und man schweigt und lächelt -- und wo der Staats¬ rath Niebuhr in Bonn, da er gedruckt gelesen, er habe früher in Rom mit de Potter Umgang gehabt, mit Händen und Füßen gegen diese Lästerung zappelt, wie ein Kind gegen das kalte Waschen, und be¬ hauptet auf Ehre, er habe diesen Unheilstifter nie mit den Fingern berührt! Aber hier? die Wie¬ sen waren schon grün und jetzt schneit es wieder darauf. Die Kammer, diese alte Kokette, die sich schminkt, Mäulchen macht und auf die Jugend lä¬ stert -- ich könnte sie auspeitschen sehen. Als sie noch selbst jung war, war sie so schlimm als Eine. Man hat Lafayette als Commandant der National¬ garde abgesetzt, und der Kriegsminister hat der gan¬ zen polytechnischen Schule Arrest gegeben! Diese jungen Helden waren es, welche den Kampf im Juli gelenkt, und ohne sie wären alle Deputirten und alle diese Minister vielleicht eine Speise der Raben ge¬ worden. Lafayette war es, der die Revolution rein erhalten und vor Anarchie bewahrt, und ihm hat Orleans seine Krone und die Fürsten Europas zu verdanken, daß Frankreich keine Republik geworden. Er hat dem Volke gesagt, es wäre möglich, daß ein König die Freiheit liebe, und man hat es ihm ge¬ glaubt. Behüte mich Gott, daß ich je Theil an der Staatsgewalt bekomme! Ich sehe es hier an den Besten, daß, sobald man zur Macht kömmt, man
und man ſchweigt und lächelt — und wo der Staats¬ rath Niebuhr in Bonn, da er gedruckt geleſen, er habe früher in Rom mit de Potter Umgang gehabt, mit Händen und Füßen gegen dieſe Läſterung zappelt, wie ein Kind gegen das kalte Waſchen, und be¬ hauptet auf Ehre, er habe dieſen Unheilſtifter nie mit den Fingern berührt! Aber hier? die Wie¬ ſen waren ſchon grün und jetzt ſchneit es wieder darauf. Die Kammer, dieſe alte Kokette, die ſich ſchminkt, Mäulchen macht und auf die Jugend lä¬ ſtert — ich könnte ſie auspeitſchen ſehen. Als ſie noch ſelbſt jung war, war ſie ſo ſchlimm als Eine. Man hat Lafayette als Commandant der National¬ garde abgeſetzt, und der Kriegsminiſter hat der gan¬ zen polytechniſchen Schule Arreſt gegeben! Dieſe jungen Helden waren es, welche den Kampf im Juli gelenkt, und ohne ſie wären alle Deputirten und alle dieſe Miniſter vielleicht eine Speiſe der Raben ge¬ worden. Lafayette war es, der die Revolution rein erhalten und vor Anarchie bewahrt, und ihm hat Orleans ſeine Krone und die Fürſten Europas zu verdanken, daß Frankreich keine Republik geworden. Er hat dem Volke geſagt, es wäre möglich, daß ein König die Freiheit liebe, und man hat es ihm ge¬ glaubt. Behüte mich Gott, daß ich je Theil an der Staatsgewalt bekomme! Ich ſehe es hier an den Beſten, daß, ſobald man zur Macht kömmt, man
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und man ſchweigt und lächelt — und wo der Staats¬
rath Niebuhr in Bonn, da er gedruckt geleſen, er
habe früher in Rom mit de Potter Umgang gehabt,
mit Händen und Füßen gegen dieſe Läſterung zappelt,
wie ein Kind gegen das kalte Waſchen, und be¬
hauptet auf Ehre, er habe dieſen Unheilſtifter
nie mit den Fingern berührt! Aber hier? die Wie¬
ſen waren ſchon grün und jetzt ſchneit es wieder
darauf. Die Kammer, dieſe alte Kokette, die ſich
ſchminkt, Mäulchen macht und auf die Jugend lä¬
ſtert — ich könnte ſie auspeitſchen ſehen. Als ſie
noch ſelbſt jung war, war ſie ſo ſchlimm als Eine.
Man hat Lafayette als Commandant der National¬
garde abgeſetzt, und der Kriegsminiſter hat der gan¬
zen polytechniſchen Schule Arreſt gegeben! Dieſe
jungen Helden waren es, welche den Kampf im Juli
gelenkt, und ohne ſie wären alle Deputirten und alle
dieſe Miniſter vielleicht eine Speiſe der Raben ge¬
worden. Lafayette war es, der die Revolution rein
erhalten und vor Anarchie bewahrt, und ihm hat
Orleans ſeine Krone und die Fürſten Europas zu
verdanken, daß Frankreich keine Republik geworden.
Er hat dem Volke geſagt, es wäre möglich, daß ein
König die Freiheit liebe, und man hat es ihm ge¬
glaubt. Behüte mich Gott, daß ich je Theil an der
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/170>, abgerufen am 22.07.2024.
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