Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Kann man es besser haben als ich? die Tage
wachsen schnell und mit ihnen meine Hoffnungen.
Das Wetter ist sehr gelinde; schon sind die Wander¬
vögel dem Norden zugezogen: bald endet der Winter,
bald thauet der deutsche Bund auf, bald blühn
alle Veilchen
; über meinem Kopfe Saphirs
Fußtritte, und eine deutsche Küche. Ja, ich habe eine
deutsche Köchin entdeckt, eine vortreffliche Augsburgerin,
die eine Table d'Hote hält, wo man lauter vater¬
ländische Gerichte und Gäste findet. Rindfleisch mit
rothen Rüben und Kräutersauce, Kartoffeln, Sauer¬
kraut mit Schweinefleisch, Reisauflauf und Kommis
in Menge. Man wird doch satt und es kostet nicht
viel. Was aber mein Glück stört, ist, wie man hier
mit Bestimmtheit behauptet, daß Metternich das
Ruder verliert. Darüber bin ich sehr verdrießlich,
es ist ein Unglück. Metternich war eine reine
Farbe, die der feindlichen entgegengesetzt, es bald zu
irgend einer Entscheidung gebracht hätte; wenn aber
nach ihm die graue Neutralität regiert, wird keiner
wissen, wo seine Fahne ist, alle werden durch ein¬
ander laufen und keiner das Ziel finden. Metternich
war starr, eigensinnig und der Sturm hätte ihn
bald gebrochen; sein Nachfolger wird auch nicht wei¬


Kann man es beſſer haben als ich? die Tage
wachſen ſchnell und mit ihnen meine Hoffnungen.
Das Wetter iſt ſehr gelinde; ſchon ſind die Wander¬
vögel dem Norden zugezogen: bald endet der Winter,
bald thauet der deutſche Bund auf, bald blühn
alle Veilchen
; über meinem Kopfe Saphirs
Fußtritte, und eine deutſche Küche. Ja, ich habe eine
deutſche Köchin entdeckt, eine vortreffliche Augsburgerin,
die eine Table d'Hôte hält, wo man lauter vater¬
ländiſche Gerichte und Gäſte findet. Rindfleiſch mit
rothen Rüben und Kräuterſauce, Kartoffeln, Sauer¬
kraut mit Schweinefleiſch, Reisauflauf und Kommis
in Menge. Man wird doch ſatt und es koſtet nicht
viel. Was aber mein Glück ſtört, iſt, wie man hier
mit Beſtimmtheit behauptet, daß Metternich das
Ruder verliert. Darüber bin ich ſehr verdrießlich,
es iſt ein Unglück. Metternich war eine reine
Farbe, die der feindlichen entgegengeſetzt, es bald zu
irgend einer Entſcheidung gebracht hätte; wenn aber
nach ihm die graue Neutralität regiert, wird keiner
wiſſen, wo ſeine Fahne iſt, alle werden durch ein¬
ander laufen und keiner das Ziel finden. Metternich
war ſtarr, eigenſinnig und der Sturm hätte ihn
bald gebrochen; ſein Nachfolger wird auch nicht wei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0195" n="181"/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">Montag, den 10. Januar.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Kann man es be&#x017F;&#x017F;er haben als ich? die Tage<lb/>
wach&#x017F;en &#x017F;chnell und mit ihnen meine Hoffnungen.<lb/>
Das Wetter i&#x017F;t &#x017F;ehr gelinde; &#x017F;chon &#x017F;ind die Wander¬<lb/>
vögel dem Norden zugezogen: bald endet der Winter,<lb/>
bald thauet der deut&#x017F;che Bund auf, bald <hi rendition="#g">blühn<lb/>
alle Veilchen</hi>; über meinem Kopfe Saphirs<lb/>
Fußtritte, und eine deut&#x017F;che Küche. Ja, ich habe eine<lb/>
deut&#x017F;che Köchin entdeckt, eine vortreffliche Augsburgerin,<lb/>
die eine <hi rendition="#aq">Table d'Hôte</hi> hält, wo man lauter vater¬<lb/>
ländi&#x017F;che Gerichte und Gä&#x017F;te findet. Rindflei&#x017F;ch mit<lb/>
rothen Rüben und Kräuter&#x017F;auce, Kartoffeln, Sauer¬<lb/>
kraut mit Schweineflei&#x017F;ch, Reisauflauf und Kommis<lb/>
in Menge. Man wird doch &#x017F;att und es ko&#x017F;tet nicht<lb/>
viel. Was aber mein Glück &#x017F;tört, i&#x017F;t, wie man hier<lb/>
mit Be&#x017F;timmtheit behauptet, daß Metternich das<lb/>
Ruder verliert. Darüber bin ich &#x017F;ehr verdrießlich,<lb/>
es i&#x017F;t ein Unglück. Metternich war eine reine<lb/>
Farbe, die der feindlichen entgegenge&#x017F;etzt, es bald zu<lb/>
irgend einer Ent&#x017F;cheidung gebracht hätte; wenn aber<lb/>
nach ihm die graue Neutralität regiert, wird keiner<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, wo &#x017F;eine Fahne i&#x017F;t, alle werden durch ein¬<lb/>
ander laufen und keiner das Ziel finden. Metternich<lb/>
war &#x017F;tarr, eigen&#x017F;innig und der Sturm hätte ihn<lb/>
bald gebrochen; &#x017F;ein Nachfolger wird auch nicht wei¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[181/0195] Montag, den 10. Januar. Kann man es beſſer haben als ich? die Tage wachſen ſchnell und mit ihnen meine Hoffnungen. Das Wetter iſt ſehr gelinde; ſchon ſind die Wander¬ vögel dem Norden zugezogen: bald endet der Winter, bald thauet der deutſche Bund auf, bald blühn alle Veilchen; über meinem Kopfe Saphirs Fußtritte, und eine deutſche Küche. Ja, ich habe eine deutſche Köchin entdeckt, eine vortreffliche Augsburgerin, die eine Table d'Hôte hält, wo man lauter vater¬ ländiſche Gerichte und Gäſte findet. Rindfleiſch mit rothen Rüben und Kräuterſauce, Kartoffeln, Sauer¬ kraut mit Schweinefleiſch, Reisauflauf und Kommis in Menge. Man wird doch ſatt und es koſtet nicht viel. Was aber mein Glück ſtört, iſt, wie man hier mit Beſtimmtheit behauptet, daß Metternich das Ruder verliert. Darüber bin ich ſehr verdrießlich, es iſt ein Unglück. Metternich war eine reine Farbe, die der feindlichen entgegengeſetzt, es bald zu irgend einer Entſcheidung gebracht hätte; wenn aber nach ihm die graue Neutralität regiert, wird keiner wiſſen, wo ſeine Fahne iſt, alle werden durch ein¬ ander laufen und keiner das Ziel finden. Metternich war ſtarr, eigenſinnig und der Sturm hätte ihn bald gebrochen; ſein Nachfolger wird auch nicht wei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/195
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/195>, abgerufen am 22.12.2024.