Aber in dieser stummen Verträglichkeit, ohne Haß und ohne Liebe, ohne Zorn und ohne Versöhnung, schläft das Herz, schlafen die Sinne ein, und kein Wunsch und kein Schmerz wird laut. Nicht der ungestörte, nur der Friede nach dem Kriege ist schön. Aber un¬ zufriedne, störrige, hadernde Geister wie Byron, kämpfen mit der Welt, geben oder empfangen Wun¬ den, Sieger drücken sie der Welt ihr eigenes Ge¬ präge auf, besiegt ihnen die Welt das ihrige. Krank wie sie sind, machen sie alles krank um sich her, und so offenbaren sie die Geheimnisse des Menschen und der Natur. Denn das Geheimniß jeder Kraft wird erst kund, wenn sie abweicht im Maaße oder Ziele. Wie mit der Welt stand Byron mit Gott feindlich. Zum Glauben geht der Weg über den Unglauben. Die Nicht-Gläubigen, die Gleichgültigen, die leugnen Gott nicht, sie denken gar nicht an ihn, und sterben wie die Kinder ohne Sünde und ohne Tugend. Aber die Ungläubigen die läugnen Gott. Sie kämp¬ fen mit dem Glauben, ehe sie ihn gewinnen; denn hier ist die Niederlage der Sieg. Walter Scott hatte einst dem Byron prophezeiht, er würde in rei¬ fern Jahren noch katholisch werden. Das wäre auch ganz gewiß eingetroffen, wenn Byron ein höheres Alter erreicht hätte. Er lästert manchmal recht lustig:
Aber in dieſer ſtummen Verträglichkeit, ohne Haß und ohne Liebe, ohne Zorn und ohne Verſöhnung, ſchläft das Herz, ſchlafen die Sinne ein, und kein Wunſch und kein Schmerz wird laut. Nicht der ungeſtörte, nur der Friede nach dem Kriege iſt ſchön. Aber un¬ zufriedne, ſtörrige, hadernde Geiſter wie Byron, kämpfen mit der Welt, geben oder empfangen Wun¬ den, Sieger drücken ſie der Welt ihr eigenes Ge¬ präge auf, beſiegt ihnen die Welt das ihrige. Krank wie ſie ſind, machen ſie alles krank um ſich her, und ſo offenbaren ſie die Geheimniſſe des Menſchen und der Natur. Denn das Geheimniß jeder Kraft wird erſt kund, wenn ſie abweicht im Maaße oder Ziele. Wie mit der Welt ſtand Byron mit Gott feindlich. Zum Glauben geht der Weg über den Unglauben. Die Nicht-Gläubigen, die Gleichgültigen, die leugnen Gott nicht, ſie denken gar nicht an ihn, und ſterben wie die Kinder ohne Sünde und ohne Tugend. Aber die Ungläubigen die läugnen Gott. Sie kämp¬ fen mit dem Glauben, ehe ſie ihn gewinnen; denn hier iſt die Niederlage der Sieg. Walter Scott hatte einſt dem Byron prophezeiht, er würde in rei¬ fern Jahren noch katholiſch werden. Das wäre auch ganz gewiß eingetroffen, wenn Byron ein höheres Alter erreicht hätte. Er läſtert manchmal recht luſtig:
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Aber in dieſer ſtummen Verträglichkeit, ohne Haß und
ohne Liebe, ohne Zorn und ohne Verſöhnung, ſchläft
das Herz, ſchlafen die Sinne ein, und kein Wunſch
und kein Schmerz wird laut. Nicht der ungeſtörte,
nur der Friede nach dem Kriege iſt ſchön. Aber un¬
zufriedne, ſtörrige, hadernde Geiſter wie Byron,
kämpfen mit der Welt, geben oder empfangen Wun¬
den, Sieger drücken ſie der Welt ihr eigenes Ge¬
präge auf, beſiegt ihnen die Welt das ihrige. Krank
wie ſie ſind, machen ſie alles krank um ſich her, und
ſo offenbaren ſie die Geheimniſſe des Menſchen und
der Natur. Denn das Geheimniß jeder Kraft wird
erſt kund, wenn ſie abweicht im Maaße oder Ziele.
Wie mit der Welt ſtand Byron mit Gott feindlich.
Zum Glauben geht der Weg über den Unglauben.
Die Nicht-Gläubigen, die Gleichgültigen, die
leugnen Gott nicht, ſie denken gar nicht an ihn, und
ſterben wie die Kinder ohne Sünde und ohne Tugend.
Aber die Ungläubigen die läugnen Gott. Sie kämp¬
fen mit dem Glauben, ehe ſie ihn gewinnen; denn
hier iſt die Niederlage der Sieg. Walter Scott
hatte einſt dem Byron prophezeiht, er würde in rei¬
fern Jahren noch katholiſch werden. Das wäre auch
ganz gewiß eingetroffen, wenn Byron ein höheres
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/237>, abgerufen am 16.02.2025.
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