der zahmen Kastanienblüte ist an Orten, wo diese in Menge gedeiht, buchstäblich die ganze Luft geschwängert mit dem Parfüm menschlichen Samens.
Die Kehrseite sind freilich auch wieder Blütendüfte, die unserem Empfinden weder angenehm, noch sinnlich erregend vorkommen, sondern die uns einfach abscheulich riechen. Du mußt eben bedenken, daß die Blume das Insekt nicht bloß ästhetisch oder erotisch ergötzen, sondern strenggenommen zur Tafel einladen will. Erst als Wirtshausbesucher wird es ja dann ihr unfreiwilliger Liebesbote. Da sind denn für gewisse etwas gröber veranlagte Wirtshäusler auch viel herzhaftere Duftsachen probiert worden etwa im Sinne von Limburger Käse als Lockschild. Der Geschmack vieler Insekten, besonders Fliegen, geht aber noch über echten Limburger. Ihnen muß es schon faules Fleisch sein. Nach dem duften also eine ganze Portion Blumen pflichtschuldigst. Die größte Blüte der Welt gehört hierher: die ungeheure Rafflesia der Urwälder von Sumatra, deren Blume ein Meter spannt und nicht nur wie ein Lappen faulenden Elefantenfleischs riecht, sondern auch so aussieht.
Von hier ist nur ein kleiner Schritt zu Pflanzen und Tieren, die umgekehrt bestialisch schaudervolle Gerüche entwickeln, um überhaupt nicht mehr anzulocken, sondern um sich zu ver¬ teidigen. Eine solche Waffe ist der unerträgliche Knoblauchgeruch gewisser Kröten: ich erinnere mich des wahren Höllenpfuhls, der mich aus einer Botanisiertrommel anhauchte, in der ein Dutzend kleiner, sonst so niedlicher Feuerunken (Bombinator) eine Stunde weit über Land getragen worden war. Und das Stinktier, eine Art Marder, spritzt bekanntlich aus einer Drüse wie beim Moschustier einen Saft, der buchstäblich zum Himmel stinkt, den Menschen zu nackter Insolierhaft nötigt und seine Kleidungsstücke für immer unbrauchbar macht.
Doch bleiben wir bloß in der Linie der Liebesdüfte. Da siehst du denn im Tierreich den angenehmen Duft alsbald im
der zahmen Kaſtanienblüte iſt an Orten, wo dieſe in Menge gedeiht, buchſtäblich die ganze Luft geſchwängert mit dem Parfüm menſchlichen Samens.
Die Kehrſeite ſind freilich auch wieder Blütendüfte, die unſerem Empfinden weder angenehm, noch ſinnlich erregend vorkommen, ſondern die uns einfach abſcheulich riechen. Du mußt eben bedenken, daß die Blume das Inſekt nicht bloß äſthetiſch oder erotiſch ergötzen, ſondern ſtrenggenommen zur Tafel einladen will. Erſt als Wirtshausbeſucher wird es ja dann ihr unfreiwilliger Liebesbote. Da ſind denn für gewiſſe etwas gröber veranlagte Wirtshäusler auch viel herzhaftere Duftſachen probiert worden etwa im Sinne von Limburger Käſe als Lockſchild. Der Geſchmack vieler Inſekten, beſonders Fliegen, geht aber noch über echten Limburger. Ihnen muß es ſchon faules Fleiſch ſein. Nach dem duften alſo eine ganze Portion Blumen pflichtſchuldigſt. Die größte Blüte der Welt gehört hierher: die ungeheure Raffleſia der Urwälder von Sumatra, deren Blume ein Meter ſpannt und nicht nur wie ein Lappen faulenden Elefantenfleiſchs riecht, ſondern auch ſo ausſieht.
Von hier iſt nur ein kleiner Schritt zu Pflanzen und Tieren, die umgekehrt beſtialiſch ſchaudervolle Gerüche entwickeln, um überhaupt nicht mehr anzulocken, ſondern um ſich zu ver¬ teidigen. Eine ſolche Waffe iſt der unerträgliche Knoblauchgeruch gewiſſer Kröten: ich erinnere mich des wahren Höllenpfuhls, der mich aus einer Botaniſiertrommel anhauchte, in der ein Dutzend kleiner, ſonſt ſo niedlicher Feuerunken (Bombinator) eine Stunde weit über Land getragen worden war. Und das Stinktier, eine Art Marder, ſpritzt bekanntlich aus einer Drüſe wie beim Moſchustier einen Saft, der buchſtäblich zum Himmel ſtinkt, den Menſchen zu nackter Inſolierhaft nötigt und ſeine Kleidungsſtücke für immer unbrauchbar macht.
Doch bleiben wir bloß in der Linie der Liebesdüfte. Da ſiehſt du denn im Tierreich den angenehmen Duft alsbald im
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der zahmen Kaſtanienblüte iſt an Orten, wo dieſe in Menge
gedeiht, buchſtäblich die ganze Luft geſchwängert mit dem Parfüm
menſchlichen Samens.
Die Kehrſeite ſind freilich auch wieder Blütendüfte, die
unſerem Empfinden weder angenehm, noch ſinnlich erregend
vorkommen, ſondern die uns einfach abſcheulich riechen. Du
mußt eben bedenken, daß die Blume das Inſekt nicht bloß
äſthetiſch oder erotiſch ergötzen, ſondern ſtrenggenommen zur
Tafel einladen will. Erſt als Wirtshausbeſucher wird es ja
dann ihr unfreiwilliger Liebesbote. Da ſind denn für gewiſſe
etwas gröber veranlagte Wirtshäusler auch viel herzhaftere
Duftſachen probiert worden etwa im Sinne von Limburger
Käſe als Lockſchild. Der Geſchmack vieler Inſekten, beſonders
Fliegen, geht aber noch über echten Limburger. Ihnen muß
es ſchon faules Fleiſch ſein. Nach dem duften alſo eine ganze
Portion Blumen pflichtſchuldigſt. Die größte Blüte der Welt
gehört hierher: die ungeheure Raffleſia der Urwälder von
Sumatra, deren Blume ein Meter ſpannt und nicht nur wie
ein Lappen faulenden Elefantenfleiſchs riecht, ſondern auch ſo
ausſieht.
Von hier iſt nur ein kleiner Schritt zu Pflanzen und
Tieren, die umgekehrt beſtialiſch ſchaudervolle Gerüche entwickeln,
um überhaupt nicht mehr anzulocken, ſondern um ſich zu ver¬
teidigen. Eine ſolche Waffe iſt der unerträgliche Knoblauchgeruch
gewiſſer Kröten: ich erinnere mich des wahren Höllenpfuhls,
der mich aus einer Botaniſiertrommel anhauchte, in der ein
Dutzend kleiner, ſonſt ſo niedlicher Feuerunken (Bombinator)
eine Stunde weit über Land getragen worden war. Und das
Stinktier, eine Art Marder, ſpritzt bekanntlich aus einer Drüſe
wie beim Moſchustier einen Saft, der buchſtäblich zum Himmel
ſtinkt, den Menſchen zu nackter Inſolierhaft nötigt und ſeine
Kleidungsſtücke für immer unbrauchbar macht.
Doch bleiben wir bloß in der Linie der Liebesdüfte. Da
ſiehſt du denn im Tierreich den angenehmen Duft alsbald im
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/82>, abgerufen am 22.11.2024.
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