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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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Frankreichs Erde wurzelnd, aber ein Theil des Tu¬
ches flatterte in deutscher Luft. Fragen Sie doch
den ersten besten Legations-Sekretär, ob das nicht
gegen das Völkerrecht sei? Es war nur der rothe
Farbenstreif der Fahne, der in unser Mutterland
hineinflatterte. Das wird auch die einzige Farbe
seyn, die uns zu Theil wird werden von Frankreichs
Freiheit. Roth, Blut, Blut -- ach! und nicht
Blut auf dem Schlachtfelde.

Gott! könnte ich doch auch einmal unter dieser
Fahne streiten, nur einen einzigen Tag mit rother
Dinte schreiben, wie gern wollte ich meine gesam¬
melten Schriften verbrennen, und selbst den unschul¬
digen achten Theil von ihnen, der noch im Mutter¬
schoose meiner Phantasie ruht! Schmach, Schmach
über unser Andenken! Einst werden die siegesfrohen,
siegesübermüthigen Enkel spottend einen Gansflügel
auf unseren Grabeshügel stecken, während glücklichere
Todte unter dem Schatten der Lorbeeren ruhen. Ich
begreife, wie man gegenwärtige Uebel geduldig er¬
trägt -- es gibt kein gegenwärtiges Uebel, es wird
nach jeder Minute zur Vergangenheit -- aber wie
erträgt man zukünftige Leiden? das fasse ich nicht.

Diesen Mittag war ein junger Mensch bei
Tische, der in Paris mit gefochten. Es war mir
gerade als brennten ihm die Haare, und unwillkühr¬
lich rückte ich von ihm weg, ob zwar ich deutsches

Frankreichs Erde wurzelnd, aber ein Theil des Tu¬
ches flatterte in deutſcher Luft. Fragen Sie doch
den erſten beſten Legations-Sekretär, ob das nicht
gegen das Völkerrecht ſei? Es war nur der rothe
Farbenſtreif der Fahne, der in unſer Mutterland
hineinflatterte. Das wird auch die einzige Farbe
ſeyn, die uns zu Theil wird werden von Frankreichs
Freiheit. Roth, Blut, Blut — ach! und nicht
Blut auf dem Schlachtfelde.

Gott! könnte ich doch auch einmal unter dieſer
Fahne ſtreiten, nur einen einzigen Tag mit rother
Dinte ſchreiben, wie gern wollte ich meine geſam¬
melten Schriften verbrennen, und ſelbſt den unſchul¬
digen achten Theil von ihnen, der noch im Mutter¬
ſchooſe meiner Phantaſie ruht! Schmach, Schmach
über unſer Andenken! Einſt werden die ſiegesfrohen,
ſiegesübermüthigen Enkel ſpottend einen Gansflügel
auf unſeren Grabeshügel ſtecken, während glücklichere
Todte unter dem Schatten der Lorbeeren ruhen. Ich
begreife, wie man gegenwärtige Uebel geduldig er¬
trägt — es gibt kein gegenwärtiges Uebel, es wird
nach jeder Minute zur Vergangenheit — aber wie
erträgt man zukünftige Leiden? das faſſe ich nicht.

Dieſen Mittag war ein junger Menſch bei
Tiſche, der in Paris mit gefochten. Es war mir
gerade als brennten ihm die Haare, und unwillkühr¬
lich rückte ich von ihm weg, ob zwar ich deutſches

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[5/0019] Frankreichs Erde wurzelnd, aber ein Theil des Tu¬ ches flatterte in deutſcher Luft. Fragen Sie doch den erſten beſten Legations-Sekretär, ob das nicht gegen das Völkerrecht ſei? Es war nur der rothe Farbenſtreif der Fahne, der in unſer Mutterland hineinflatterte. Das wird auch die einzige Farbe ſeyn, die uns zu Theil wird werden von Frankreichs Freiheit. Roth, Blut, Blut — ach! und nicht Blut auf dem Schlachtfelde. Gott! könnte ich doch auch einmal unter dieſer Fahne ſtreiten, nur einen einzigen Tag mit rother Dinte ſchreiben, wie gern wollte ich meine geſam¬ melten Schriften verbrennen, und ſelbſt den unſchul¬ digen achten Theil von ihnen, der noch im Mutter¬ ſchooſe meiner Phantaſie ruht! Schmach, Schmach über unſer Andenken! Einſt werden die ſiegesfrohen, ſiegesübermüthigen Enkel ſpottend einen Gansflügel auf unſeren Grabeshügel ſtecken, während glücklichere Todte unter dem Schatten der Lorbeeren ruhen. Ich begreife, wie man gegenwärtige Uebel geduldig er¬ trägt — es gibt kein gegenwärtiges Uebel, es wird nach jeder Minute zur Vergangenheit — aber wie erträgt man zukünftige Leiden? das faſſe ich nicht. Dieſen Mittag war ein junger Menſch bei Tiſche, der in Paris mit gefochten. Es war mir gerade als brennten ihm die Haare, und unwillkühr¬ lich rückte ich von ihm weg, ob zwar ich deutſches

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/19>, abgerufen am 22.12.2024.