es die Nachwelt, was die Despoten unserer Tage ge¬ than; aber was sie geredet, das kann sie nicht glau¬ ben. Vielleicht glaubt die Nachwelt, was die alten Völker geduldet, aber was sie angehört und dazu ge¬ schwiegen, das kann sie nicht glauben. Das Schwert zerstört bloß den Besitz und mordet den Leib; aber das Wort zerstört das Recht und mordet die Seele. Zu solchen Reden, solches Schweigen! Und wenn die Polen vertilgt sind, dann voran die deutschen Hunde, gegen den Sitz der Freiheit, gegen Frank¬ reich! dann stellt man sie zwischen das Schwert der Franzosen und die Peitsche der Russen, zwischen Tod und Schande! .... Ist es nicht schmachvoll für uns, daß der Kaiser von Rußland Herr über sechzig Mil¬ lionen Sklaven, keinen derselben knechtisch genug ge¬ funden hat, die Freiheit der Polen zu ermorden, als den Diebitsch allein, einen Deutschen?
Ihr heutiger Brief kann mir spätere Nachrichten bringen, als die hiesigen, wenn sie schlimm sind, ich meine das Siegel müßte davon schwarz werden. O! ich kann nicht mehr, ich muß weinen.
es die Nachwelt, was die Despoten unſerer Tage ge¬ than; aber was ſie geredet, das kann ſie nicht glau¬ ben. Vielleicht glaubt die Nachwelt, was die alten Völker geduldet, aber was ſie angehört und dazu ge¬ ſchwiegen, das kann ſie nicht glauben. Das Schwert zerſtört bloß den Beſitz und mordet den Leib; aber das Wort zerſtört das Recht und mordet die Seele. Zu ſolchen Reden, ſolches Schweigen! Und wenn die Polen vertilgt ſind, dann voran die deutſchen Hunde, gegen den Sitz der Freiheit, gegen Frank¬ reich! dann ſtellt man ſie zwiſchen das Schwert der Franzoſen und die Peitſche der Ruſſen, zwiſchen Tod und Schande! .... Iſt es nicht ſchmachvoll für uns, daß der Kaiſer von Rußland Herr über ſechzig Mil¬ lionen Sklaven, keinen derſelben knechtiſch genug ge¬ funden hat, die Freiheit der Polen zu ermorden, als den Diebitſch allein, einen Deutſchen?
Ihr heutiger Brief kann mir ſpätere Nachrichten bringen, als die hieſigen, wenn ſie ſchlimm ſind, ich meine das Siegel müßte davon ſchwarz werden. O! ich kann nicht mehr, ich muß weinen.
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es die Nachwelt, was die Despoten unſerer Tage ge¬
than; aber was ſie geredet, das kann ſie nicht glau¬
ben. Vielleicht glaubt die Nachwelt, was die alten
Völker geduldet, aber was ſie angehört und dazu ge¬
ſchwiegen, das kann ſie nicht glauben. Das Schwert
zerſtört bloß den Beſitz und mordet den Leib; aber
das Wort zerſtört das Recht und mordet die Seele.
Zu ſolchen Reden, ſolches Schweigen! Und wenn
die Polen vertilgt ſind, dann voran die deutſchen
Hunde, gegen den Sitz der Freiheit, gegen Frank¬
reich! dann ſtellt man ſie zwiſchen das Schwert der
Franzoſen und die Peitſche der Ruſſen, zwiſchen Tod
und Schande! .... Iſt es nicht ſchmachvoll für uns,
daß der Kaiſer von Rußland Herr über ſechzig Mil¬
lionen Sklaven, keinen derſelben knechtiſch genug ge¬
funden hat, die Freiheit der Polen zu ermorden, als
den Diebitſch allein, einen Deutſchen?
Ihr heutiger Brief kann mir ſpätere Nachrichten
bringen, als die hieſigen, wenn ſie ſchlimm ſind, ich
meine das Siegel müßte davon ſchwarz werden. O!
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/134>, abgerufen am 16.02.2025.
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