Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.zu arm an Menschen. Der reiche Kaiser Nikolaus zu arm an Menſchen. Der reiche Kaiſer Nikolaus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0132" n="118"/> zu arm an Menſchen. Der reiche Kaiſer Nikolaus<lb/> haut immer neue Soldaten heraus, wie Steine aus<lb/> Brüchen und das gehet ſo immer unerſchöpflich fort,<lb/> was ſind einem Despoten die Menſchen? Seine<lb/> Wälder ſchont er mehr. Nicht Gottes Weisheit, nur<lb/> die Dummheit des Teufels allein kann noch die Po¬<lb/> len retten Ach! gibt es denn einen Gott? Mein<lb/> Herz zweifelt noch nicht, aber der Kopf darf einem<lb/> wohl davon ſchwach werden, und wenn — was nützt dem<lb/> vergänglichen Menſchen ein ewiger Gott? Wenn<lb/> Gott ſterblich wäre wie der Menſch, dann wäre ihm<lb/> ein Tag ein Tag, ein Jahr ein Jahr, und der Tod<lb/> das Ende aller Dinge. Dann würde er rechnen mit<lb/> der Zeit und mit dem Leben, würde nicht ſo ſpäte<lb/> Gerechtigkeit üben und erſt den <choice><sic>entferteſten</sic><corr>entfernteſten</corr></choice> Enkeln<lb/> bezahlen, was ihre Ahnen zu fordern hatten. Die<lb/> Freiheit kann, ſie wird ſiegen, früher oder ſpäter;<lb/> warum ſiegt ſie nicht gleich? Sie kann ſiegen, einen<lb/> Tag nach dem Untergange der Polen; ſoll einem das<lb/> Herz nicht darüber brechen? Die Polen im Grabe,<lb/> fühlen ſie es denn, haben ſie Freude davon, wenn<lb/> ihre Kinder glücklich ſind? Die Tyrannei wird un¬<lb/> tergehen, die Kinder der Tyrannei werden gezüchtigt<lb/> werden für die Verbrechen ihre Väter; aber die Kno¬<lb/> chen der begrabenen Könige, haben ſie Schmerzen da¬<lb/> von? Gibt es einen Gott? heißt das Gerechtigkeit<lb/> üben? wir verabſcheuen die Menſchenfreſſer, dumme<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0132]
zu arm an Menſchen. Der reiche Kaiſer Nikolaus
haut immer neue Soldaten heraus, wie Steine aus
Brüchen und das gehet ſo immer unerſchöpflich fort,
was ſind einem Despoten die Menſchen? Seine
Wälder ſchont er mehr. Nicht Gottes Weisheit, nur
die Dummheit des Teufels allein kann noch die Po¬
len retten Ach! gibt es denn einen Gott? Mein
Herz zweifelt noch nicht, aber der Kopf darf einem
wohl davon ſchwach werden, und wenn — was nützt dem
vergänglichen Menſchen ein ewiger Gott? Wenn
Gott ſterblich wäre wie der Menſch, dann wäre ihm
ein Tag ein Tag, ein Jahr ein Jahr, und der Tod
das Ende aller Dinge. Dann würde er rechnen mit
der Zeit und mit dem Leben, würde nicht ſo ſpäte
Gerechtigkeit üben und erſt den entfernteſten Enkeln
bezahlen, was ihre Ahnen zu fordern hatten. Die
Freiheit kann, ſie wird ſiegen, früher oder ſpäter;
warum ſiegt ſie nicht gleich? Sie kann ſiegen, einen
Tag nach dem Untergange der Polen; ſoll einem das
Herz nicht darüber brechen? Die Polen im Grabe,
fühlen ſie es denn, haben ſie Freude davon, wenn
ihre Kinder glücklich ſind? Die Tyrannei wird un¬
tergehen, die Kinder der Tyrannei werden gezüchtigt
werden für die Verbrechen ihre Väter; aber die Kno¬
chen der begrabenen Könige, haben ſie Schmerzen da¬
von? Gibt es einen Gott? heißt das Gerechtigkeit
üben? wir verabſcheuen die Menſchenfreſſer, dumme
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