Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.Aber nicht einmal eine menschliche Seele, die mich Dormans -- wie das lieblich lautet! Wie Aber nicht einmal eine menſchliche Seele, die mich Dormans — wie das lieblich lautet! Wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0029" n="15"/> Aber nicht einmal eine menſchliche Seele, die mich<lb/> auslacht! Allein zu ſein mit ſeiner Weisheit, das<lb/> iſt man gewöhnt, das hat man ertragen gelernt;<lb/> aber allein mit ſeiner Thorheit, das iſt unerhörter<lb/> Jammer, dem unterliegt der Stärkſte! O, theures<lb/> Vaterland, wie einfältig verkannte ich deinen Werth!<lb/> Dort fand ich in jedem Nachtquartier eine kleine<lb/> Reſidenz, oder den Sitz einer hohen Regierung, oder<lb/> eine Garniſon, oder eine Univerſität, und in jedem<lb/> Gaſthofe eine Weinſtube mit ſcharf geprägten Gäſten,<lb/> die mir gefielen oder nicht gefielen, die meinem<lb/> Herzen oder meinem Geiſte Stoff gaben, der aus¬<lb/> reichte bis zum Einſchlafen. Aber hier in dieſem<lb/> vermaledeiten Rath-loſen Lande! Seit acht Tagen<lb/> ſaß ich jeden Abend allein auf meinem Zimmer und<lb/> verſchmachtete. Glauben Sie mir, man ſtirbt nicht<lb/> vor Langerweile; das iſt nur eine dichteriſche Redens¬<lb/> art. Aber wie gern hätte ich für jeden Lieutenant<lb/> einen Schoppen Wein bezahlt, für jeden Hofrath<lb/> eine Flaſche, für jeden Profeſſor zwei Flaſchen, für<lb/> einen Studenten drei; und hätte ich gar einen ſchönen<lb/> Geiſt, einen Theaterkritiker an mein Herz drücken<lb/> können, nicht der ganze Keller wäre mir zu koſt¬<lb/> ſpielig geweſen. Hofräthe, Hofräthe! wenn ich je<lb/> wieder euerer ſpotte, dann ſchlagt mir auf den Mund<lb/> und erinnert mich an Dormans.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Dormans</hi> — wie das lieblich lautet! Wie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0029]
Aber nicht einmal eine menſchliche Seele, die mich
auslacht! Allein zu ſein mit ſeiner Weisheit, das
iſt man gewöhnt, das hat man ertragen gelernt;
aber allein mit ſeiner Thorheit, das iſt unerhörter
Jammer, dem unterliegt der Stärkſte! O, theures
Vaterland, wie einfältig verkannte ich deinen Werth!
Dort fand ich in jedem Nachtquartier eine kleine
Reſidenz, oder den Sitz einer hohen Regierung, oder
eine Garniſon, oder eine Univerſität, und in jedem
Gaſthofe eine Weinſtube mit ſcharf geprägten Gäſten,
die mir gefielen oder nicht gefielen, die meinem
Herzen oder meinem Geiſte Stoff gaben, der aus¬
reichte bis zum Einſchlafen. Aber hier in dieſem
vermaledeiten Rath-loſen Lande! Seit acht Tagen
ſaß ich jeden Abend allein auf meinem Zimmer und
verſchmachtete. Glauben Sie mir, man ſtirbt nicht
vor Langerweile; das iſt nur eine dichteriſche Redens¬
art. Aber wie gern hätte ich für jeden Lieutenant
einen Schoppen Wein bezahlt, für jeden Hofrath
eine Flaſche, für jeden Profeſſor zwei Flaſchen, für
einen Studenten drei; und hätte ich gar einen ſchönen
Geiſt, einen Theaterkritiker an mein Herz drücken
können, nicht der ganze Keller wäre mir zu koſt¬
ſpielig geweſen. Hofräthe, Hofräthe! wenn ich je
wieder euerer ſpotte, dann ſchlagt mir auf den Mund
und erinnert mich an Dormans.
Dormans — wie das lieblich lautet! Wie
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