Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

"so viel ich weiß, hat man nie gesehen, daß eine
"junge Frau und eine gesetzmäßige Ehe Andern Glück
"gebracht als pflegmatischen Menschen, die von Fi¬
"schen leben und keinen Wein trinken. Hatte er nicht
"die ganze Oper, ganz Paris, ganz Frankreich? Aber
"mit einer Maitresse gibt es gleiche Noth, wenn
"man nemlich nur eine besitzt. Hat man deren
"aber zwei oder mehrere, macht sie die Herzens-Thei¬
"lung geschmeidiger." In England werden die ge¬
lehrten Weiber scherzweise Blaustrümpfe genannt,
wahrscheinlich wegen der Vernachläßigung ihrer Toi¬
lette, die man bei ihnen voraussetzt. Darauf an¬
spielend schrieb einmal Byron in sein Tagebuch:
"Morgen, Einladung zu einer Indigo-Soir e e bei
"der blauen Miß ***. Soll ich gehen? Ach! Ich
"habe wenig Geschmack für die blauen Kornblu¬
"men, für die schönen Geister in Unterröcken; aber
"man muß artig seyn." Seine wahre Gesinnung
über die Weiber drückt folgende Bemerkung in seinem
Tagebuche treuer aus: "Schon die bloße Anwesen¬
"heit einer Frau hat für mich etwas Beruhigendes,
"übt selbst, wo keine Liebe statt findet, einen seltsa¬
"men Einfluß auf mich, den ich mir bei der geringen
"Meinung, die ich von dem Geschlechte habe, durch¬
"aus nicht erklären kann. Aber gewiß, ich bin zu¬

„ſo viel ich weiß, hat man nie geſehen, daß eine
„junge Frau und eine geſetzmäßige Ehe Andern Glück
„gebracht als pflegmatiſchen Menſchen, die von Fi¬
„ſchen leben und keinen Wein trinken. Hatte er nicht
„die ganze Oper, ganz Paris, ganz Frankreich? Aber
„mit einer Maitreſſe gibt es gleiche Noth, wenn
„man nemlich nur eine beſitzt. Hat man deren
„aber zwei oder mehrere, macht ſie die Herzens-Thei¬
„lung geſchmeidiger.“ In England werden die ge¬
lehrten Weiber ſcherzweiſe Blauſtrümpfe genannt,
wahrſcheinlich wegen der Vernachläßigung ihrer Toi¬
lette, die man bei ihnen vorausſetzt. Darauf an¬
ſpielend ſchrieb einmal Byron in ſein Tagebuch:
„Morgen, Einladung zu einer Indigo-Soir é e bei
„der blauen Miß ***. Soll ich gehen? Ach! Ich
„habe wenig Geſchmack für die blauen Kornblu¬
men, für die ſchönen Geiſter in Unterröcken; aber
„man muß artig ſeyn.“ Seine wahre Geſinnung
über die Weiber drückt folgende Bemerkung in ſeinem
Tagebuche treuer aus: „Schon die bloße Anweſen¬
„heit einer Frau hat für mich etwas Beruhigendes,
„übt ſelbſt, wo keine Liebe ſtatt findet, einen ſeltſa¬
„men Einfluß auf mich, den ich mir bei der geringen
„Meinung, die ich von dem Geſchlechte habe, durch¬
„aus nicht erklären kann. Aber gewiß, ich bin zu¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0231" n="217"/>
&#x201E;&#x017F;o viel ich weiß, hat man nie ge&#x017F;ehen, daß eine<lb/>
&#x201E;junge Frau und eine ge&#x017F;etzmäßige Ehe Andern Glück<lb/>
&#x201E;gebracht als pflegmati&#x017F;chen Men&#x017F;chen, die von Fi¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;chen leben und keinen Wein trinken. Hatte er nicht<lb/>
&#x201E;die ganze Oper, ganz Paris, ganz Frankreich? Aber<lb/>
&#x201E;mit einer Maitre&#x017F;&#x017F;e gibt es gleiche Noth, wenn<lb/>
&#x201E;man nemlich nur eine be&#x017F;itzt. Hat man deren<lb/>
&#x201E;aber zwei oder mehrere, macht &#x017F;ie die Herzens-Thei¬<lb/>
&#x201E;lung ge&#x017F;chmeidiger.&#x201C; In England werden die ge¬<lb/>
lehrten Weiber &#x017F;cherzwei&#x017F;e <hi rendition="#g">Blau&#x017F;trümpfe</hi> genannt,<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich wegen der Vernachläßigung ihrer Toi¬<lb/>
lette, die man bei ihnen voraus&#x017F;etzt. Darauf an¬<lb/>
&#x017F;pielend &#x017F;chrieb einmal Byron in &#x017F;ein Tagebuch:<lb/>
&#x201E;Morgen, Einladung zu einer <hi rendition="#g">Indigo-Soir</hi> <hi rendition="#aq #g">é</hi> <hi rendition="#g">e</hi> bei<lb/>
&#x201E;der blauen Miß ***. Soll ich gehen? Ach! Ich<lb/>
&#x201E;habe wenig Ge&#x017F;chmack für die <hi rendition="#g">blauen Kornblu¬</hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">men</hi>, für die &#x017F;chönen Gei&#x017F;ter in Unterröcken; aber<lb/>
&#x201E;man muß artig &#x017F;eyn.&#x201C; Seine wahre Ge&#x017F;innung<lb/>
über die Weiber drückt folgende Bemerkung in &#x017F;einem<lb/>
Tagebuche treuer aus: &#x201E;Schon die bloße Anwe&#x017F;en¬<lb/>
&#x201E;heit einer Frau hat für mich etwas Beruhigendes,<lb/>
&#x201E;übt &#x017F;elb&#x017F;t, wo keine Liebe &#x017F;tatt findet, einen &#x017F;elt&#x017F;<lb/>
&#x201E;men Einfluß auf mich, den ich mir bei der geringen<lb/>
&#x201E;Meinung, die ich von dem Ge&#x017F;chlechte habe, durch¬<lb/>
&#x201E;aus nicht erklären kann. Aber gewiß, ich bin zu¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0231] „ſo viel ich weiß, hat man nie geſehen, daß eine „junge Frau und eine geſetzmäßige Ehe Andern Glück „gebracht als pflegmatiſchen Menſchen, die von Fi¬ „ſchen leben und keinen Wein trinken. Hatte er nicht „die ganze Oper, ganz Paris, ganz Frankreich? Aber „mit einer Maitreſſe gibt es gleiche Noth, wenn „man nemlich nur eine beſitzt. Hat man deren „aber zwei oder mehrere, macht ſie die Herzens-Thei¬ „lung geſchmeidiger.“ In England werden die ge¬ lehrten Weiber ſcherzweiſe Blauſtrümpfe genannt, wahrſcheinlich wegen der Vernachläßigung ihrer Toi¬ lette, die man bei ihnen vorausſetzt. Darauf an¬ ſpielend ſchrieb einmal Byron in ſein Tagebuch: „Morgen, Einladung zu einer Indigo-Soir é e bei „der blauen Miß ***. Soll ich gehen? Ach! Ich „habe wenig Geſchmack für die blauen Kornblu¬ „men, für die ſchönen Geiſter in Unterröcken; aber „man muß artig ſeyn.“ Seine wahre Geſinnung über die Weiber drückt folgende Bemerkung in ſeinem Tagebuche treuer aus: „Schon die bloße Anweſen¬ „heit einer Frau hat für mich etwas Beruhigendes, „übt ſelbſt, wo keine Liebe ſtatt findet, einen ſeltſa¬ „men Einfluß auf mich, den ich mir bei der geringen „Meinung, die ich von dem Geſchlechte habe, durch¬ „aus nicht erklären kann. Aber gewiß, ich bin zu¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/231
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/231>, abgerufen am 26.12.2024.