Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.mannichfachen Farben der Kleider, erscheinen, aus Still, heiter, freundlich und bescheiden wie ein mannichfachen Farben der Kleider, erſcheinen, aus Still, heiter, freundlich und beſcheiden wie ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0054" n="40"/> mannichfachen Farben der Kleider, erſcheinen, aus<lb/> der Ferne betrachtet, nicht mehr bunt; die Farben¬<lb/> geſchlechter treten zuſammen; man ſieht weiß, blau,<lb/> grün, roth, gelb, in langen breiten Streifen. Wegen<lb/> dieſer Fülle und Vollſtändigkeit liebe ich die großen<lb/> Städte ſo ſehr. Seine angeborne Neigung und Rich¬<lb/> tung kann keiner ändern, und um zufrieden zu leben,<lb/> muß darum jeder, was ihm lieb iſt, auf <hi rendition="#g">ſeinem</hi><lb/> Wege ſuchen. Aber das kann man nicht überall.<lb/> Zwar findet man auch in der kleinſten Stadt jedes<lb/> Landes Menſchen von jeder Art, unter welchen man<lb/> wählen kann; aber was nützt uns das? Es ſind<lb/> doch nur Muſter, die zu keinem Kleide hinreichen.<lb/> Nur in London und Paris iſt ein Waaren-Lager<lb/> von Menſchen, wo man ſich verſehen kann, nach<lb/> Neigung und Vermögen.</p><lb/> <p>Still, heiter, freundlich und beſcheiden wie ein<lb/> verliebtes glückliches Mädchen, luſtwandelte das Pa¬<lb/> riſer Volk umher. Als ich dieſes ſah, und bedachte:<lb/> noch ſind zwei Monate nicht vorüber, daß es einen<lb/> tauſendjährigen König niedergeworfen, und in ihm<lb/> Millionen ſeiner Feinde beſiegt — wollte ich meinen<lb/> Augen oder meiner Erinnerung nicht trauen. Es iſt<lb/> der Traum von einem Wunder! Schnell haben ſie<lb/> geſiegt, ſchneller haben ſie verziehen. Wie mild hat<lb/> das Volk die erlittenen Kränkungen erwiedert, wie<lb/> bald ganz vergeſſen! Nur im offenen Kampfe, auf<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0054]
mannichfachen Farben der Kleider, erſcheinen, aus
der Ferne betrachtet, nicht mehr bunt; die Farben¬
geſchlechter treten zuſammen; man ſieht weiß, blau,
grün, roth, gelb, in langen breiten Streifen. Wegen
dieſer Fülle und Vollſtändigkeit liebe ich die großen
Städte ſo ſehr. Seine angeborne Neigung und Rich¬
tung kann keiner ändern, und um zufrieden zu leben,
muß darum jeder, was ihm lieb iſt, auf ſeinem
Wege ſuchen. Aber das kann man nicht überall.
Zwar findet man auch in der kleinſten Stadt jedes
Landes Menſchen von jeder Art, unter welchen man
wählen kann; aber was nützt uns das? Es ſind
doch nur Muſter, die zu keinem Kleide hinreichen.
Nur in London und Paris iſt ein Waaren-Lager
von Menſchen, wo man ſich verſehen kann, nach
Neigung und Vermögen.
Still, heiter, freundlich und beſcheiden wie ein
verliebtes glückliches Mädchen, luſtwandelte das Pa¬
riſer Volk umher. Als ich dieſes ſah, und bedachte:
noch ſind zwei Monate nicht vorüber, daß es einen
tauſendjährigen König niedergeworfen, und in ihm
Millionen ſeiner Feinde beſiegt — wollte ich meinen
Augen oder meiner Erinnerung nicht trauen. Es iſt
der Traum von einem Wunder! Schnell haben ſie
geſiegt, ſchneller haben ſie verziehen. Wie mild hat
das Volk die erlittenen Kränkungen erwiedert, wie
bald ganz vergeſſen! Nur im offenen Kampfe, auf
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