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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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daß, wenn nicht glücklicher Weise der reiche B. an¬
gekommen wäre, der Verlust auf hundert Millionen
steigen würde. Der Constitutionnel ärgert sich dar¬
über und das macht ihn bitter. Es amüsirt mich
sehr, daß mich der Constitutionnel, sonst mein lu¬
stiger Rath, seit der Revolution so sehr ennuyirt.
So auch die andern Kameraden. Sie sind erschöpft,
ihre Zeit ist aus, und ihr fortgesetztes Liberal-Thun
stehet ihnen so lächerlich, wie alten Weibern das
Kokettiren an. Man muß sich an die jungen Zei¬
tungen halten; le temps, national, la revolution.
Selbst der Figaro ist nicht mehr so witzig als ehe¬
mals: Es geschehen nicht Dummheiten genug mehr.
Warum gehet er nicht nach Deutschland? -- --
H. hat mir gesagt, seine Mutter hätte ihm geschrie¬
ben, die St ... hätte ihr gesagt, Sie hätten ihr
gesagt, ich hätte Ihnen geschrieben, ich ginge in
Paris noch Nachts zwei Uhr auf der Straße herum.
Ist das wahr? das ist ja ein schöner Klatsch-Knäul.

-- Sie haben Angst vor den zwölf Löwen und
Tigern? das wundert mich gar nicht, Sie haben
schon vor weniger Angst gehabt. Hören Sie, was
neulich dem Dr. *** begegnete. Er wird Abends zu
einer Kranken gerufen. Die Frau lag im Bette,
und der Schirm vor dem Lichte machte das Zimmer
unhell. Während nun *** seine Kranke ausfragte,
fühlte er auf seiner herunterhängenden Hand den

daß, wenn nicht glücklicher Weiſe der reiche B. an¬
gekommen wäre, der Verluſt auf hundert Millionen
ſteigen würde. Der Conſtitutionnel ärgert ſich dar¬
über und das macht ihn bitter. Es amüſirt mich
ſehr, daß mich der Conſtitutionnel, ſonſt mein lu¬
ſtiger Rath, ſeit der Revolution ſo ſehr ennuyirt.
So auch die andern Kameraden. Sie ſind erſchöpft,
ihre Zeit iſt aus, und ihr fortgeſetztes Liberal-Thun
ſtehet ihnen ſo lächerlich, wie alten Weibern das
Kokettiren an. Man muß ſich an die jungen Zei¬
tungen halten; le temps, national, la révolution.
Selbſt der Figaro iſt nicht mehr ſo witzig als ehe¬
mals: Es geſchehen nicht Dummheiten genug mehr.
Warum gehet er nicht nach Deutſchland? — —
H. hat mir geſagt, ſeine Mutter hätte ihm geſchrie¬
ben, die St ... hätte ihr geſagt, Sie hätten ihr
geſagt, ich hätte Ihnen geſchrieben, ich ginge in
Paris noch Nachts zwei Uhr auf der Straße herum.
Iſt das wahr? das iſt ja ein ſchöner Klatſch-Knäul.

— Sie haben Angſt vor den zwölf Löwen und
Tigern? das wundert mich gar nicht, Sie haben
ſchon vor weniger Angſt gehabt. Hören Sie, was
neulich dem Dr. *** begegnete. Er wird Abends zu
einer Kranken gerufen. Die Frau lag im Bette,
und der Schirm vor dem Lichte machte das Zimmer
unhell. Während nun *** ſeine Kranke ausfragte,
fühlte er auf ſeiner herunterhängenden Hand den

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[118/0132] daß, wenn nicht glücklicher Weiſe der reiche B. an¬ gekommen wäre, der Verluſt auf hundert Millionen ſteigen würde. Der Conſtitutionnel ärgert ſich dar¬ über und das macht ihn bitter. Es amüſirt mich ſehr, daß mich der Conſtitutionnel, ſonſt mein lu¬ ſtiger Rath, ſeit der Revolution ſo ſehr ennuyirt. So auch die andern Kameraden. Sie ſind erſchöpft, ihre Zeit iſt aus, und ihr fortgeſetztes Liberal-Thun ſtehet ihnen ſo lächerlich, wie alten Weibern das Kokettiren an. Man muß ſich an die jungen Zei¬ tungen halten; le temps, national, la révolution. Selbſt der Figaro iſt nicht mehr ſo witzig als ehe¬ mals: Es geſchehen nicht Dummheiten genug mehr. Warum gehet er nicht nach Deutſchland? — — H. hat mir geſagt, ſeine Mutter hätte ihm geſchrie¬ ben, die St ... hätte ihr geſagt, Sie hätten ihr geſagt, ich hätte Ihnen geſchrieben, ich ginge in Paris noch Nachts zwei Uhr auf der Straße herum. Iſt das wahr? das iſt ja ein ſchöner Klatſch-Knäul. — Sie haben Angſt vor den zwölf Löwen und Tigern? das wundert mich gar nicht, Sie haben ſchon vor weniger Angſt gehabt. Hören Sie, was neulich dem Dr. *** begegnete. Er wird Abends zu einer Kranken gerufen. Die Frau lag im Bette, und der Schirm vor dem Lichte machte das Zimmer unhell. Während nun *** ſeine Kranke ausfragte, fühlte er auf ſeiner herunterhängenden Hand den

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/132>, abgerufen am 25.11.2024.