es besser schildern als mit den Worten: Der Eng¬ länder liebt die Freiheit wie seine Frau; der Fran¬ zose wie seine Braut; und der Deutsche wie seine alte Großmutter! Und: "wenn zwölf Deutsche bei¬ sammen stehen, bilden sie ein Dutzend, und greift sie einer an, rufen sie die Polizei!" Ich sprach so al¬ lein in dieser Zeit und Heine hat mir geantwortet. Alles ist schön, alles herrlich, das aus Italien wie das aus England. Was er gegen den Berliner Knechtphilosophen (Hegel) und gegen den geschmeidi¬ gen Kammerdiener-Historiker (Raumer) sagt, die ein seidenes Bändchen fester an die Lüge knüpft, als das ewige Recht an die Warheit, das allein könnte ei¬ nem Buche schon Werth geben. Und hat man je etwas Treffenderes von den Monopolisten des Chri¬ stenthums gesagt: wie die Erbfeinde der Wahrheit, Christus, den reinsten Freiheitshelden, herabzuwürdi¬ gen wußten, und als sie nicht läugnen konnten, daß er der größte Mensch sei, aus ihm den kleinsten Gott gemacht? -- Wenn Heine sagt: Ach! man sollte eigentlich gegen Niemanden in dieser Welt schreiben -- so gefällt mir zwar diese schöne Bewegung, ich möchte ihr aber nicht folgen. Es ist noch Großmuth genug, wenn man sich begnügt gegen Menschen zu schreiben, die uns peinigen, berauben und morden. Was mich aber eine Welt weit von Heine trennt, ist seine Vergötterung Napoleons. Zwar verzeihe ich
es beſſer ſchildern als mit den Worten: Der Eng¬ länder liebt die Freiheit wie ſeine Frau; der Fran¬ zoſe wie ſeine Braut; und der Deutſche wie ſeine alte Großmutter! Und: „wenn zwölf Deutſche bei¬ ſammen ſtehen, bilden ſie ein Dutzend, und greift ſie einer an, rufen ſie die Polizei!“ Ich ſprach ſo al¬ lein in dieſer Zeit und Heine hat mir geantwortet. Alles iſt ſchön, alles herrlich, das aus Italien wie das aus England. Was er gegen den Berliner Knechtphiloſophen (Hegel) und gegen den geſchmeidi¬ gen Kammerdiener-Hiſtoriker (Raumer) ſagt, die ein ſeidenes Bändchen feſter an die Lüge knüpft, als das ewige Recht an die Warheit, das allein könnte ei¬ nem Buche ſchon Werth geben. Und hat man je etwas Treffenderes von den Monopoliſten des Chri¬ ſtenthums geſagt: wie die Erbfeinde der Wahrheit, Chriſtus, den reinſten Freiheitshelden, herabzuwürdi¬ gen wußten, und als ſie nicht läugnen konnten, daß er der größte Menſch ſei, aus ihm den kleinſten Gott gemacht? — Wenn Heine ſagt: Ach! man ſollte eigentlich gegen Niemanden in dieſer Welt ſchreiben — ſo gefällt mir zwar dieſe ſchöne Bewegung, ich möchte ihr aber nicht folgen. Es iſt noch Großmuth genug, wenn man ſich begnügt gegen Menſchen zu ſchreiben, die uns peinigen, berauben und morden. Was mich aber eine Welt weit von Heine trennt, iſt ſeine Vergötterung Napoleons. Zwar verzeihe ich
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es beſſer ſchildern als mit den Worten: Der Eng¬
länder liebt die Freiheit wie ſeine Frau; der Fran¬
zoſe wie ſeine Braut; und der Deutſche wie ſeine
alte Großmutter! Und: „wenn zwölf Deutſche bei¬
ſammen ſtehen, bilden ſie ein Dutzend, und greift ſie
einer an, rufen ſie die Polizei!“ Ich ſprach ſo al¬
lein in dieſer Zeit und Heine hat mir geantwortet.
Alles iſt ſchön, alles herrlich, das aus Italien wie
das aus England. Was er gegen den Berliner
Knechtphiloſophen (Hegel) und gegen den geſchmeidi¬
gen Kammerdiener-Hiſtoriker (Raumer) ſagt, die ein
ſeidenes Bändchen feſter an die Lüge knüpft, als das
ewige Recht an die Warheit, das allein könnte ei¬
nem Buche ſchon Werth geben. Und hat man je
etwas Treffenderes von den Monopoliſten des Chri¬
ſtenthums geſagt: wie die Erbfeinde der Wahrheit,
Chriſtus, den reinſten Freiheitshelden, herabzuwürdi¬
gen wußten, und als ſie nicht läugnen konnten, daß
er der größte Menſch ſei, aus ihm den kleinſten Gott
gemacht? — Wenn Heine ſagt: Ach! man ſollte
eigentlich gegen Niemanden in dieſer Welt ſchreiben
— ſo gefällt mir zwar dieſe ſchöne Bewegung, ich
möchte ihr aber nicht folgen. Es iſt noch Großmuth
genug, wenn man ſich begnügt gegen Menſchen zu
ſchreiben, die uns peinigen, berauben und morden.
Was mich aber eine Welt weit von Heine trennt, iſt
ſeine Vergötterung Napoleons. Zwar verzeihe ich
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/61>, abgerufen am 16.07.2024.
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