dings sofort zu denken. In Taubach wie am Schussen findest du Spuren vom Herdfeuer. In Taubach liegen die Rhino¬ zeros-, die Elefanten- und Bärenknochen verkohlt neben ge¬ röteten und hitzegehärteten Muschelkalkbrocken des Herdrandes und Stückchen der Holzkohle selbst. Es strahlt einen ordentlich noch an, was diese schlichte Thatsache des Feuer-Besitzes in einer Eiszeit bedeutet haben muß. An dem gleichen Schussen liegen aber auch jene Farbpasten herum, von denen ich dir sagte. Die Kerle bemalten sich rot. Dann müssen sie doch mindestens teilweise, wo nicht am wahrscheinlichsten ganz nackt gewesen sein. Auf einem Stück Renntierknochen mit Kritzel¬ bildern aus einer französischen Höhle ist denn auch ein un¬ verkennbar nackter Mensch dargestellt. Man hat über die Echt¬ heit dieser prähistorischen Bilder einen langen Streit geführt. Weil hier und da nachweislich dabei gemogelt worden ist, geht aber doch nicht an, die immer erneute Fülle der Funde für Mogelei zu erklären. Grade auf diesen Renntierknochen- Kritzeleien der Dordogne-Höhle sind auch so unverkennbare Typen echter Wildpferde erhalten (wie sie sicher damals im Lande waren), daß die treffsichere Phantasie des modernen Fälschers ein größeres Wunder wäre als die Realistik der wirklichen Wildpferd-Jäger aus der Eiszeit.
Wie aber will dieser Nackfrosch in die Eishöhle taugen? Du wühlst weiter in der prähistorischen Müllgrube und du findest knöcherne und hölzerne Pfriemen und Nadeln, findest unverkennbare Spuren, daß schon Fäden gedreht worden sind, daß genäht, ja filetartiges Netzwerk gewebt worden ist. Du siehst gleichzeitig auf Schlachtstätten großer und kleiner Pelz¬ tiere. Alles war ja dick verpelzt, selbst das Nashorn. Ab¬ gezogene Felle tauchen dir im Geiste auf. Was sollen die Leute mit ihrem groben Handwerkszeug anders verwebt, ge¬ knüpft haben als Tiersehnen, was sollen sie genäht haben als -- Tierfelle?
Und auf einmal leuchtet dir ein, was dem nackten Kerl
dings ſofort zu denken. In Taubach wie am Schuſſen findeſt du Spuren vom Herdfeuer. In Taubach liegen die Rhino¬ zeros-, die Elefanten- und Bärenknochen verkohlt neben ge¬ röteten und hitzegehärteten Muſchelkalkbrocken des Herdrandes und Stückchen der Holzkohle ſelbſt. Es ſtrahlt einen ordentlich noch an, was dieſe ſchlichte Thatſache des Feuer-Beſitzes in einer Eiszeit bedeutet haben muß. An dem gleichen Schuſſen liegen aber auch jene Farbpaſten herum, von denen ich dir ſagte. Die Kerle bemalten ſich rot. Dann müſſen ſie doch mindeſtens teilweiſe, wo nicht am wahrſcheinlichſten ganz nackt geweſen ſein. Auf einem Stück Renntierknochen mit Kritzel¬ bildern aus einer franzöſiſchen Höhle iſt denn auch ein un¬ verkennbar nackter Menſch dargeſtellt. Man hat über die Echt¬ heit dieſer prähiſtoriſchen Bilder einen langen Streit geführt. Weil hier und da nachweislich dabei gemogelt worden iſt, geht aber doch nicht an, die immer erneute Fülle der Funde für Mogelei zu erklären. Grade auf dieſen Renntierknochen- Kritzeleien der Dordogne-Höhle ſind auch ſo unverkennbare Typen echter Wildpferde erhalten (wie ſie ſicher damals im Lande waren), daß die treffſichere Phantaſie des modernen Fälſchers ein größeres Wunder wäre als die Realiſtik der wirklichen Wildpferd-Jäger aus der Eiszeit.
Wie aber will dieſer Nackfroſch in die Eishöhle taugen? Du wühlſt weiter in der prähiſtoriſchen Müllgrube und du findeſt knöcherne und hölzerne Pfriemen und Nadeln, findeſt unverkennbare Spuren, daß ſchon Fäden gedreht worden ſind, daß genäht, ja filetartiges Netzwerk gewebt worden iſt. Du ſiehſt gleichzeitig auf Schlachtſtätten großer und kleiner Pelz¬ tiere. Alles war ja dick verpelzt, ſelbſt das Nashorn. Ab¬ gezogene Felle tauchen dir im Geiſte auf. Was ſollen die Leute mit ihrem groben Handwerkszeug anders verwebt, ge¬ knüpft haben als Tierſehnen, was ſollen ſie genäht haben als — Tierfelle?
Und auf einmal leuchtet dir ein, was dem nackten Kerl
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0067"n="53"/>
dings ſofort zu denken. In Taubach wie am Schuſſen findeſt<lb/>
du Spuren vom Herdfeuer. In Taubach liegen die Rhino¬<lb/>
zeros-, die Elefanten- und Bärenknochen verkohlt neben ge¬<lb/>
röteten und hitzegehärteten Muſchelkalkbrocken des Herdrandes<lb/>
und Stückchen der Holzkohle ſelbſt. Es ſtrahlt einen ordentlich<lb/>
noch an, was dieſe ſchlichte Thatſache des Feuer-Beſitzes in<lb/>
einer Eiszeit bedeutet haben muß. An dem gleichen Schuſſen<lb/>
liegen aber auch jene Farbpaſten herum, von denen ich dir<lb/>ſagte. Die Kerle bemalten ſich rot. Dann müſſen ſie doch<lb/>
mindeſtens teilweiſe, wo nicht am wahrſcheinlichſten ganz nackt<lb/>
geweſen ſein. Auf einem Stück Renntierknochen mit Kritzel¬<lb/>
bildern aus einer franzöſiſchen Höhle iſt denn auch ein un¬<lb/>
verkennbar nackter Menſch dargeſtellt. Man hat über die Echt¬<lb/>
heit dieſer prähiſtoriſchen Bilder einen langen Streit geführt.<lb/>
Weil hier und da nachweislich dabei gemogelt worden iſt,<lb/>
geht aber doch nicht an, die immer erneute Fülle der Funde<lb/>
für Mogelei zu erklären. Grade auf dieſen Renntierknochen-<lb/>
Kritzeleien der Dordogne-Höhle ſind auch ſo unverkennbare<lb/>
Typen echter Wildpferde erhalten (wie ſie ſicher damals im<lb/>
Lande waren), daß die treffſichere Phantaſie des modernen<lb/>
Fälſchers ein größeres Wunder wäre als die Realiſtik der<lb/>
wirklichen Wildpferd-Jäger aus der Eiszeit.</p><lb/><p>Wie aber will dieſer Nackfroſch in die <choice><sic>Eishölle</sic><corr>Eishöhle</corr></choice> taugen?<lb/>
Du wühlſt weiter in der prähiſtoriſchen Müllgrube und du<lb/>
findeſt knöcherne und hölzerne Pfriemen und Nadeln, findeſt<lb/>
unverkennbare Spuren, daß ſchon Fäden gedreht worden ſind,<lb/>
daß genäht, ja filetartiges Netzwerk gewebt worden iſt. Du<lb/>ſiehſt gleichzeitig auf Schlachtſtätten großer und kleiner Pelz¬<lb/>
tiere. Alles war ja dick verpelzt, ſelbſt das Nashorn. Ab¬<lb/>
gezogene Felle tauchen dir im Geiſte auf. Was ſollen die<lb/>
Leute mit ihrem groben Handwerkszeug anders verwebt, ge¬<lb/>
knüpft haben als Tierſehnen, was ſollen ſie genäht haben als<lb/>— Tierfelle?</p><lb/><p>Und auf einmal leuchtet dir ein, was dem nackten Kerl<lb/></p></div></body></text></TEI>
[53/0067]
dings ſofort zu denken. In Taubach wie am Schuſſen findeſt
du Spuren vom Herdfeuer. In Taubach liegen die Rhino¬
zeros-, die Elefanten- und Bärenknochen verkohlt neben ge¬
röteten und hitzegehärteten Muſchelkalkbrocken des Herdrandes
und Stückchen der Holzkohle ſelbſt. Es ſtrahlt einen ordentlich
noch an, was dieſe ſchlichte Thatſache des Feuer-Beſitzes in
einer Eiszeit bedeutet haben muß. An dem gleichen Schuſſen
liegen aber auch jene Farbpaſten herum, von denen ich dir
ſagte. Die Kerle bemalten ſich rot. Dann müſſen ſie doch
mindeſtens teilweiſe, wo nicht am wahrſcheinlichſten ganz nackt
geweſen ſein. Auf einem Stück Renntierknochen mit Kritzel¬
bildern aus einer franzöſiſchen Höhle iſt denn auch ein un¬
verkennbar nackter Menſch dargeſtellt. Man hat über die Echt¬
heit dieſer prähiſtoriſchen Bilder einen langen Streit geführt.
Weil hier und da nachweislich dabei gemogelt worden iſt,
geht aber doch nicht an, die immer erneute Fülle der Funde
für Mogelei zu erklären. Grade auf dieſen Renntierknochen-
Kritzeleien der Dordogne-Höhle ſind auch ſo unverkennbare
Typen echter Wildpferde erhalten (wie ſie ſicher damals im
Lande waren), daß die treffſichere Phantaſie des modernen
Fälſchers ein größeres Wunder wäre als die Realiſtik der
wirklichen Wildpferd-Jäger aus der Eiszeit.
Wie aber will dieſer Nackfroſch in die Eishöhle taugen?
Du wühlſt weiter in der prähiſtoriſchen Müllgrube und du
findeſt knöcherne und hölzerne Pfriemen und Nadeln, findeſt
unverkennbare Spuren, daß ſchon Fäden gedreht worden ſind,
daß genäht, ja filetartiges Netzwerk gewebt worden iſt. Du
ſiehſt gleichzeitig auf Schlachtſtätten großer und kleiner Pelz¬
tiere. Alles war ja dick verpelzt, ſelbſt das Nashorn. Ab¬
gezogene Felle tauchen dir im Geiſte auf. Was ſollen die
Leute mit ihrem groben Handwerkszeug anders verwebt, ge¬
knüpft haben als Tierſehnen, was ſollen ſie genäht haben als
— Tierfelle?
Und auf einmal leuchtet dir ein, was dem nackten Kerl
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/67>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.