in einer hiesigen Zeitung, daß ein Koch in Dresden zu sechszehnjähriger Zuchthausstrafe verurtheilt wor¬ den, weil man bei einem Volksauflaufe ein Messer bei ihm gefunden. Als wenn es nicht ganz was natürliches und gewöhnliches wäre, daß ein Koch ein Messer bei sich führe! Auch hat man einen Grafen Schulenburg, der das Volk aufgewiegelt haben soll, arretirt, und nach Berlin geführt. Es versteht sich, daß die deutschen Zeitungen nicht Graf Schulenburg schreiben durften, sondern nur Graf S. Nur in den französischen Blättern war der Name ausge¬ schrieben. Ich zweifle zwar nicht daran, daß es in Deutschland Menschen gibt, die aus Patriotismus oder Muthwillen das Volk aufwiegeln; aber gewiß haben sie die verschiedenen Insurrektionen nicht herbei geführt, sondern höchstens benutzt. Die Regierungen aber, in ihrer alten bekannten Verstocktheit, werden glauben oder sich anstellen zu glauben, einzelne Auf¬ wiegler wären an allen Unruhen Schuld, und wenn sie nun diese in ihre Gewalt bekommen, werden sie denken, alles sei geendigt, auf die Klagen des Volkes ferner keine Rücksicht nehmen, und in die alte Lage zurück fallen. Nur Krieg kann helfen.
Vor einigen Tagen stand in einem hiesigen Blatte ein sehr merkwürdiger Brief aus Deutschland, der über die dortigen Unruhen ein großes und neues Licht verbreitet. Es wird darin erzählt, wie Met¬
in einer hieſigen Zeitung, daß ein Koch in Dresden zu ſechszehnjähriger Zuchthausſtrafe verurtheilt wor¬ den, weil man bei einem Volksauflaufe ein Meſſer bei ihm gefunden. Als wenn es nicht ganz was natürliches und gewöhnliches wäre, daß ein Koch ein Meſſer bei ſich führe! Auch hat man einen Grafen Schulenburg, der das Volk aufgewiegelt haben ſoll, arretirt, und nach Berlin geführt. Es verſteht ſich, daß die deutſchen Zeitungen nicht Graf Schulenburg ſchreiben durften, ſondern nur Graf S. Nur in den franzöſiſchen Blättern war der Name ausge¬ ſchrieben. Ich zweifle zwar nicht daran, daß es in Deutſchland Menſchen gibt, die aus Patriotismus oder Muthwillen das Volk aufwiegeln; aber gewiß haben ſie die verſchiedenen Inſurrektionen nicht herbei geführt, ſondern höchſtens benutzt. Die Regierungen aber, in ihrer alten bekannten Verſtocktheit, werden glauben oder ſich anſtellen zu glauben, einzelne Auf¬ wiegler wären an allen Unruhen Schuld, und wenn ſie nun dieſe in ihre Gewalt bekommen, werden ſie denken, alles ſei geendigt, auf die Klagen des Volkes ferner keine Rückſicht nehmen, und in die alte Lage zurück fallen. Nur Krieg kann helfen.
Vor einigen Tagen ſtand in einem hieſigen Blatte ein ſehr merkwürdiger Brief aus Deutſchland, der über die dortigen Unruhen ein großes und neues Licht verbreitet. Es wird darin erzählt, wie Met¬
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in einer hieſigen Zeitung, daß ein Koch in Dresden
zu ſechszehnjähriger Zuchthausſtrafe verurtheilt wor¬
den, weil man bei einem Volksauflaufe ein Meſſer
bei ihm gefunden. Als wenn es nicht ganz was
natürliches und gewöhnliches wäre, daß ein Koch ein
Meſſer bei ſich führe! Auch hat man einen Grafen
Schulenburg, der das Volk aufgewiegelt haben ſoll,
arretirt, und nach Berlin geführt. Es verſteht ſich,
daß die deutſchen Zeitungen nicht Graf Schulenburg
ſchreiben durften, ſondern nur Graf S. Nur in
den franzöſiſchen Blättern war der Name ausge¬
ſchrieben. Ich zweifle zwar nicht daran, daß es in
Deutſchland Menſchen gibt, die aus Patriotismus
oder Muthwillen das Volk aufwiegeln; aber gewiß
haben ſie die verſchiedenen Inſurrektionen nicht herbei
geführt, ſondern höchſtens benutzt. Die Regierungen
aber, in ihrer alten bekannten Verſtocktheit, werden
glauben oder ſich anſtellen zu glauben, einzelne Auf¬
wiegler wären an allen Unruhen Schuld, und wenn
ſie nun dieſe in ihre Gewalt bekommen, werden ſie
denken, alles ſei geendigt, auf die Klagen des Volkes
ferner keine Rückſicht nehmen, und in die alte Lage
zurück fallen. Nur Krieg kann helfen.
Vor einigen Tagen ſtand in einem hieſigen
Blatte ein ſehr merkwürdiger Brief aus Deutſchland,
der über die dortigen Unruhen ein großes und neues
Licht verbreitet. Es wird darin erzählt, wie Met¬
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/89>, abgerufen am 27.07.2024.
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