Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Das deutsche Blatt, das in Straßburg erscheint,
hat unsere schuldbewußten Staatsmänner aus ihrem
Schlafe geweckt und sie in tödtlichen Schrecken gesetzt,
als wäre ein Gespenst vor ihr Bett getreten und
hätte sie mit kalter feuchter Hand berührt. Das
Blatt erscheint als Beilage des Courier du Bas-
Rhin
, unter dem Titel: das konstitutionelle
Deutschland
. Es enthielt unter andern genaue
und getreue Berichte über die Staatsverwaltung im
Würtembergischen, besonders über den himmelschreien¬
den Wucher, den die Regierung mit dem Salze treibt.
Gleich wurde ein Herr von Schlitz von Stutgard
nach Straßburg geschickt, um den Redakteur des
Courier du Bas-Rhin zu bestechen, daß er nichts
mehr gegen Würtemberg aufnehme. Dieser aber wies
den Antrag ab, erbot sich jedoch gegründete Wieder¬
legung aufzunehmen. Doch wie leugnen, was jedes
Salzfaß im Lande bezeugt? Das Geld zu Bestechun¬
gen nimmt man aus dem Beutel des armen Volks:
aber gute Gründe gibt und verweigert nur das Recht,
das kein würtembergischer Unterthan ist. Darauf
wandte man sich an den französischen Gesandten in
Stuttgard und bat um Hülfe. Dieser aber zuckte
seine diplomatischen Achseln und sagte, es wäre lei¬

II.9

Das deutſche Blatt, das in Straßburg erſcheint,
hat unſere ſchuldbewußten Staatsmänner aus ihrem
Schlafe geweckt und ſie in tödtlichen Schrecken geſetzt,
als wäre ein Geſpenſt vor ihr Bett getreten und
hätte ſie mit kalter feuchter Hand berührt. Das
Blatt erſcheint als Beilage des Courier du Bas-
Rhin
, unter dem Titel: das konſtitutionelle
Deutſchland
. Es enthielt unter andern genaue
und getreue Berichte über die Staatsverwaltung im
Würtembergiſchen, beſonders über den himmelſchreien¬
den Wucher, den die Regierung mit dem Salze treibt.
Gleich wurde ein Herr von Schlitz von Stutgard
nach Straßburg geſchickt, um den Redakteur des
Courier du Bas-Rhin zu beſtechen, daß er nichts
mehr gegen Würtemberg aufnehme. Dieſer aber wies
den Antrag ab, erbot ſich jedoch gegründete Wieder¬
legung aufzunehmen. Doch wie leugnen, was jedes
Salzfaß im Lande bezeugt? Das Geld zu Beſtechun¬
gen nimmt man aus dem Beutel des armen Volks:
aber gute Gründe gibt und verweigert nur das Recht,
das kein würtembergiſcher Unterthan iſt. Darauf
wandte man ſich an den franzöſiſchen Geſandten in
Stuttgard und bat um Hülfe. Dieſer aber zuckte
ſeine diplomatiſchen Achſeln und ſagte, es wäre lei¬

II.9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0143" n="129"/>
        <div>
          <dateline> <hi rendition="#right">Dien&#x017F;tag, den 8. März.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Das deut&#x017F;che Blatt, das in Straßburg er&#x017F;cheint,<lb/>
hat un&#x017F;ere &#x017F;chuldbewußten Staatsmänner aus ihrem<lb/>
Schlafe geweckt und &#x017F;ie in tödtlichen Schrecken ge&#x017F;etzt,<lb/>
als wäre ein Ge&#x017F;pen&#x017F;t vor ihr Bett getreten und<lb/>
hätte &#x017F;ie mit kalter feuchter Hand berührt. Das<lb/>
Blatt er&#x017F;cheint als Beilage des Courier <hi rendition="#aq #g">du Bas-<lb/>
Rhin</hi>, unter dem Titel: das <hi rendition="#g">kon&#x017F;titutionelle<lb/>
Deut&#x017F;chland</hi>. Es enthielt unter andern genaue<lb/>
und getreue Berichte über die Staatsverwaltung im<lb/>
Würtembergi&#x017F;chen, be&#x017F;onders über den himmel&#x017F;chreien¬<lb/>
den Wucher, den die Regierung mit dem Salze treibt.<lb/>
Gleich wurde ein Herr von Schlitz von Stutgard<lb/>
nach Straßburg ge&#x017F;chickt, um den Redakteur des<lb/>
Courier <hi rendition="#aq">du Bas-Rhin</hi> zu be&#x017F;techen, daß er nichts<lb/>
mehr gegen Würtemberg aufnehme. Die&#x017F;er aber wies<lb/>
den Antrag ab, erbot &#x017F;ich jedoch gegründete Wieder¬<lb/>
legung aufzunehmen. Doch wie leugnen, was jedes<lb/>
Salzfaß im Lande bezeugt? Das Geld zu Be&#x017F;techun¬<lb/>
gen nimmt man aus dem Beutel des armen Volks:<lb/>
aber gute Gründe gibt und verweigert nur das Recht,<lb/>
das kein würtembergi&#x017F;cher Unterthan i&#x017F;t. Darauf<lb/>
wandte man &#x017F;ich an den franzö&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;andten in<lb/>
Stuttgard und bat um Hülfe. Die&#x017F;er aber zuckte<lb/>
&#x017F;eine diplomati&#x017F;chen Ach&#x017F;eln und &#x017F;agte, es wäre lei¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi>.9<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0143] Dienſtag, den 8. März. Das deutſche Blatt, das in Straßburg erſcheint, hat unſere ſchuldbewußten Staatsmänner aus ihrem Schlafe geweckt und ſie in tödtlichen Schrecken geſetzt, als wäre ein Geſpenſt vor ihr Bett getreten und hätte ſie mit kalter feuchter Hand berührt. Das Blatt erſcheint als Beilage des Courier du Bas- Rhin, unter dem Titel: das konſtitutionelle Deutſchland. Es enthielt unter andern genaue und getreue Berichte über die Staatsverwaltung im Würtembergiſchen, beſonders über den himmelſchreien¬ den Wucher, den die Regierung mit dem Salze treibt. Gleich wurde ein Herr von Schlitz von Stutgard nach Straßburg geſchickt, um den Redakteur des Courier du Bas-Rhin zu beſtechen, daß er nichts mehr gegen Würtemberg aufnehme. Dieſer aber wies den Antrag ab, erbot ſich jedoch gegründete Wieder¬ legung aufzunehmen. Doch wie leugnen, was jedes Salzfaß im Lande bezeugt? Das Geld zu Beſtechun¬ gen nimmt man aus dem Beutel des armen Volks: aber gute Gründe gibt und verweigert nur das Recht, das kein würtembergiſcher Unterthan iſt. Darauf wandte man ſich an den franzöſiſchen Geſandten in Stuttgard und bat um Hülfe. Dieſer aber zuckte ſeine diplomatiſchen Achſeln und ſagte, es wäre lei¬ II.9

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/143
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/143>, abgerufen am 21.11.2024.