Räthsel! Ich begreife nicht, wie sich Moore so große Mühe geben mochte, Byron zu entschuldigen, was doch, nachdem er Folgendes gesagt, sich ganz unnöthig zeigte. Moore sagt: "Die Wahrheit ist, "daß Geister von höherem Range sich selten mit den "stillen Neigungen des Familienlebens vertragen." "Es ist das Unglück großer Geister (sagt Pope) "mehr bewundert als geliebt zu werden." "Das "beständige Nachdenken über sich selbst, die Studien "und alle Gewohnheiten des Genies, streben dahin, "den der es besitzt oder wahrer zu reden, den der "von ihm besessen wird, von der Gemeinheit der "Menschen abzusondern. Opfer seiner eignen Vor¬ "züge, versteht er keinen und wird von keinem ver¬ "standen. Er wirft in einem Lande, wo nur kleine "Münze im Umlaufe ist, Gold mit vollen Händen "aus. Man fühlt wohl seine Größe; aber es ge¬ "hört eine Art Gleichheit dazu, wenn sich wechsel¬ "seitige Neigung bilden soll. Die Natur hat es "nun einmal so gewollt, daß auf dieser Erde keines "ihrer Werke vollkommen seyn soll. Derjenige, der "mit den glänzenden Gaben des Genies auch jene "Sanftmuth des Characters und jene friedlichen "Empfindungen verbände, welche die Grundlagen des "häuslichen Glückes machen, er wäre mehr als ein
Räthſel! Ich begreife nicht, wie ſich Moore ſo große Mühe geben mochte, Byron zu entſchuldigen, was doch, nachdem er Folgendes geſagt, ſich ganz unnöthig zeigte. Moore ſagt: „Die Wahrheit iſt, „daß Geiſter von höherem Range ſich ſelten mit den „ſtillen Neigungen des Familienlebens vertragen.“ „Es iſt das Unglück großer Geiſter (ſagt Pope) „mehr bewundert als geliebt zu werden.“ „Das „beſtändige Nachdenken über ſich ſelbſt, die Studien „und alle Gewohnheiten des Genies, ſtreben dahin, „den der es beſitzt oder wahrer zu reden, den der „von ihm beſeſſen wird, von der Gemeinheit der „Menſchen abzuſondern. Opfer ſeiner eignen Vor¬ „züge, verſteht er keinen und wird von keinem ver¬ „ſtanden. Er wirft in einem Lande, wo nur kleine „Münze im Umlaufe iſt, Gold mit vollen Händen „aus. Man fühlt wohl ſeine Größe; aber es ge¬ „hört eine Art Gleichheit dazu, wenn ſich wechſel¬ „ſeitige Neigung bilden ſoll. Die Natur hat es „nun einmal ſo gewollt, daß auf dieſer Erde keines „ihrer Werke vollkommen ſeyn ſoll. Derjenige, der „mit den glänzenden Gaben des Genies auch jene „Sanftmuth des Characters und jene friedlichen „Empfindungen verbände, welche die Grundlagen des „häuslichen Glückes machen, er wäre mehr als ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0240"n="226"/>
Räthſel! Ich begreife nicht, wie ſich Moore ſo<lb/>
große Mühe geben mochte, Byron zu entſchuldigen,<lb/>
was doch, nachdem er Folgendes geſagt, ſich ganz<lb/>
unnöthig zeigte. Moore ſagt: „Die Wahrheit iſt,<lb/>„daß Geiſter von höherem Range ſich ſelten mit den<lb/>„ſtillen Neigungen des Familienlebens vertragen.“<lb/>„Es iſt das Unglück großer Geiſter (ſagt Pope)<lb/>„mehr bewundert als geliebt zu werden.“„Das<lb/>„beſtändige Nachdenken über ſich ſelbſt, die Studien<lb/>„und alle Gewohnheiten des Genies, ſtreben dahin,<lb/>„den der es beſitzt oder wahrer zu reden, den der<lb/>„von ihm beſeſſen wird, von der Gemeinheit der<lb/>„Menſchen abzuſondern. Opfer ſeiner eignen Vor¬<lb/>„züge, verſteht er keinen und wird von keinem ver¬<lb/>„ſtanden. Er wirft in einem Lande, wo nur kleine<lb/>„Münze im Umlaufe iſt, Gold mit vollen Händen<lb/>„aus. Man fühlt wohl ſeine Größe; aber es ge¬<lb/>„hört eine Art Gleichheit dazu, wenn ſich wechſel¬<lb/>„ſeitige Neigung bilden ſoll. Die Natur hat es<lb/>„nun einmal ſo gewollt, daß auf dieſer Erde keines<lb/>„ihrer Werke vollkommen ſeyn ſoll. Derjenige, der<lb/>„mit den glänzenden Gaben des Genies auch jene<lb/>„Sanftmuth des Characters und jene friedlichen<lb/>„Empfindungen verbände, welche die Grundlagen des<lb/>„häuslichen Glückes machen, er wäre mehr als ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[226/0240]
Räthſel! Ich begreife nicht, wie ſich Moore ſo
große Mühe geben mochte, Byron zu entſchuldigen,
was doch, nachdem er Folgendes geſagt, ſich ganz
unnöthig zeigte. Moore ſagt: „Die Wahrheit iſt,
„daß Geiſter von höherem Range ſich ſelten mit den
„ſtillen Neigungen des Familienlebens vertragen.“
„Es iſt das Unglück großer Geiſter (ſagt Pope)
„mehr bewundert als geliebt zu werden.“ „Das
„beſtändige Nachdenken über ſich ſelbſt, die Studien
„und alle Gewohnheiten des Genies, ſtreben dahin,
„den der es beſitzt oder wahrer zu reden, den der
„von ihm beſeſſen wird, von der Gemeinheit der
„Menſchen abzuſondern. Opfer ſeiner eignen Vor¬
„züge, verſteht er keinen und wird von keinem ver¬
„ſtanden. Er wirft in einem Lande, wo nur kleine
„Münze im Umlaufe iſt, Gold mit vollen Händen
„aus. Man fühlt wohl ſeine Größe; aber es ge¬
„hört eine Art Gleichheit dazu, wenn ſich wechſel¬
„ſeitige Neigung bilden ſoll. Die Natur hat es
„nun einmal ſo gewollt, daß auf dieſer Erde keines
„ihrer Werke vollkommen ſeyn ſoll. Derjenige, der
„mit den glänzenden Gaben des Genies auch jene
„Sanftmuth des Characters und jene friedlichen
„Empfindungen verbände, welche die Grundlagen des
„häuslichen Glückes machen, er wäre mehr als ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/240>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.