Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

wird, und ihr die Geduld verliert mit euren Unter¬
drückern? Sie machen es noch lange nicht arg genug.
Ich habe kein Mitleid mit den Belgiern, mit keinem
Volke. Tu l'as voulu, tu l'as voulu, George
Dandin
! Der Prophet Samuel hat sie schon vor
drei Tausend Jahren gewarnt. Sie haben nicht
hören wollen, sie mögen fühlen.

Gestern habe ich zum ersten Male unsern König
gesehen -- unsern König, den wir gemacht haben.
Es wird sich zeigen, ob wir geschickter sind als
Gott, der die frühern Könige gemacht hat, wie
Kunstkenner behaupten. Er zeigte sich auf einer
offenen Gallerie im Palais-Royal und wurde vom
Volke mit wahrer Herzlichkeit begrüßt. Sie lachten
ihn an, ließen ihn hoch leben und es schien mir alles
aus der innersten Seele zu kommen. Ich stimmte
mit ein. Man liebt gern, wenn es einem nicht gar
zu sauer gemacht wird.

So eben erfahre ich, in Gera wäre eine Re¬
volution ausg ebrochen. Dem D., der mir diese
freudige Nachricht brachte, habe ich zum Lohne ein
Beefsteak holen lassen. Habe ich sie endlich einmal,
die Fürsten Reuß, Greiz, Schleiz und wie sie
sonst heißen! Ist der Tag der Rache endlich erschie¬
nen! Schon dreißig Jahre gedenke ich es ihnen.
Wie haben sie mich in meiner Jugend gequält mit

wird, und ihr die Geduld verliert mit euren Unter¬
drückern? Sie machen es noch lange nicht arg genug.
Ich habe kein Mitleid mit den Belgiern, mit keinem
Volke. Tu l'as voulu, tu l'as voulu, George
Dandin
! Der Prophet Samuel hat ſie ſchon vor
drei Tauſend Jahren gewarnt. Sie haben nicht
hören wollen, ſie mögen fühlen.

Geſtern habe ich zum erſten Male unſern König
geſehen — unſern König, den wir gemacht haben.
Es wird ſich zeigen, ob wir geſchickter ſind als
Gott, der die frühern Könige gemacht hat, wie
Kunſtkenner behaupten. Er zeigte ſich auf einer
offenen Gallerie im Palais-Royal und wurde vom
Volke mit wahrer Herzlichkeit begrüßt. Sie lachten
ihn an, ließen ihn hoch leben und es ſchien mir alles
aus der innerſten Seele zu kommen. Ich ſtimmte
mit ein. Man liebt gern, wenn es einem nicht gar
zu ſauer gemacht wird.

So eben erfahre ich, in Gera wäre eine Re¬
volution ausg ebrochen. Dem D., der mir dieſe
freudige Nachricht brachte, habe ich zum Lohne ein
Beefſteak holen laſſen. Habe ich ſie endlich einmal,
die Fürſten Reuß, Greiz, Schleiz und wie ſie
ſonſt heißen! Iſt der Tag der Rache endlich erſchie¬
nen! Schon dreißig Jahre gedenke ich es ihnen.
Wie haben ſie mich in meiner Jugend gequält mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="54"/>
wird, und ihr die Geduld verliert mit euren Unter¬<lb/>
drückern? Sie machen es noch lange nicht arg genug.<lb/>
Ich habe kein Mitleid mit den Belgiern, mit keinem<lb/>
Volke. <hi rendition="#aq">Tu l'as voulu, tu l'as voulu, George<lb/>
Dandin</hi>! Der Prophet Samuel hat &#x017F;ie &#x017F;chon vor<lb/>
drei Tau&#x017F;end Jahren gewarnt. Sie haben nicht<lb/>
hören wollen, &#x017F;ie mögen fühlen.</p><lb/>
          <p>Ge&#x017F;tern habe ich zum er&#x017F;ten Male un&#x017F;ern König<lb/>
ge&#x017F;ehen &#x2014; <hi rendition="#g">un&#x017F;ern</hi> König, den wir gemacht haben.<lb/>
Es wird &#x017F;ich zeigen, ob wir ge&#x017F;chickter &#x017F;ind als<lb/>
Gott, der die frühern Könige gemacht hat, wie<lb/>
Kun&#x017F;tkenner behaupten. Er zeigte &#x017F;ich auf einer<lb/>
offenen Gallerie im Palais-Royal und wurde vom<lb/>
Volke mit wahrer Herzlichkeit begrüßt. Sie lachten<lb/>
ihn an, ließen ihn hoch leben und es &#x017F;chien mir alles<lb/>
aus der inner&#x017F;ten Seele zu kommen. Ich &#x017F;timmte<lb/>
mit ein. Man liebt gern, wenn es einem nicht gar<lb/>
zu &#x017F;auer gemacht wird.</p><lb/>
          <p>So eben erfahre ich, in Gera wäre eine Re¬<lb/>
volution ausg ebrochen. Dem D., der mir die&#x017F;e<lb/>
freudige Nachricht brachte, habe ich zum Lohne ein<lb/>
Beef&#x017F;teak holen la&#x017F;&#x017F;en. Habe ich &#x017F;ie endlich einmal,<lb/>
die Für&#x017F;ten <hi rendition="#g">Reuß</hi>, <hi rendition="#g">Greiz</hi>, <hi rendition="#g">Schleiz</hi> und wie &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t heißen! I&#x017F;t der Tag der Rache endlich er&#x017F;chie¬<lb/>
nen! Schon dreißig Jahre gedenke ich es ihnen.<lb/>
Wie haben &#x017F;ie mich in meiner Jugend gequält mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0068] wird, und ihr die Geduld verliert mit euren Unter¬ drückern? Sie machen es noch lange nicht arg genug. Ich habe kein Mitleid mit den Belgiern, mit keinem Volke. Tu l'as voulu, tu l'as voulu, George Dandin! Der Prophet Samuel hat ſie ſchon vor drei Tauſend Jahren gewarnt. Sie haben nicht hören wollen, ſie mögen fühlen. Geſtern habe ich zum erſten Male unſern König geſehen — unſern König, den wir gemacht haben. Es wird ſich zeigen, ob wir geſchickter ſind als Gott, der die frühern Könige gemacht hat, wie Kunſtkenner behaupten. Er zeigte ſich auf einer offenen Gallerie im Palais-Royal und wurde vom Volke mit wahrer Herzlichkeit begrüßt. Sie lachten ihn an, ließen ihn hoch leben und es ſchien mir alles aus der innerſten Seele zu kommen. Ich ſtimmte mit ein. Man liebt gern, wenn es einem nicht gar zu ſauer gemacht wird. So eben erfahre ich, in Gera wäre eine Re¬ volution ausg ebrochen. Dem D., der mir dieſe freudige Nachricht brachte, habe ich zum Lohne ein Beefſteak holen laſſen. Habe ich ſie endlich einmal, die Fürſten Reuß, Greiz, Schleiz und wie ſie ſonſt heißen! Iſt der Tag der Rache endlich erſchie¬ nen! Schon dreißig Jahre gedenke ich es ihnen. Wie haben ſie mich in meiner Jugend gequält mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/68
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/68>, abgerufen am 22.07.2024.