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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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ist gefährlich über die Straße zu gehen, es ist als
wenn Räuber, die Pistole auf der Brust, uns unser
Geld abforderten.

-- Ich lese mit großem Vergnügen Diderots
nachgelassene Briefe an eine Freundin, die erst im
Anfange dieses Jahres erschienen sind. Wenn ich
Ihnen solche große Briefe schriebe, dann wären Sie
mit mir zufrieden. Briefe, zwölf, gedruckte Seiten
lang, und über alles. Als er seine Freundin, seine
Sophia kennen lernte, war er schon 46 Jahre alt!
Aber es ist nicht Freundschaft, es ist die heißeste
jugendlichste Liebe, wenigstens in den Reden; denn
es kann leicht seyn, daß sie sich beide nur etwas
weiß gemacht. Die Briefe sind an eine Mademoiselle
Volland gerichtet, ein Mädchen, das bei der Mutter
lebte. Wie alt sie ist, erfährt man nicht. Aber die
Liebe und die Correspondenz dauern länger als zwan¬
zig Jahre. Und Diderot war verheirathet! Ich habe
keine Vorstellung davon, wie ein Mann von 46 Jah¬
ren und der noch überdies an der Ehe leidet, welche
doch immer eine Art Gicht ist, sich noch verlieben
kann. Das kann aber auch nur ein Franzose. Der
Deutsche hat gewiß mehr wahres Gefühl, mehr
innere Wärme; aber die theilt sich nicht mit. Wir
haben kalte Hände und sind kalt bei der Berührung.
Die Briefe sind charmant, nur muß man beim Lesen
die unverdaulichen Liebeserklärungen wie die Kirsch¬

iſt gefährlich über die Straße zu gehen, es iſt als
wenn Räuber, die Piſtole auf der Bruſt, uns unſer
Geld abforderten.

— Ich leſe mit großem Vergnügen Diderots
nachgelaſſene Briefe an eine Freundin, die erſt im
Anfange dieſes Jahres erſchienen ſind. Wenn ich
Ihnen ſolche große Briefe ſchriebe, dann wären Sie
mit mir zufrieden. Briefe, zwölf, gedruckte Seiten
lang, und über alles. Als er ſeine Freundin, ſeine
Sophia kennen lernte, war er ſchon 46 Jahre alt!
Aber es iſt nicht Freundſchaft, es iſt die heißeſte
jugendlichſte Liebe, wenigſtens in den Reden; denn
es kann leicht ſeyn, daß ſie ſich beide nur etwas
weiß gemacht. Die Briefe ſind an eine Mademoiſelle
Volland gerichtet, ein Mädchen, das bei der Mutter
lebte. Wie alt ſie iſt, erfährt man nicht. Aber die
Liebe und die Correſpondenz dauern länger als zwan¬
zig Jahre. Und Diderot war verheirathet! Ich habe
keine Vorſtellung davon, wie ein Mann von 46 Jah¬
ren und der noch überdies an der Ehe leidet, welche
doch immer eine Art Gicht iſt, ſich noch verlieben
kann. Das kann aber auch nur ein Franzoſe. Der
Deutſche hat gewiß mehr wahres Gefühl, mehr
innere Wärme; aber die theilt ſich nicht mit. Wir
haben kalte Hände und ſind kalt bei der Berührung.
Die Briefe ſind charmant, nur muß man beim Leſen
die unverdaulichen Liebeserklärungen wie die Kirſch¬

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[111/0125] iſt gefährlich über die Straße zu gehen, es iſt als wenn Räuber, die Piſtole auf der Bruſt, uns unſer Geld abforderten. — Ich leſe mit großem Vergnügen Diderots nachgelaſſene Briefe an eine Freundin, die erſt im Anfange dieſes Jahres erſchienen ſind. Wenn ich Ihnen ſolche große Briefe ſchriebe, dann wären Sie mit mir zufrieden. Briefe, zwölf, gedruckte Seiten lang, und über alles. Als er ſeine Freundin, ſeine Sophia kennen lernte, war er ſchon 46 Jahre alt! Aber es iſt nicht Freundſchaft, es iſt die heißeſte jugendlichſte Liebe, wenigſtens in den Reden; denn es kann leicht ſeyn, daß ſie ſich beide nur etwas weiß gemacht. Die Briefe ſind an eine Mademoiſelle Volland gerichtet, ein Mädchen, das bei der Mutter lebte. Wie alt ſie iſt, erfährt man nicht. Aber die Liebe und die Correſpondenz dauern länger als zwan¬ zig Jahre. Und Diderot war verheirathet! Ich habe keine Vorſtellung davon, wie ein Mann von 46 Jah¬ ren und der noch überdies an der Ehe leidet, welche doch immer eine Art Gicht iſt, ſich noch verlieben kann. Das kann aber auch nur ein Franzoſe. Der Deutſche hat gewiß mehr wahres Gefühl, mehr innere Wärme; aber die theilt ſich nicht mit. Wir haben kalte Hände und ſind kalt bei der Berührung. Die Briefe ſind charmant, nur muß man beim Leſen die unverdaulichen Liebeserklärungen wie die Kirſch¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/125>, abgerufen am 22.12.2024.