Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Mit Belgien, denke ich, wird sich alles fried¬
lich beilegen. Die großen Mächte haben seine Un¬
abhängigkeit bereits anerkannt, und dem Gedanken
entsagt, ihm dem Prinzen von Oranien aufzudrin¬
gen. Nur das Eine wird verlangt, daß es sich
zu keiner Republik mache. Die meisten, wenigstens
die einflußreichsten Belgier, sollen freilich für die
republikanische Regierungsform gestimmt seyn; sie
werden aber nachgeben müssen. Ich wollte, sie
gäben nicht nach. Zwar halte ich eine Republik
weder Belgien, noch einem andern Lande unsers
entnervten Welttheils zuträglich; doch wäre das an
deutscher Grenze von großem Vortheile; es würde
unseren Absolutismus etwas geschmeidiger machen.
Die Furcht ist die beste Gouvernante der Fürsten,
die einzige, der sie gehorchen. Die Furcht muß
Deutschlands Grenze bilden, oder alle Hoffnung ist
aufzugeben. Auf Talleyrand in London setze ich
großes Zutrauen, und ich lasse mich hierin von den
Pariser Manieristen nicht irre machen. Er setzt
bestimmt alles durch; denn er ist der einzige Staats¬
mann, der keine Leidenschaften und kein System hat
und darum die Verhältnisse klar erkennt, wie sie sind.
Er wußte die Fehler der Andern immer sehr gut zu
benutzen, und an Fehlern wird es auch diesmal nicht


Mit Belgien, denke ich, wird ſich alles fried¬
lich beilegen. Die großen Mächte haben ſeine Un¬
abhängigkeit bereits anerkannt, und dem Gedanken
entſagt, ihm dem Prinzen von Oranien aufzudrin¬
gen. Nur das Eine wird verlangt, daß es ſich
zu keiner Republik mache. Die meiſten, wenigſtens
die einflußreichſten Belgier, ſollen freilich für die
republikaniſche Regierungsform geſtimmt ſeyn; ſie
werden aber nachgeben müſſen. Ich wollte, ſie
gäben nicht nach. Zwar halte ich eine Republik
weder Belgien, noch einem andern Lande unſers
entnervten Welttheils zuträglich; doch wäre das an
deutſcher Grenze von großem Vortheile; es würde
unſeren Abſolutismus etwas geſchmeidiger machen.
Die Furcht iſt die beſte Gouvernante der Fürſten,
die einzige, der ſie gehorchen. Die Furcht muß
Deutſchlands Grenze bilden, oder alle Hoffnung iſt
aufzugeben. Auf Talleyrand in London ſetze ich
großes Zutrauen, und ich laſſe mich hierin von den
Pariſer Manieriſten nicht irre machen. Er ſetzt
beſtimmt alles durch; denn er iſt der einzige Staats¬
mann, der keine Leidenſchaften und kein Syſtem hat
und darum die Verhältniſſe klar erkennt, wie ſie ſind.
Er wußte die Fehler der Andern immer ſehr gut zu
benutzen, und an Fehlern wird es auch diesmal nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0109" n="95"/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">Dien&#x017F;tag, den 16. November.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Mit Belgien, denke ich, wird &#x017F;ich alles fried¬<lb/>
lich beilegen. Die großen Mächte haben &#x017F;eine Un¬<lb/>
abhängigkeit bereits anerkannt, und dem Gedanken<lb/>
ent&#x017F;agt, ihm dem Prinzen von Oranien aufzudrin¬<lb/>
gen. Nur das Eine wird verlangt, daß es &#x017F;ich<lb/>
zu keiner Republik mache. Die mei&#x017F;ten, wenig&#x017F;tens<lb/>
die einflußreich&#x017F;ten Belgier, &#x017F;ollen freilich für die<lb/>
republikani&#x017F;che Regierungsform ge&#x017F;timmt &#x017F;eyn; &#x017F;ie<lb/>
werden aber nachgeben mü&#x017F;&#x017F;en. Ich wollte, &#x017F;ie<lb/>
gäben nicht nach. Zwar halte ich eine Republik<lb/>
weder Belgien, noch einem andern Lande un&#x017F;ers<lb/>
entnervten Welttheils zuträglich; doch wäre das an<lb/>
deut&#x017F;cher Grenze von großem Vortheile; es würde<lb/>
un&#x017F;eren Ab&#x017F;olutismus etwas ge&#x017F;chmeidiger machen.<lb/>
Die Furcht i&#x017F;t die be&#x017F;te Gouvernante der Für&#x017F;ten,<lb/>
die einzige, der &#x017F;ie gehorchen. Die Furcht muß<lb/>
Deut&#x017F;chlands Grenze bilden, oder alle Hoffnung i&#x017F;t<lb/>
aufzugeben. Auf Talleyrand in London &#x017F;etze ich<lb/>
großes Zutrauen, und ich la&#x017F;&#x017F;e mich hierin von den<lb/>
Pari&#x017F;er Manieri&#x017F;ten nicht irre machen. Er &#x017F;etzt<lb/>
be&#x017F;timmt alles durch; denn er i&#x017F;t der einzige Staats¬<lb/>
mann, der keine Leiden&#x017F;chaften und kein Sy&#x017F;tem hat<lb/>
und darum die Verhältni&#x017F;&#x017F;e klar erkennt, wie &#x017F;ie &#x017F;ind.<lb/>
Er wußte die Fehler der Andern immer &#x017F;ehr gut zu<lb/>
benutzen, und an Fehlern wird es auch diesmal nicht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0109] Dienſtag, den 16. November. Mit Belgien, denke ich, wird ſich alles fried¬ lich beilegen. Die großen Mächte haben ſeine Un¬ abhängigkeit bereits anerkannt, und dem Gedanken entſagt, ihm dem Prinzen von Oranien aufzudrin¬ gen. Nur das Eine wird verlangt, daß es ſich zu keiner Republik mache. Die meiſten, wenigſtens die einflußreichſten Belgier, ſollen freilich für die republikaniſche Regierungsform geſtimmt ſeyn; ſie werden aber nachgeben müſſen. Ich wollte, ſie gäben nicht nach. Zwar halte ich eine Republik weder Belgien, noch einem andern Lande unſers entnervten Welttheils zuträglich; doch wäre das an deutſcher Grenze von großem Vortheile; es würde unſeren Abſolutismus etwas geſchmeidiger machen. Die Furcht iſt die beſte Gouvernante der Fürſten, die einzige, der ſie gehorchen. Die Furcht muß Deutſchlands Grenze bilden, oder alle Hoffnung iſt aufzugeben. Auf Talleyrand in London ſetze ich großes Zutrauen, und ich laſſe mich hierin von den Pariſer Manieriſten nicht irre machen. Er ſetzt beſtimmt alles durch; denn er iſt der einzige Staats¬ mann, der keine Leidenſchaften und kein Syſtem hat und darum die Verhältniſſe klar erkennt, wie ſie ſind. Er wußte die Fehler der Andern immer ſehr gut zu benutzen, und an Fehlern wird es auch diesmal nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/109
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/109>, abgerufen am 22.12.2024.