lichen Taugenichtsen! Man könnte zehn Christen¬ thümer damit zu Grunde richten. Wir sahen auch die Prozession des heiligen Januaris in Neapel. Als die Franzosen Neapel eroberten, wurde von ihnen die Statue des heiligen Januarius, der Schutzgott des Volkes, in das Meer gestürzt. Mürat ließ sie spä¬ ter wieder herausfischen, aber die Nase fehlte. Dar¬ über war das Volk trostlos. Der Erzbischof war einverstanden mit König Mürat. Als nun der hei¬ lige Januarius ohne Nase auf dem Markte aufgestellt war, stürzten Fischer herbei und berichteten mit un¬ beschreiblichem Entzücken, sie hätten so eben die Nase auf dem Boden des Meeres wiedergefunden. Sie wird dem heiligen Januarius anprobirt, und sie paßt vollkommen und bleibt sitzen. Der Erzbischof schreit: Mirakel! und das Volk: es lebe Joachim! Dabei erinnerte ich mich in Flagoletta gelesen zu haben, daß, als die Franzosen nach Neapel kamen, das Blut des heiligen Januarius zur gehörigen Zeit nicht flie¬ ßen wollte. Das entsetzte Volk in der Kirche drohte aufrührerisch zu werden. Da nahte sich ein franzö¬ sischer Offizier unter Lächeln und Bücklingen dem fungirenden Erzbischofe, zeigte ihm eine kleine Pistole in seinem Rockärmel, und sagte ihm freundlich: hei¬ liger Bischof! haben Sie die Gefälligkeit, das Blut fließen zu machen, sonst jage ich Ihnen eine Kugel
lichen Taugenichtſen! Man könnte zehn Chriſten¬ thümer damit zu Grunde richten. Wir ſahen auch die Prozeſſion des heiligen Januaris in Neapel. Als die Franzoſen Neapel eroberten, wurde von ihnen die Statue des heiligen Januarius, der Schutzgott des Volkes, in das Meer geſtürzt. Mürat ließ ſie ſpä¬ ter wieder herausfiſchen, aber die Naſe fehlte. Dar¬ über war das Volk troſtlos. Der Erzbiſchof war einverſtanden mit König Mürat. Als nun der hei¬ lige Januarius ohne Naſe auf dem Markte aufgeſtellt war, ſtürzten Fiſcher herbei und berichteten mit un¬ beſchreiblichem Entzücken, ſie hätten ſo eben die Naſe auf dem Boden des Meeres wiedergefunden. Sie wird dem heiligen Januarius anprobirt, und ſie paßt vollkommen und bleibt ſitzen. Der Erzbiſchof ſchreit: Mirakel! und das Volk: es lebe Joachim! Dabei erinnerte ich mich in Flagoletta geleſen zu haben, daß, als die Franzoſen nach Neapel kamen, das Blut des heiligen Januarius zur gehörigen Zeit nicht flie¬ ßen wollte. Das entſetzte Volk in der Kirche drohte aufrühreriſch zu werden. Da nahte ſich ein franzö¬ ſiſcher Offizier unter Lächeln und Bücklingen dem fungirenden Erzbiſchofe, zeigte ihm eine kleine Piſtole in ſeinem Rockärmel, und ſagte ihm freundlich: hei¬ liger Biſchof! haben Sie die Gefälligkeit, das Blut fließen zu machen, ſonſt jage ich Ihnen eine Kugel
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lichen Taugenichtſen! Man könnte zehn Chriſten¬
thümer damit zu Grunde richten. Wir ſahen auch
die Prozeſſion des heiligen Januaris in Neapel. Als
die Franzoſen Neapel eroberten, wurde von ihnen die
Statue des heiligen Januarius, der Schutzgott des
Volkes, in das Meer geſtürzt. Mürat ließ ſie ſpä¬
ter wieder herausfiſchen, aber die Naſe fehlte. Dar¬
über war das Volk troſtlos. Der Erzbiſchof war
einverſtanden mit König Mürat. Als nun der hei¬
lige Januarius ohne Naſe auf dem Markte aufgeſtellt
war, ſtürzten Fiſcher herbei und berichteten mit un¬
beſchreiblichem Entzücken, ſie hätten ſo eben die Naſe
auf dem Boden des Meeres wiedergefunden. Sie
wird dem heiligen Januarius anprobirt, und ſie paßt
vollkommen und bleibt ſitzen. Der Erzbiſchof ſchreit:
Mirakel! und das Volk: es lebe Joachim! Dabei
erinnerte ich mich in Flagoletta geleſen zu haben,
daß, als die Franzoſen nach Neapel kamen, das Blut
des heiligen Januarius zur gehörigen Zeit nicht flie¬
ßen wollte. Das entſetzte Volk in der Kirche drohte
aufrühreriſch zu werden. Da nahte ſich ein franzö¬
ſiſcher Offizier unter Lächeln und Bücklingen dem
fungirenden Erzbiſchofe, zeigte ihm eine kleine Piſtole
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liger Biſchof! haben Sie die Gefälligkeit, das Blut
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/170>, abgerufen am 15.08.2024.
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