Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Kreuzzügen" fand, mußte ich laut auflachen, und
ein grämlicher Engländer sah mich mit Erstaunen
an, als wolle er mich fragen, wie kann man lachen?
Hätte ich ihm mein Vergnügen so recht klar machen
können, es hätte ihm gewiß seinen Spleen vertrieben. --
Der Senator *** hatte doch so unrecht nicht, als
er vorigen Sommer sagte, er wolle lieber Schwein¬
hirt seyn, als französischer Minister. Heute hat
er gewiß Recht. Heute beginnt der Prozeß der
Minister. Welch ein Gefühl muß das für einen
alten Edelmann wie Polignac seyn, vor allen Diplo¬
maten Europens, mit denen er früher unter einer
Decke gespielt, vor vierzig Lumpenkerls von Zeitungs¬
schreibern auf dem armen Sünderstuhl zu sitzen und
Rede und Antwort zu geben. Die spätere Strafe
ist nichts gegen dieses Verhör. Man hat bei der
Untersuchung den Polignac am schuldigsten gefunden.
Die Andern waren verführt. Am 25. Dezember
wird das Urtheil gesprochen werden. Eine schöne
Weihnachtsbescherung! Viele glauben, Polignac allein
werde zum Tode verurtheilt, aber der Gnade des
Königs empfohlen werden. Wie wird man sich
heute Abend um den Messager reißen, der um
acht Uhr erscheint und die heutige Sitzung enthalten
wird!

Vergangenen Sonntag war Benjamin Constants

Kreuzzügen“ fand, mußte ich laut auflachen, und
ein grämlicher Engländer ſah mich mit Erſtaunen
an, als wolle er mich fragen, wie kann man lachen?
Hätte ich ihm mein Vergnügen ſo recht klar machen
können, es hätte ihm gewiß ſeinen Spleen vertrieben. —
Der Senator *** hatte doch ſo unrecht nicht, als
er vorigen Sommer ſagte, er wolle lieber Schwein¬
hirt ſeyn, als franzöſiſcher Miniſter. Heute hat
er gewiß Recht. Heute beginnt der Prozeß der
Miniſter. Welch ein Gefühl muß das für einen
alten Edelmann wie Polignac ſeyn, vor allen Diplo¬
maten Europens, mit denen er früher unter einer
Decke geſpielt, vor vierzig Lumpenkerls von Zeitungs¬
ſchreibern auf dem armen Sünderſtuhl zu ſitzen und
Rede und Antwort zu geben. Die ſpätere Strafe
iſt nichts gegen dieſes Verhör. Man hat bei der
Unterſuchung den Polignac am ſchuldigſten gefunden.
Die Andern waren verführt. Am 25. Dezember
wird das Urtheil geſprochen werden. Eine ſchöne
Weihnachtsbeſcherung! Viele glauben, Polignac allein
werde zum Tode verurtheilt, aber der Gnade des
Königs empfohlen werden. Wie wird man ſich
heute Abend um den Meſſager reißen, der um
acht Uhr erſcheint und die heutige Sitzung enthalten
wird!

Vergangenen Sonntag war Benjamin Conſtants

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0147" n="133"/>
Kreuzzügen</hi>&#x201C; fand, mußte ich laut auflachen, und<lb/>
ein grämlicher Engländer &#x017F;ah mich mit Er&#x017F;taunen<lb/>
an, als wolle er mich fragen, wie kann man lachen?<lb/>
Hätte ich ihm mein Vergnügen &#x017F;o recht klar machen<lb/>
können, es hätte ihm gewiß &#x017F;einen Spleen vertrieben. &#x2014;<lb/>
Der Senator *** hatte doch &#x017F;o unrecht nicht, als<lb/>
er vorigen Sommer &#x017F;agte, er wolle lieber Schwein¬<lb/>
hirt &#x017F;eyn, als franzö&#x017F;i&#x017F;cher Mini&#x017F;ter. <hi rendition="#g">Heute</hi> hat<lb/>
er gewiß Recht. Heute beginnt der Prozeß der<lb/>
Mini&#x017F;ter. Welch ein Gefühl muß das für einen<lb/>
alten Edelmann wie Polignac &#x017F;eyn, vor allen Diplo¬<lb/>
maten Europens, mit denen er früher unter einer<lb/>
Decke ge&#x017F;pielt, vor vierzig Lumpenkerls von Zeitungs¬<lb/>
&#x017F;chreibern auf dem armen Sünder&#x017F;tuhl zu &#x017F;itzen und<lb/>
Rede und Antwort zu geben. Die &#x017F;pätere Strafe<lb/>
i&#x017F;t nichts gegen die&#x017F;es Verhör. Man hat bei der<lb/>
Unter&#x017F;uchung den Polignac am &#x017F;chuldig&#x017F;ten gefunden.<lb/>
Die Andern waren verführt. Am 25. Dezember<lb/>
wird das Urtheil ge&#x017F;prochen werden. Eine &#x017F;chöne<lb/>
Weihnachtsbe&#x017F;cherung! Viele glauben, Polignac allein<lb/>
werde zum Tode verurtheilt, aber der Gnade des<lb/>
Königs empfohlen werden. Wie wird man &#x017F;ich<lb/>
heute Abend um den Me&#x017F;&#x017F;ager reißen, der um<lb/>
acht Uhr er&#x017F;cheint und die heutige Sitzung enthalten<lb/>
wird!</p><lb/>
          <p>Vergangenen Sonntag war Benjamin Con&#x017F;tants<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0147] Kreuzzügen“ fand, mußte ich laut auflachen, und ein grämlicher Engländer ſah mich mit Erſtaunen an, als wolle er mich fragen, wie kann man lachen? Hätte ich ihm mein Vergnügen ſo recht klar machen können, es hätte ihm gewiß ſeinen Spleen vertrieben. — Der Senator *** hatte doch ſo unrecht nicht, als er vorigen Sommer ſagte, er wolle lieber Schwein¬ hirt ſeyn, als franzöſiſcher Miniſter. Heute hat er gewiß Recht. Heute beginnt der Prozeß der Miniſter. Welch ein Gefühl muß das für einen alten Edelmann wie Polignac ſeyn, vor allen Diplo¬ maten Europens, mit denen er früher unter einer Decke geſpielt, vor vierzig Lumpenkerls von Zeitungs¬ ſchreibern auf dem armen Sünderſtuhl zu ſitzen und Rede und Antwort zu geben. Die ſpätere Strafe iſt nichts gegen dieſes Verhör. Man hat bei der Unterſuchung den Polignac am ſchuldigſten gefunden. Die Andern waren verführt. Am 25. Dezember wird das Urtheil geſprochen werden. Eine ſchöne Weihnachtsbeſcherung! Viele glauben, Polignac allein werde zum Tode verurtheilt, aber der Gnade des Königs empfohlen werden. Wie wird man ſich heute Abend um den Meſſager reißen, der um acht Uhr erſcheint und die heutige Sitzung enthalten wird! Vergangenen Sonntag war Benjamin Conſtants

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/147
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/147>, abgerufen am 23.11.2024.