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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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Romilly? -- Nur dem Namen nach. -- Er ist eben
vorbeigegangen, wenn er zurückkommt, will ich ihn
Ihnen zeigen. Bald kam er, und er zeigte mir
ihn. Aber ich dachte bei mir: was geht mich der
Worms de Romilly an? Darauf fragte ich den
Herrn, ob er nicht wisse, was im Messager stände,
es verlaute, die Polen hätten gesiegt? Er machte
ein mürrisches Gesicht und antwortete: Geschwätz,
es ist kein wahres Wort daran. Ach! dachte ich,
jetzt kenne ich den Herrn und ich begreife, warum
ihn der reiche Bankier Worms de Romilly interessirt.
Dann fragte er mich: wie stehen die Course in Frank¬
furt? Ich antwortete aus dem Stegreife -- ich weiß
nicht mehr ob 70 oder 72 oder 74 oder 78. Da
sah er mich an, zugleich wie ein Narr und wie einen
Narren, und sagte, das ist nicht möglich, das müssen
die vierprozentigen seyn, und er zog die Berliner
Zeitung aus der Tasche um nachzusehen. Ja frei¬
lich, erwiederte ich, es sind die vierprozentigen, und
ich murmelte: "hole der Teufel die vierprozentigen
und die fünfprozentigen und das ganze nichtsprozentige
Papiervolk!" Bis halb zwölf Uhr mußte ich da sitzen,
bis ich mir im Messager Beruhigung holte. Ich
hätte fortgehen können, aber ich war ein Narr und
geizig und berechnete, daß mich jeder Akt des Don
Juan sechs Franken kostete. Der deutsche Kaufmann

Romilly? — Nur dem Namen nach. — Er iſt eben
vorbeigegangen, wenn er zurückkommt, will ich ihn
Ihnen zeigen. Bald kam er, und er zeigte mir
ihn. Aber ich dachte bei mir: was geht mich der
Worms de Romilly an? Darauf fragte ich den
Herrn, ob er nicht wiſſe, was im Meſſager ſtände,
es verlaute, die Polen hätten geſiegt? Er machte
ein mürriſches Geſicht und antwortete: Geſchwätz,
es iſt kein wahres Wort daran. Ach! dachte ich,
jetzt kenne ich den Herrn und ich begreife, warum
ihn der reiche Bankier Worms de Romilly intereſſirt.
Dann fragte er mich: wie ſtehen die Courſe in Frank¬
furt? Ich antwortete aus dem Stegreife — ich weiß
nicht mehr ob 70 oder 72 oder 74 oder 78. Da
ſah er mich an, zugleich wie ein Narr und wie einen
Narren, und ſagte, das iſt nicht möglich, das müſſen
die vierprozentigen ſeyn, und er zog die Berliner
Zeitung aus der Taſche um nachzuſehen. Ja frei¬
lich, erwiederte ich, es ſind die vierprozentigen, und
ich murmelte: „hole der Teufel die vierprozentigen
und die fünfprozentigen und das ganze nichtsprozentige
Papiervolk!“ Bis halb zwölf Uhr mußte ich da ſitzen,
bis ich mir im Meſſager Beruhigung holte. Ich
hätte fortgehen können, aber ich war ein Narr und
geizig und berechnete, daß mich jeder Akt des Don
Juan ſechs Franken koſtete. Der deutſche Kaufmann

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[127/0141] Romilly? — Nur dem Namen nach. — Er iſt eben vorbeigegangen, wenn er zurückkommt, will ich ihn Ihnen zeigen. Bald kam er, und er zeigte mir ihn. Aber ich dachte bei mir: was geht mich der Worms de Romilly an? Darauf fragte ich den Herrn, ob er nicht wiſſe, was im Meſſager ſtände, es verlaute, die Polen hätten geſiegt? Er machte ein mürriſches Geſicht und antwortete: Geſchwätz, es iſt kein wahres Wort daran. Ach! dachte ich, jetzt kenne ich den Herrn und ich begreife, warum ihn der reiche Bankier Worms de Romilly intereſſirt. Dann fragte er mich: wie ſtehen die Courſe in Frank¬ furt? Ich antwortete aus dem Stegreife — ich weiß nicht mehr ob 70 oder 72 oder 74 oder 78. Da ſah er mich an, zugleich wie ein Narr und wie einen Narren, und ſagte, das iſt nicht möglich, das müſſen die vierprozentigen ſeyn, und er zog die Berliner Zeitung aus der Taſche um nachzuſehen. Ja frei¬ lich, erwiederte ich, es ſind die vierprozentigen, und ich murmelte: „hole der Teufel die vierprozentigen und die fünfprozentigen und das ganze nichtsprozentige Papiervolk!“ Bis halb zwölf Uhr mußte ich da ſitzen, bis ich mir im Meſſager Beruhigung holte. Ich hätte fortgehen können, aber ich war ein Narr und geizig und berechnete, daß mich jeder Akt des Don Juan ſechs Franken koſtete. Der deutſche Kaufmann

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/141>, abgerufen am 25.11.2024.