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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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hat nachgewiesen, daß alle diese Schüppchen noch mit den
lebenden Zellen der Haut in Verbindung stehen. Jedenfalls
ist aber gerade dieser Duftzauber so fein, daß unsere mensch¬
liche Nase ihn trotz aller Versuche am weiblichen Nacht¬
schmetterling selber noch nie hat riechen können. Und dabei
doch solche unglaubliche Fernwirkung auf die Fühlernasen der
verliebten Nachtschmetterlings-Männer! Jener Versuch Weis¬
manns fand in der Stadt statt. Wie viel Gerüche schweben
durcheinander in der Atmosphäre einer Menschenstadt! Und
doch reagiert die Chemie dieser Liebesnase des Nachtfalters in
all diesem unendlichen Gebräu auf eine einzige Stoffwelle:
den zarten Duftäther, der von dem brünstigen Weibchen am
einsamen Naturforscherfenster aus seine Wellenkreise in die
Weite, über Gärten und Häusermeer wirft.

Wesentlich gröber ist umgekehrt der Mannesduft bei Nacht-
und Tagschmetterlingen. Er ist offenbar weniger auf das
sehnsüchtige Werben über große Fernen fort berechnet, sondern
mehr für die unmittelbare Sinnlichkeitserregung in der Liebes¬
schlacht, also dicht vor dem Weibe.

In diesem Falle ist es unserer Menschennase denn auch
möglich, den grellen Brunstduft ganz ordentlich selber mit¬
zuriechen. Es war zuerst der riesige Windenschwärmer unserer
schwülen Sommerabende, der den Sammlern durch seinen wahr¬
haft wilden Moschusgeruch auffiel, -- seltsam genug also gerade
wieder diese bestimmte Duftblume, die auch beim Krokodil, beim
Moschustier, beim menschlichen Kunstparfum und wo sonst
überall noch als "Wollustblume" wiederkehrt!

Einmal auf der Spur der Sache, hat man denn auch in
diesem Mannesfalle glücklich die eigentlichen "Duft-Organe"
als solche greifbar ausfindig gemacht. Die wirkliche Grund¬
lage des Duftes bilden auch hier flüchtige ätherische Öle, die
direkt von den Zellen der Haut produziert werden. Zu ihrem
richtigen und wirksamen Abströmen -- Abduften -- aber
dienen gewisse eigens darauf eingerichtete Schuppen der Flügel

hat nachgewieſen, daß alle dieſe Schüppchen noch mit den
lebenden Zellen der Haut in Verbindung ſtehen. Jedenfalls
iſt aber gerade dieſer Duftzauber ſo fein, daß unſere menſch¬
liche Naſe ihn trotz aller Verſuche am weiblichen Nacht¬
ſchmetterling ſelber noch nie hat riechen können. Und dabei
doch ſolche unglaubliche Fernwirkung auf die Fühlernaſen der
verliebten Nachtſchmetterlings-Männer! Jener Verſuch Weis¬
manns fand in der Stadt ſtatt. Wie viel Gerüche ſchweben
durcheinander in der Atmoſphäre einer Menſchenſtadt! Und
doch reagiert die Chemie dieſer Liebesnaſe des Nachtfalters in
all dieſem unendlichen Gebräu auf eine einzige Stoffwelle:
den zarten Duftäther, der von dem brünſtigen Weibchen am
einſamen Naturforſcherfenſter aus ſeine Wellenkreiſe in die
Weite, über Gärten und Häuſermeer wirft.

Weſentlich gröber iſt umgekehrt der Mannesduft bei Nacht-
und Tagſchmetterlingen. Er iſt offenbar weniger auf das
ſehnſüchtige Werben über große Fernen fort berechnet, ſondern
mehr für die unmittelbare Sinnlichkeitserregung in der Liebes¬
ſchlacht, alſo dicht vor dem Weibe.

In dieſem Falle iſt es unſerer Menſchennaſe denn auch
möglich, den grellen Brunſtduft ganz ordentlich ſelber mit¬
zuriechen. Es war zuerſt der rieſige Windenſchwärmer unſerer
ſchwülen Sommerabende, der den Sammlern durch ſeinen wahr¬
haft wilden Moſchusgeruch auffiel, — ſeltſam genug alſo gerade
wieder dieſe beſtimmte Duftblume, die auch beim Krokodil, beim
Moſchustier, beim menſchlichen Kunſtparfum und wo ſonſt
überall noch als „Wolluſtblume“ wiederkehrt!

Einmal auf der Spur der Sache, hat man denn auch in
dieſem Mannesfalle glücklich die eigentlichen „Duft-Organe“
als ſolche greifbar ausfindig gemacht. Die wirkliche Grund¬
lage des Duftes bilden auch hier flüchtige ätheriſche Öle, die
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[70/0084] hat nachgewieſen, daß alle dieſe Schüppchen noch mit den lebenden Zellen der Haut in Verbindung ſtehen. Jedenfalls iſt aber gerade dieſer Duftzauber ſo fein, daß unſere menſch¬ liche Naſe ihn trotz aller Verſuche am weiblichen Nacht¬ ſchmetterling ſelber noch nie hat riechen können. Und dabei doch ſolche unglaubliche Fernwirkung auf die Fühlernaſen der verliebten Nachtſchmetterlings-Männer! Jener Verſuch Weis¬ manns fand in der Stadt ſtatt. Wie viel Gerüche ſchweben durcheinander in der Atmoſphäre einer Menſchenſtadt! Und doch reagiert die Chemie dieſer Liebesnaſe des Nachtfalters in all dieſem unendlichen Gebräu auf eine einzige Stoffwelle: den zarten Duftäther, der von dem brünſtigen Weibchen am einſamen Naturforſcherfenſter aus ſeine Wellenkreiſe in die Weite, über Gärten und Häuſermeer wirft. Weſentlich gröber iſt umgekehrt der Mannesduft bei Nacht- und Tagſchmetterlingen. Er iſt offenbar weniger auf das ſehnſüchtige Werben über große Fernen fort berechnet, ſondern mehr für die unmittelbare Sinnlichkeitserregung in der Liebes¬ ſchlacht, alſo dicht vor dem Weibe. In dieſem Falle iſt es unſerer Menſchennaſe denn auch möglich, den grellen Brunſtduft ganz ordentlich ſelber mit¬ zuriechen. Es war zuerſt der rieſige Windenſchwärmer unſerer ſchwülen Sommerabende, der den Sammlern durch ſeinen wahr¬ haft wilden Moſchusgeruch auffiel, — ſeltſam genug alſo gerade wieder dieſe beſtimmte Duftblume, die auch beim Krokodil, beim Moſchustier, beim menſchlichen Kunſtparfum und wo ſonſt überall noch als „Wolluſtblume“ wiederkehrt! Einmal auf der Spur der Sache, hat man denn auch in dieſem Mannesfalle glücklich die eigentlichen „Duft-Organe“ als ſolche greifbar ausfindig gemacht. Die wirkliche Grund¬ lage des Duftes bilden auch hier flüchtige ätheriſche Öle, die direkt von den Zellen der Haut produziert werden. Zu ihrem richtigen und wirkſamen Abſtrömen — Abduften — aber dienen gewiſſe eigens darauf eingerichtete Schuppen der Flügel

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/84>, abgerufen am 22.11.2024.