Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Als ich gestern über die Rue de la paix
ging, begegnete ich einem Trupp National-Garden,
Trommel voraus, die auf einer Bahre die Lorbeer¬
bekränzte Büste des Königs trugen, ich weiß nicht
wohin, wahrscheinlich in eine Wachtstube. Lustig
Volk die Franzosen; den ganzen Tag Komödie. --
Jetzt macht die Schuljugend der Regierung wieder
viel zu schaffen, und ich habe meine herzliche Schaden¬
freude daran. Die Schulen haben in dem Aufstande
dieser Tage zur Herstellung der Ruhe sehr viel bei¬
getragen. Nun hat vorgestern die Kammer den
Schulen feierlichsten Dank votirt. Diese aber haben
gestern Abend in einer Zeitung Proclamationen
drucken lassen, worin sie hönisch der Kammer sagen:
Euren Dank begehren wir nicht, gebt uns die Frei¬
heit, die ihr uns versprochen, "la liberte qu'on
nous marchande maintenant et que nous avons
paye comptant au mois de Juillet."
O wie
Recht haben sie! Ihr in Deutschland braucht gar
nicht so stolz zu seyn, wir haben hier so dumme
Leute als dort auch. Hier sagen sie auch, die
Franzosen sind noch nicht reif zu mehr Freiheit als
sie jetzt besitzen, das müsse der Zukunft überlassen
bleiben. Und so bleiben sie nun stehen; bis die


Als ich geſtern über die Rue de la paix
ging, begegnete ich einem Trupp National-Garden,
Trommel voraus, die auf einer Bahre die Lorbeer¬
bekränzte Büſte des Königs trugen, ich weiß nicht
wohin, wahrſcheinlich in eine Wachtſtube. Luſtig
Volk die Franzoſen; den ganzen Tag Komödie. —
Jetzt macht die Schuljugend der Regierung wieder
viel zu ſchaffen, und ich habe meine herzliche Schaden¬
freude daran. Die Schulen haben in dem Aufſtande
dieſer Tage zur Herſtellung der Ruhe ſehr viel bei¬
getragen. Nun hat vorgeſtern die Kammer den
Schulen feierlichſten Dank votirt. Dieſe aber haben
geſtern Abend in einer Zeitung Proclamationen
drucken laſſen, worin ſie höniſch der Kammer ſagen:
Euren Dank begehren wir nicht, gebt uns die Frei¬
heit, die ihr uns verſprochen, „la liberté qu'on
nous marchande maintenant et que nous avons
payé comptant au mois de Juillet.“
O wie
Recht haben ſie! Ihr in Deutſchland braucht gar
nicht ſo ſtolz zu ſeyn, wir haben hier ſo dumme
Leute als dort auch. Hier ſagen ſie auch, die
Franzoſen ſind noch nicht reif zu mehr Freiheit als
ſie jetzt beſitzen, das müſſe der Zukunft überlaſſen
bleiben. Und ſo bleiben ſie nun ſtehen; bis die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0165" n="151"/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">Sam&#x017F;tag den 25. Dezember.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Als ich ge&#x017F;tern über die <hi rendition="#aq">Rue de la paix</hi><lb/>
ging, begegnete ich einem Trupp National-Garden,<lb/>
Trommel voraus, die auf einer Bahre die Lorbeer¬<lb/>
bekränzte Bü&#x017F;te des Königs trugen, ich weiß nicht<lb/>
wohin, wahr&#x017F;cheinlich in eine Wacht&#x017F;tube. Lu&#x017F;tig<lb/>
Volk die Franzo&#x017F;en; den ganzen Tag Komödie. &#x2014;<lb/>
Jetzt macht die Schuljugend der Regierung wieder<lb/>
viel zu &#x017F;chaffen, und ich habe meine herzliche Schaden¬<lb/>
freude daran. Die Schulen haben in dem Auf&#x017F;tande<lb/>
die&#x017F;er Tage zur Her&#x017F;tellung der Ruhe &#x017F;ehr viel bei¬<lb/>
getragen. Nun hat vorge&#x017F;tern die Kammer den<lb/>
Schulen feierlich&#x017F;ten Dank votirt. Die&#x017F;e aber haben<lb/>
ge&#x017F;tern Abend in einer Zeitung Proclamationen<lb/>
drucken la&#x017F;&#x017F;en, worin &#x017F;ie höni&#x017F;ch der Kammer &#x017F;agen:<lb/>
Euren Dank begehren wir nicht, gebt uns die Frei¬<lb/>
heit, die ihr uns ver&#x017F;prochen, <hi rendition="#aq">&#x201E;la liberté qu'on<lb/>
nous marchande maintenant et que nous avons<lb/>
payé comptant au mois de Juillet.&#x201C;</hi> O wie<lb/>
Recht haben &#x017F;ie! Ihr in Deut&#x017F;chland braucht gar<lb/>
nicht &#x017F;o &#x017F;tolz zu &#x017F;eyn, wir haben hier &#x017F;o dumme<lb/>
Leute als dort auch. Hier &#x017F;agen &#x017F;ie auch, die<lb/>
Franzo&#x017F;en &#x017F;ind noch nicht reif zu mehr Freiheit als<lb/>
&#x017F;ie jetzt be&#x017F;itzen, das mü&#x017F;&#x017F;e der Zukunft überla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
bleiben. Und &#x017F;o bleiben &#x017F;ie nun &#x017F;tehen; bis die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0165] Samſtag den 25. Dezember. Als ich geſtern über die Rue de la paix ging, begegnete ich einem Trupp National-Garden, Trommel voraus, die auf einer Bahre die Lorbeer¬ bekränzte Büſte des Königs trugen, ich weiß nicht wohin, wahrſcheinlich in eine Wachtſtube. Luſtig Volk die Franzoſen; den ganzen Tag Komödie. — Jetzt macht die Schuljugend der Regierung wieder viel zu ſchaffen, und ich habe meine herzliche Schaden¬ freude daran. Die Schulen haben in dem Aufſtande dieſer Tage zur Herſtellung der Ruhe ſehr viel bei¬ getragen. Nun hat vorgeſtern die Kammer den Schulen feierlichſten Dank votirt. Dieſe aber haben geſtern Abend in einer Zeitung Proclamationen drucken laſſen, worin ſie höniſch der Kammer ſagen: Euren Dank begehren wir nicht, gebt uns die Frei¬ heit, die ihr uns verſprochen, „la liberté qu'on nous marchande maintenant et que nous avons payé comptant au mois de Juillet.“ O wie Recht haben ſie! Ihr in Deutſchland braucht gar nicht ſo ſtolz zu ſeyn, wir haben hier ſo dumme Leute als dort auch. Hier ſagen ſie auch, die Franzoſen ſind noch nicht reif zu mehr Freiheit als ſie jetzt beſitzen, das müſſe der Zukunft überlaſſen bleiben. Und ſo bleiben ſie nun ſtehen; bis die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/165
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/165>, abgerufen am 22.12.2024.