penträger und Hofhanswürste. Man hätte gerne ge¬ sehen, daß seine Marschälle sich stolz auf ihre Schwer¬ ter stützten und mit unterdrücktem Spotte auf die ge¬ fälligen Cardinäle blickten. Aber sie trugen Degen wie die Kammerherren, und waren geputzt wie die Hofnarren. Die Portraits sind alle geistreich, das ist wahr: aber es hat Jeder sein eigenes Gesicht, Keiner ein Krönungsgesicht. Jeder sucht seine Ge¬ fühle zu unterdrücken, das siehet man deutlich. Herz und Augen gehen weit aus einander.
Unter allen Figuren waren nur drei, die mich anzogen. Napoleons Schwester, damals Großher¬ zogin von Berg, später Königin von Neapel. Sie siehet ihrem Bruder ganz ungemein ähnlich, nur sind ihre Züge edler und zeigen den schönen Stolz des Sieges, den man in den Zügen des Kaisers verge¬ bens sucht. Dann: der Papst. Er sitzt so bedeu¬ tend abgespannt und duldend in seinem Sessel, wie eine gläubige und kränkliche Seele, die Gott nicht blos anbetet in dem, was er thut, sondern auch in dem, was er nicht thut, geschehen läßt. Endlich Talleyrand. Ich habe ihn nie gesehen, nicht einmal gemalt. Ein Gesicht von Bronze, eine Marmor¬ platte, auf der mit eisernen Buchstaben die Nothwen¬ digkeit geschrieben ist. Ich habe nie begreifen kön¬ nen, wie noch alle Menschen aller Zeiten so diesen Mann verkannt! Daß sie ihn gelästert, ist schön, aber
penträger und Hofhanswürſte. Man hätte gerne ge¬ ſehen, daß ſeine Marſchälle ſich ſtolz auf ihre Schwer¬ ter ſtützten und mit unterdrücktem Spotte auf die ge¬ fälligen Cardinäle blickten. Aber ſie trugen Degen wie die Kammerherren, und waren geputzt wie die Hofnarren. Die Portraits ſind alle geiſtreich, das iſt wahr: aber es hat Jeder ſein eigenes Geſicht, Keiner ein Krönungsgeſicht. Jeder ſucht ſeine Ge¬ fühle zu unterdrücken, das ſiehet man deutlich. Herz und Augen gehen weit aus einander.
Unter allen Figuren waren nur drei, die mich anzogen. Napoleons Schweſter, damals Großher¬ zogin von Berg, ſpäter Königin von Neapel. Sie ſiehet ihrem Bruder ganz ungemein ähnlich, nur ſind ihre Züge edler und zeigen den ſchönen Stolz des Sieges, den man in den Zügen des Kaiſers verge¬ bens ſucht. Dann: der Papſt. Er ſitzt ſo bedeu¬ tend abgeſpannt und duldend in ſeinem Seſſel, wie eine gläubige und kränkliche Seele, die Gott nicht blos anbetet in dem, was er thut, ſondern auch in dem, was er nicht thut, geſchehen läßt. Endlich Talleyrand. Ich habe ihn nie geſehen, nicht einmal gemalt. Ein Geſicht von Bronze, eine Marmor¬ platte, auf der mit eiſernen Buchſtaben die Nothwen¬ digkeit geſchrieben iſt. Ich habe nie begreifen kön¬ nen, wie noch alle Menſchen aller Zeiten ſo dieſen Mann verkannt! Daß ſie ihn geläſtert, iſt ſchön, aber
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penträger und Hofhanswürſte. Man hätte gerne ge¬
ſehen, daß ſeine Marſchälle ſich ſtolz auf ihre Schwer¬
ter ſtützten und mit unterdrücktem Spotte auf die ge¬
fälligen Cardinäle blickten. Aber ſie trugen Degen
wie die Kammerherren, und waren geputzt wie die
Hofnarren. Die Portraits ſind alle geiſtreich, das
iſt wahr: aber es hat Jeder ſein eigenes Geſicht,
Keiner ein Krönungsgeſicht. Jeder ſucht ſeine Ge¬
fühle zu unterdrücken, das ſiehet man deutlich. Herz
und Augen gehen weit aus einander.
Unter allen Figuren waren nur drei, die mich
anzogen. Napoleons Schweſter, damals Großher¬
zogin von Berg, ſpäter Königin von Neapel. Sie
ſiehet ihrem Bruder ganz ungemein ähnlich, nur ſind
ihre Züge edler und zeigen den ſchönen Stolz des
Sieges, den man in den Zügen des Kaiſers verge¬
bens ſucht. Dann: der Papſt. Er ſitzt ſo bedeu¬
tend abgeſpannt und duldend in ſeinem Seſſel, wie
eine gläubige und kränkliche Seele, die Gott nicht
blos anbetet in dem, was er thut, ſondern auch in
dem, was er nicht thut, geſchehen läßt. Endlich
Talleyrand. Ich habe ihn nie geſehen, nicht einmal
gemalt. Ein Geſicht von Bronze, eine Marmor¬
platte, auf der mit eiſernen Buchſtaben die Nothwen¬
digkeit geſchrieben iſt. Ich habe nie begreifen kön¬
nen, wie noch alle Menſchen aller Zeiten ſo dieſen
Mann verkannt! Daß ſie ihn geläſtert, iſt ſchön, aber
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/107>, abgerufen am 16.02.2025.
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