dem Dichter die Bewunderung für Napoleon, der selbst ein Gedicht; aber nie verzeihe ich dem Philo¬ sophen Liebe für ihn, den Wirklichen. Den lieben! Lieber liebte ich unsere Nürnberger Wachtparaden-Für¬ sten, öffnete ihnen mein Herz, und ließ sie alle auf einmal eintreten, als diesen einen Napoleon. Die Andern können mir doch nur die Freiheit nehmen, diesem aber kann ich sie geben. Einen Helden lie¬ ben, der nichts liebt als sich; einen herzlosen Schach¬ spieler, der uns wie Holz gebraucht, und uns weg¬ wirft, wenn er die Partie gewonnen. Daß doch die wahnsinnigen Menschen immer am meisten liebten, was sie am meisten hätten verabscheuen sollen! So oft Gott die übermüthigen Menschen recht klein ma¬ chen wollte, hat er ihnen große Menschen geschickt. -- -- So oft ich etwas von Heine lese, beseelt mich die Schadenfreude: wie wird das wieder unter die Philister fahren, wie werden sie aufschreien, als lief ihnen eine Maus über ihr Schlafgesicht! Und da muß ich mich erst besinnen, um mich zu schämen. Die! sie sind im Stande und freuen sich über das Buch und loben es gar. Was sind das für Men¬ schen, die man weder begeistern noch ärgern kann!
-- Habt Ihr denn in Frankfurt auch solches Wetter, von Zucker, Milch und Rosen, wie wir hier seit einigen Tagen? Es ist nicht möglich. Ihr habt trübe deutsche Bundestage, manchmal einen
dem Dichter die Bewunderung für Napoleon, der ſelbſt ein Gedicht; aber nie verzeihe ich dem Philo¬ ſophen Liebe für ihn, den Wirklichen. Den lieben! Lieber liebte ich unſere Nürnberger Wachtparaden-Für¬ ſten, öffnete ihnen mein Herz, und ließ ſie alle auf einmal eintreten, als dieſen einen Napoleon. Die Andern können mir doch nur die Freiheit nehmen, dieſem aber kann ich ſie geben. Einen Helden lie¬ ben, der nichts liebt als ſich; einen herzloſen Schach¬ ſpieler, der uns wie Holz gebraucht, und uns weg¬ wirft, wenn er die Partie gewonnen. Daß doch die wahnſinnigen Menſchen immer am meiſten liebten, was ſie am meiſten hätten verabſcheuen ſollen! So oft Gott die übermüthigen Menſchen recht klein ma¬ chen wollte, hat er ihnen große Menſchen geſchickt. — — So oft ich etwas von Heine leſe, beſeelt mich die Schadenfreude: wie wird das wieder unter die Philiſter fahren, wie werden ſie aufſchreien, als lief ihnen eine Maus über ihr Schlafgeſicht! Und da muß ich mich erſt beſinnen, um mich zu ſchämen. Die! ſie ſind im Stande und freuen ſich über das Buch und loben es gar. Was ſind das für Men¬ ſchen, die man weder begeiſtern noch ärgern kann!
— Habt Ihr denn in Frankfurt auch ſolches Wetter, von Zucker, Milch und Roſen, wie wir hier ſeit einigen Tagen? Es iſt nicht möglich. Ihr habt trübe deutſche Bundestage, manchmal einen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0062"n="48"/>
dem Dichter die Bewunderung für Napoleon, der<lb/>ſelbſt ein Gedicht; aber nie verzeihe ich dem Philo¬<lb/>ſophen Liebe für ihn, den <hirendition="#g">Wirklichen</hi>. Den lieben!<lb/>
Lieber liebte ich unſere Nürnberger Wachtparaden-Für¬<lb/>ſten, öffnete ihnen mein Herz, und ließ ſie alle auf<lb/>
einmal eintreten, als dieſen einen Napoleon. Die<lb/>
Andern können mir doch nur die Freiheit <hirendition="#g">nehmen</hi>,<lb/>
dieſem aber kann ich ſie <hirendition="#g">geben</hi>. Einen Helden lie¬<lb/>
ben, der nichts liebt als ſich; einen herzloſen Schach¬<lb/>ſpieler, der uns wie Holz gebraucht, und uns weg¬<lb/>
wirft, wenn er die Partie gewonnen. Daß doch die<lb/>
wahnſinnigen Menſchen immer am meiſten liebten,<lb/>
was ſie am meiſten hätten verabſcheuen ſollen! So<lb/>
oft Gott die übermüthigen Menſchen recht klein ma¬<lb/>
chen wollte, hat er ihnen große Menſchen geſchickt.<lb/>—— So oft ich etwas von Heine leſe, beſeelt mich<lb/>
die Schadenfreude: wie wird das wieder unter die<lb/>
Philiſter fahren, wie werden ſie aufſchreien, als lief<lb/>
ihnen eine Maus über ihr Schlafgeſicht! Und da<lb/>
muß ich mich erſt beſinnen, um mich zu ſchämen.<lb/><hirendition="#g">Die</hi>! ſie ſind im Stande und freuen ſich über das<lb/>
Buch und loben es gar. Was ſind das für Men¬<lb/>ſchen, die man weder begeiſtern noch ärgern kann!</p><lb/><p>— Habt Ihr denn in Frankfurt auch ſolches<lb/>
Wetter, von Zucker, Milch und Roſen, wie wir<lb/>
hier ſeit einigen Tagen? Es iſt nicht möglich. Ihr<lb/>
habt trübe deutſche Bundestage, manchmal einen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[48/0062]
dem Dichter die Bewunderung für Napoleon, der
ſelbſt ein Gedicht; aber nie verzeihe ich dem Philo¬
ſophen Liebe für ihn, den Wirklichen. Den lieben!
Lieber liebte ich unſere Nürnberger Wachtparaden-Für¬
ſten, öffnete ihnen mein Herz, und ließ ſie alle auf
einmal eintreten, als dieſen einen Napoleon. Die
Andern können mir doch nur die Freiheit nehmen,
dieſem aber kann ich ſie geben. Einen Helden lie¬
ben, der nichts liebt als ſich; einen herzloſen Schach¬
ſpieler, der uns wie Holz gebraucht, und uns weg¬
wirft, wenn er die Partie gewonnen. Daß doch die
wahnſinnigen Menſchen immer am meiſten liebten,
was ſie am meiſten hätten verabſcheuen ſollen! So
oft Gott die übermüthigen Menſchen recht klein ma¬
chen wollte, hat er ihnen große Menſchen geſchickt.
— — So oft ich etwas von Heine leſe, beſeelt mich
die Schadenfreude: wie wird das wieder unter die
Philiſter fahren, wie werden ſie aufſchreien, als lief
ihnen eine Maus über ihr Schlafgeſicht! Und da
muß ich mich erſt beſinnen, um mich zu ſchämen.
Die! ſie ſind im Stande und freuen ſich über das
Buch und loben es gar. Was ſind das für Men¬
ſchen, die man weder begeiſtern noch ärgern kann!
— Habt Ihr denn in Frankfurt auch ſolches
Wetter, von Zucker, Milch und Roſen, wie wir
hier ſeit einigen Tagen? Es iſt nicht möglich. Ihr
habt trübe deutſche Bundestage, manchmal einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/62>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.