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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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hinzugethan hätte: in etwas anderem hätte sie sich jedenfalls
nicht geäußert als im Zunehmen dieser Schwachhaar-Variante.
Doch einerlei, -- wenn auch nur der gewöhnliche Prozentsatz
mitlief, -- also immer ab und zu ein schwächer behaartes
Menschenkind von Jugend an: dieses Menschenkind hatte jetzt,
sobald der Liebesblick auf "nackt" angelegt war, ein Prä
noch vor allen Geschorenen und Gerupften. Es war "schöner"
als seinesgleichen, -- in der ganzen liebesroten Beleuchtung
dieses Wörtchens, die wir vom Mandrill und Paradiesvogel
her kennen.

Denkbar ist, daß die Mutter schon beim neugeborenen
Kinde die möglichst schwache Behaarung begünstigte. Man
sieht ja in rohe Zeiten, da mißgestaltete Kinder sicherlich viel¬
fach getötet wurden und die Auslese nach dem Elterngeschmack
gleich hier eine Rolle spielen konnte. Erinnere dich an die
Geschichte von Rebekka, die den Jakob mehr liebt, der "glatt"
ist, als den "rauchen" Esau!

Wie es damit sei: jedenfalls setzte jene Maschine hier
unaufhaltsam ein, die, ob sie nun Paradiesvogel-Schwänze
oder das abgekehrte Nordlicht eines Affen schaffe, allemal
"schönere Rassen" vermittelst der Liebe selber erzieht, sobald
"schön" einmal irgendwie klar gegeben ist. Der von Natur
schon nacktere Jüngling fand mehr Gnade bei den Mädchen,
das natur-nackteste Mädchen fand am leichtesten einen Mann.
Und jetzt drückte die einfache Vererbung in einer gar nicht so
sehr großen Kette von Zeugungen, Kindergebärungen, Wieder¬
wahlen der Enthaartesten und so weiter die Sache sicher durch:
eine immer haarlosere Rasse entstand bis zum Gipfel, daß
alles Geborene endlich so gut wie nackt war.

Klar siehst du den Faden hier, der offenbar so unendlich
oft in der höheren Weltentwickelung sich gleichartig abgerollt hat.

Ein Nützlichkeits-Ideal im Daseinskampfe enthüllt, be¬
freit, ohne selbst dabei interessiert zu sein, als Nebensache mit
ein hübscheres rhythmisches Verhältnis, ein ästhetisches Ideal

hinzugethan hätte: in etwas anderem hätte ſie ſich jedenfalls
nicht geäußert als im Zunehmen dieſer Schwachhaar-Variante.
Doch einerlei, — wenn auch nur der gewöhnliche Prozentſatz
mitlief, — alſo immer ab und zu ein ſchwächer behaartes
Menſchenkind von Jugend an: dieſes Menſchenkind hatte jetzt,
ſobald der Liebesblick auf „nackt“ angelegt war, ein Prä
noch vor allen Geſchorenen und Gerupften. Es war „ſchöner“
als ſeinesgleichen, — in der ganzen liebesroten Beleuchtung
dieſes Wörtchens, die wir vom Mandrill und Paradiesvogel
her kennen.

Denkbar iſt, daß die Mutter ſchon beim neugeborenen
Kinde die möglichſt ſchwache Behaarung begünſtigte. Man
ſieht ja in rohe Zeiten, da mißgeſtaltete Kinder ſicherlich viel¬
fach getötet wurden und die Ausleſe nach dem Elterngeſchmack
gleich hier eine Rolle ſpielen konnte. Erinnere dich an die
Geſchichte von Rebekka, die den Jakob mehr liebt, der „glatt“
iſt, als den „rauchen“ Eſau!

Wie es damit ſei: jedenfalls ſetzte jene Maſchine hier
unaufhaltſam ein, die, ob ſie nun Paradiesvogel-Schwänze
oder das abgekehrte Nordlicht eines Affen ſchaffe, allemal
„ſchönere Raſſen“ vermittelſt der Liebe ſelber erzieht, ſobald
„ſchön“ einmal irgendwie klar gegeben iſt. Der von Natur
ſchon nacktere Jüngling fand mehr Gnade bei den Mädchen,
das natur-nackteſte Mädchen fand am leichteſten einen Mann.
Und jetzt drückte die einfache Vererbung in einer gar nicht ſo
ſehr großen Kette von Zeugungen, Kindergebärungen, Wieder¬
wahlen der Enthaarteſten und ſo weiter die Sache ſicher durch:
eine immer haarloſere Raſſe entſtand bis zum Gipfel, daß
alles Geborene endlich ſo gut wie nackt war.

Klar ſiehſt du den Faden hier, der offenbar ſo unendlich
oft in der höheren Weltentwickelung ſich gleichartig abgerollt hat.

Ein Nützlichkeits-Ideal im Daſeinskampfe enthüllt, be¬
freit, ohne ſelbſt dabei intereſſiert zu ſein, als Nebenſache mit
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[62/0076] hinzugethan hätte: in etwas anderem hätte ſie ſich jedenfalls nicht geäußert als im Zunehmen dieſer Schwachhaar-Variante. Doch einerlei, — wenn auch nur der gewöhnliche Prozentſatz mitlief, — alſo immer ab und zu ein ſchwächer behaartes Menſchenkind von Jugend an: dieſes Menſchenkind hatte jetzt, ſobald der Liebesblick auf „nackt“ angelegt war, ein Prä noch vor allen Geſchorenen und Gerupften. Es war „ſchöner“ als ſeinesgleichen, — in der ganzen liebesroten Beleuchtung dieſes Wörtchens, die wir vom Mandrill und Paradiesvogel her kennen. Denkbar iſt, daß die Mutter ſchon beim neugeborenen Kinde die möglichſt ſchwache Behaarung begünſtigte. Man ſieht ja in rohe Zeiten, da mißgeſtaltete Kinder ſicherlich viel¬ fach getötet wurden und die Ausleſe nach dem Elterngeſchmack gleich hier eine Rolle ſpielen konnte. Erinnere dich an die Geſchichte von Rebekka, die den Jakob mehr liebt, der „glatt“ iſt, als den „rauchen“ Eſau! Wie es damit ſei: jedenfalls ſetzte jene Maſchine hier unaufhaltſam ein, die, ob ſie nun Paradiesvogel-Schwänze oder das abgekehrte Nordlicht eines Affen ſchaffe, allemal „ſchönere Raſſen“ vermittelſt der Liebe ſelber erzieht, ſobald „ſchön“ einmal irgendwie klar gegeben iſt. Der von Natur ſchon nacktere Jüngling fand mehr Gnade bei den Mädchen, das natur-nackteſte Mädchen fand am leichteſten einen Mann. Und jetzt drückte die einfache Vererbung in einer gar nicht ſo ſehr großen Kette von Zeugungen, Kindergebärungen, Wieder¬ wahlen der Enthaarteſten und ſo weiter die Sache ſicher durch: eine immer haarloſere Raſſe entſtand bis zum Gipfel, daß alles Geborene endlich ſo gut wie nackt war. Klar ſiehſt du den Faden hier, der offenbar ſo unendlich oft in der höheren Weltentwickelung ſich gleichartig abgerollt hat. Ein Nützlichkeits-Ideal im Daſeinskampfe enthüllt, be¬ freit, ohne ſelbſt dabei intereſſiert zu ſein, als Nebenſache mit ein hübſcheres rhythmiſches Verhältnis, ein äſthetiſches Ideal

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/76>, abgerufen am 27.11.2024.