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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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duellen Marke ganz im Sinne der andern Reize der Liebenden.
Es müßte fast mit seltsamen Dingen zugegangen sein, sollte
etwas Moschustier-Veranlagung dieser Art nicht dem Urmenschen
auch überkommen sein.

Nun mußt du dich in jene Zeit versetzen, da der ent¬
kleidete, stark ausdünstende Mensch in der Höhle daheim
anfing, ausgesprochen der erotische Mensch zu werden. Es
wäre sehr gut möglich, daß ganz bestimmte erotische Ausdünstungen
der Achsel- und Schamgegend, in der Zeit der Liebesreife zu¬
erst auftretend, lange Zeit eine sehr starke Rolle gespielt hätten.
Gerade diese Duftwirkungen könnten aber zur Erhaltung der
Haare an den betreffenden Stellen geführt haben, -- die Haare
im Sinne von Duftzerstreuern, Duftpinseln sozusagen gefaßt.
Auch für diesen Urmenschen hätte in dieser Duftsprache be¬
stimmter Körperstellen wirklich noch eine Art Sprache gelegen.
An ihr hätte er den Knaben vom liebesreifen Mann und wieder
den Mann vom Greis, auch den erotisch starken Mann individuell
vom schwachen unterschieden, und entsprechend die gleichen
Phasen beim Weibe. Liebeswunsch und Liebesindifferenz hätte
sich ihm wortlos und doch völlig deutlich darin angesagt. Kurz,
denken kann man sich den Hergang so sehr gut, wenn er auch
in etwas hineinführt, das nachmals seelisch wieder ganz rudimen¬
tär geworden wäre, während die Haare, die einst dazu gehörten,
als verlorene Posten heute noch da stehen wie die Augenstiele
gewisser blinder Krebse der Tiefsee, die das Sehen selber ab¬
geschafft haben.

Daß ein kleiner Rest auch des Empfindens noch da ist, beweist
dir ja jene Thatsache, daß unter groben Verhältnissen Kultur¬
weiber von heute sich in eine Kunstatmosphäre von Moschus
setzen, also das erotische Zugmittel eines niedrigeren Säuge¬
tiers äußerlich ihrem menschlichen Leibe wieder vorheften. Aber
gerade das Greifen nach einem so aufdringlichen Liebesduft¬
mittel verrät gleichzeitig auch die starke Verrohung des mensch¬
lichen Sinns für diese Dinge. Mag sein, der Mensch brauchte

duellen Marke ganz im Sinne der andern Reize der Liebenden.
Es müßte faſt mit ſeltſamen Dingen zugegangen ſein, ſollte
etwas Moſchustier-Veranlagung dieſer Art nicht dem Urmenſchen
auch überkommen ſein.

Nun mußt du dich in jene Zeit verſetzen, da der ent¬
kleidete, ſtark ausdünſtende Menſch in der Höhle daheim
anfing, ausgeſprochen der erotiſche Menſch zu werden. Es
wäre ſehr gut möglich, daß ganz beſtimmte erotiſche Ausdünſtungen
der Achſel- und Schamgegend, in der Zeit der Liebesreife zu¬
erſt auftretend, lange Zeit eine ſehr ſtarke Rolle geſpielt hätten.
Gerade dieſe Duftwirkungen könnten aber zur Erhaltung der
Haare an den betreffenden Stellen geführt haben, — die Haare
im Sinne von Duftzerſtreuern, Duftpinſeln ſozuſagen gefaßt.
Auch für dieſen Urmenſchen hätte in dieſer Duftſprache be¬
ſtimmter Körperſtellen wirklich noch eine Art Sprache gelegen.
An ihr hätte er den Knaben vom liebesreifen Mann und wieder
den Mann vom Greis, auch den erotiſch ſtarken Mann individuell
vom ſchwachen unterſchieden, und entſprechend die gleichen
Phaſen beim Weibe. Liebeswunſch und Liebesindifferenz hätte
ſich ihm wortlos und doch völlig deutlich darin angeſagt. Kurz,
denken kann man ſich den Hergang ſo ſehr gut, wenn er auch
in etwas hineinführt, das nachmals ſeeliſch wieder ganz rudimen¬
tär geworden wäre, während die Haare, die einſt dazu gehörten,
als verlorene Poſten heute noch da ſtehen wie die Augenſtiele
gewiſſer blinder Krebſe der Tiefſee, die das Sehen ſelber ab¬
geſchafft haben.

Daß ein kleiner Reſt auch des Empfindens noch da iſt, beweiſt
dir ja jene Thatſache, daß unter groben Verhältniſſen Kultur¬
weiber von heute ſich in eine Kunſtatmoſphäre von Moſchus
ſetzen, alſo das erotiſche Zugmittel eines niedrigeren Säuge¬
tiers äußerlich ihrem menſchlichen Leibe wieder vorheften. Aber
gerade das Greifen nach einem ſo aufdringlichen Liebesduft¬
mittel verrät gleichzeitig auch die ſtarke Verrohung des menſch¬
lichen Sinns für dieſe Dinge. Mag ſein, der Menſch brauchte

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[74/0088] duellen Marke ganz im Sinne der andern Reize der Liebenden. Es müßte faſt mit ſeltſamen Dingen zugegangen ſein, ſollte etwas Moſchustier-Veranlagung dieſer Art nicht dem Urmenſchen auch überkommen ſein. Nun mußt du dich in jene Zeit verſetzen, da der ent¬ kleidete, ſtark ausdünſtende Menſch in der Höhle daheim anfing, ausgeſprochen der erotiſche Menſch zu werden. Es wäre ſehr gut möglich, daß ganz beſtimmte erotiſche Ausdünſtungen der Achſel- und Schamgegend, in der Zeit der Liebesreife zu¬ erſt auftretend, lange Zeit eine ſehr ſtarke Rolle geſpielt hätten. Gerade dieſe Duftwirkungen könnten aber zur Erhaltung der Haare an den betreffenden Stellen geführt haben, — die Haare im Sinne von Duftzerſtreuern, Duftpinſeln ſozuſagen gefaßt. Auch für dieſen Urmenſchen hätte in dieſer Duftſprache be¬ ſtimmter Körperſtellen wirklich noch eine Art Sprache gelegen. An ihr hätte er den Knaben vom liebesreifen Mann und wieder den Mann vom Greis, auch den erotiſch ſtarken Mann individuell vom ſchwachen unterſchieden, und entſprechend die gleichen Phaſen beim Weibe. Liebeswunſch und Liebesindifferenz hätte ſich ihm wortlos und doch völlig deutlich darin angeſagt. Kurz, denken kann man ſich den Hergang ſo ſehr gut, wenn er auch in etwas hineinführt, das nachmals ſeeliſch wieder ganz rudimen¬ tär geworden wäre, während die Haare, die einſt dazu gehörten, als verlorene Poſten heute noch da ſtehen wie die Augenſtiele gewiſſer blinder Krebſe der Tiefſee, die das Sehen ſelber ab¬ geſchafft haben. Daß ein kleiner Reſt auch des Empfindens noch da iſt, beweiſt dir ja jene Thatſache, daß unter groben Verhältniſſen Kultur¬ weiber von heute ſich in eine Kunſtatmoſphäre von Moſchus ſetzen, alſo das erotiſche Zugmittel eines niedrigeren Säuge¬ tiers äußerlich ihrem menſchlichen Leibe wieder vorheften. Aber gerade das Greifen nach einem ſo aufdringlichen Liebesduft¬ mittel verrät gleichzeitig auch die ſtarke Verrohung des menſch¬ lichen Sinns für dieſe Dinge. Mag ſein, der Menſch brauchte

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/88>, abgerufen am 24.11.2024.