Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.Sie diente nur sich selbst, und was sie holte, holte Als nun die Frau kam und für ihren Stuhl Sie diente nur ſich ſelbſt, und was ſie holte, holte Als nun die Frau kam und für ihren Stuhl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0058" n="44"/> Sie diente nur ſich ſelbſt, und was ſie holte, holte<lb/> ſie nur es als Spielzeug zu gebrauchen und ließ es<lb/> wieder fallen. Und da fragte ich mich heute in den<lb/> Tuilerien: damals, im Frühlinge des Lebens und der<lb/> Natur, was dachteſt du mit deinem friſchen Geiſte,<lb/> was fühlteſt du mit deinem jungen Herzen? Ich<lb/> beſann mich ... <hi rendition="#g">auf nichts</hi>. Mir fiel nur ein,<lb/> daß der Erzherzog Karl, und noch andere kaiſerliche<lb/> Prinzen öffentlich im Gartenſaale gefrühſtückt, und<lb/> daß ſie unter andern Chokolade getrunken, und gleich<lb/> darauf Spargel mit Butterſauce gegeſſen, worüber<lb/> ich mich zu ſeiner Zeit ſehr gewundert. Ferner: daß<lb/> ich ſelbſt gefrühſtückt, und zwar ganz köſtliche Brat¬<lb/> würſtchen, nicht länger und dicker als ein Finger,<lb/> die ich ſeit dem in keinem Lande mehr gefunden ...<lb/> Chokolade, Spargel, Bratwürſte — das waren alle<lb/> meine Jugenderinnerungen aus Wien! Es iſt ein<lb/> Wunder! Und erſt heute in den Tuilerien lernte ich<lb/> verſtehen, daß man auch die Freiheit der Gedanken<lb/> feſſeln könne, wovon ich oft gehört; es aber nie<lb/> habe faſſen können.</p><lb/> <p>Als nun die Frau kam und für ihren Stuhl<lb/> zwei Sous einforderte, ſah ich ſie verwundert an<lb/> und gab ihr zehen. Für dieſen Stuhl, dieſe Stunde,<lb/> dieſe Ausſicht, dieſe Erinnerung hätte ich ein Gold¬<lb/> ſtück bezahlt. Das macht Paris ſo herrlich, daß<lb/> zwar Vieles theuer iſt, das Schönſte und Beſte aber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0058]
Sie diente nur ſich ſelbſt, und was ſie holte, holte
ſie nur es als Spielzeug zu gebrauchen und ließ es
wieder fallen. Und da fragte ich mich heute in den
Tuilerien: damals, im Frühlinge des Lebens und der
Natur, was dachteſt du mit deinem friſchen Geiſte,
was fühlteſt du mit deinem jungen Herzen? Ich
beſann mich ... auf nichts. Mir fiel nur ein,
daß der Erzherzog Karl, und noch andere kaiſerliche
Prinzen öffentlich im Gartenſaale gefrühſtückt, und
daß ſie unter andern Chokolade getrunken, und gleich
darauf Spargel mit Butterſauce gegeſſen, worüber
ich mich zu ſeiner Zeit ſehr gewundert. Ferner: daß
ich ſelbſt gefrühſtückt, und zwar ganz köſtliche Brat¬
würſtchen, nicht länger und dicker als ein Finger,
die ich ſeit dem in keinem Lande mehr gefunden ...
Chokolade, Spargel, Bratwürſte — das waren alle
meine Jugenderinnerungen aus Wien! Es iſt ein
Wunder! Und erſt heute in den Tuilerien lernte ich
verſtehen, daß man auch die Freiheit der Gedanken
feſſeln könne, wovon ich oft gehört; es aber nie
habe faſſen können.
Als nun die Frau kam und für ihren Stuhl
zwei Sous einforderte, ſah ich ſie verwundert an
und gab ihr zehen. Für dieſen Stuhl, dieſe Stunde,
dieſe Ausſicht, dieſe Erinnerung hätte ich ein Gold¬
ſtück bezahlt. Das macht Paris ſo herrlich, daß
zwar Vieles theuer iſt, das Schönſte und Beſte aber
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