musik) Rossinis beste Oper, wenigstens unter allen,
die mir bekannt sind. Eine Musik, ganz von Stahl,
wenn auch polirtem. Man wird einigemal an Gluck
erinnert. Dreißig Minuten hinter einander vernünf¬
tig zu seyn, das ist dem lieben Rossini freilich un¬
möglich. Hat er sich eine halbe Stunde männlich be¬
tragen, wird ihm vor seiner eigenen Ritterlichkeit
bange, er lüftet das Visir und zeigt das alte freund¬
liche Gesicht. Horaz sagt: Man mag die Natur
mit Heugabeln hinausjagen, sie kehrt immer wieder
zurück. Aber sagen Sie mir, woher kommt es, daß
die Deutschen nicht singen können? Es ist wirklich


Geſtern war ich in der italieniſchen Oper, weil
mir Jemand ein Billet dazu ſchenkte; denn ſonſt
wäre ich viel zu ſehr Pariſer Dandy dahin zu gehen,
wenn die Malibran nicht ſingt. Das Haus war nur
halb gefüllt, und von dieſer Hälfte ſchlichen ſich die
Meiſten lange vor dem Ende fort. Manchen jungen
Herrn ſah und hörte ich ſchlafen. Und doch war die
ganze Oper vortrefflich beſetzt. Madame Lalande
wäre eine glänzende Sängerin, würde ſie nicht von
der Malibran verdunkelt. Man gab Zelmire, eine
tragiſche Oper von Roſſini. Nach meinem Ge¬
fühle
(denn Urtheil habe ich freilich keines in der
Muſik) Roſſinis beſte Oper, wenigſtens unter allen,
die mir bekannt ſind. Eine Muſik, ganz von Stahl,
wenn auch polirtem. Man wird einigemal an Gluck
erinnert. Dreißig Minuten hinter einander vernünf¬
tig zu ſeyn, das iſt dem lieben Roſſini freilich un¬
möglich. Hat er ſich eine halbe Stunde männlich be¬
tragen, wird ihm vor ſeiner eigenen Ritterlichkeit
bange, er lüftet das Viſir und zeigt das alte freund¬
liche Geſicht. Horaz ſagt: Man mag die Natur
mit Heugabeln hinausjagen, ſie kehrt immer wieder
zurück. Aber ſagen Sie mir, woher kommt es, daß
die Deutſchen nicht ſingen können? Es iſt wirklich

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[71/0085] Freitag, den 18. Februar. Geſtern war ich in der italieniſchen Oper, weil mir Jemand ein Billet dazu ſchenkte; denn ſonſt wäre ich viel zu ſehr Pariſer Dandy dahin zu gehen, wenn die Malibran nicht ſingt. Das Haus war nur halb gefüllt, und von dieſer Hälfte ſchlichen ſich die Meiſten lange vor dem Ende fort. Manchen jungen Herrn ſah und hörte ich ſchlafen. Und doch war die ganze Oper vortrefflich beſetzt. Madame Lalande wäre eine glänzende Sängerin, würde ſie nicht von der Malibran verdunkelt. Man gab Zelmire, eine tragiſche Oper von Roſſini. Nach meinem Ge¬ fühle (denn Urtheil habe ich freilich keines in der Muſik) Roſſinis beſte Oper, wenigſtens unter allen, die mir bekannt ſind. Eine Muſik, ganz von Stahl, wenn auch polirtem. Man wird einigemal an Gluck erinnert. Dreißig Minuten hinter einander vernünf¬ tig zu ſeyn, das iſt dem lieben Roſſini freilich un¬ möglich. Hat er ſich eine halbe Stunde männlich be¬ tragen, wird ihm vor ſeiner eigenen Ritterlichkeit bange, er lüftet das Viſir und zeigt das alte freund¬ liche Geſicht. Horaz ſagt: Man mag die Natur mit Heugabeln hinausjagen, ſie kehrt immer wieder zurück. Aber ſagen Sie mir, woher kommt es, daß die Deutſchen nicht ſingen können? Es iſt wirklich

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/85>, abgerufen am 24.11.2024.