der Mann. Es lag also in diesem Falle offenbar kein Schutz¬ anpassungshindernis vor, das die Vererbung der Nacktheit auf die Weibchen hinderte. Und ebenso liegt auch kein strenger Grund vor, anzunehmen, daß stets nach Paradiesvogelweise bloß die Weibchen die buntesten, also nacktesten Männchen be¬ günstigt haben, -- es kann sehr wohl auch eine gegenseitige Auslese und Anzüchtung stattgefunden haben, -- wie du denn eine sehr auffällige Affenart, den Rhesusmakaken, in unseren Zoologischen Gärten mit einigem Schauder besehen magst, bei dem gerade das Weibelein zur Geschlechtszeit eine wahrhaft un¬ geheuerliche blutrote Nordlichtkrone über seinem Antipodenpol sehen läßt. Einseitiger Frauenauslese dürfte bloß die Rettung des Barthaares beim Mann zuzuschreiben sein: auch da ist bei Affen wie Ziegenböcken schon unverkennbar vorgearbeitet, indem die Herrn entweder bloß den Bart besitzen (also wie bei uns) oder ihn doch weit entwickelter zeigen als das Weib. Der männliche Satansaffe in Amerika hat einen Vollbart mindestens so groß wie der alte Darwin selbst.
Doch das letzte ist alles minder wichtig. Wesentlich da¬ gegen ist folgende Frage, die Darwin schon für sich gestellt hat. Wenn der Mensch ausgepelzt wurde durch die Launen seiner Verliebten, denen der Pelz nicht bunt genug war und die lieber Knallfarben wollten um den Preis selbst völliger Vernacktung: warum ist die Haut des Menschen nicht heute noch rot-blau-bunt wie ein Basilisk?
Die Nasen alter Weinfreunde lehren klärlich, daß etwas Feuerwerk ganz gut möglich wäre. Beim Neger haben wir fast schwarze, beim Indianer braunrötliche Gesamthaut. Aber der Mandrill müßte trotz alledem so gut wie ganz wieder nach¬ träglich aus uns herausgeschwitzt sein. Die Palette wäre uns geblieben, -- das Gemälde wäre fort. Nehmen wir selbst auf einen Moment an, der Urmensch wäre noch bunt abgetönt gewesen, wie etwa der lebende Kleideraffe im Pelz ist, -- aus Schwarz, Braunrot, Gelb und Weiß. Und erst nachher hätte
der Mann. Es lag alſo in dieſem Falle offenbar kein Schutz¬ anpaſſungshindernis vor, das die Vererbung der Nacktheit auf die Weibchen hinderte. Und ebenſo liegt auch kein ſtrenger Grund vor, anzunehmen, daß ſtets nach Paradiesvogelweiſe bloß die Weibchen die bunteſten, alſo nackteſten Männchen be¬ günſtigt haben, — es kann ſehr wohl auch eine gegenſeitige Ausleſe und Anzüchtung ſtattgefunden haben, — wie du denn eine ſehr auffällige Affenart, den Rheſusmakaken, in unſeren Zoologiſchen Gärten mit einigem Schauder beſehen magſt, bei dem gerade das Weibelein zur Geſchlechtszeit eine wahrhaft un¬ geheuerliche blutrote Nordlichtkrone über ſeinem Antipodenpol ſehen läßt. Einſeitiger Frauenausleſe dürfte bloß die Rettung des Barthaares beim Mann zuzuſchreiben ſein: auch da iſt bei Affen wie Ziegenböcken ſchon unverkennbar vorgearbeitet, indem die Herrn entweder bloß den Bart beſitzen (alſo wie bei uns) oder ihn doch weit entwickelter zeigen als das Weib. Der männliche Satansaffe in Amerika hat einen Vollbart mindeſtens ſo groß wie der alte Darwin ſelbſt.
Doch das letzte iſt alles minder wichtig. Weſentlich da¬ gegen iſt folgende Frage, die Darwin ſchon für ſich geſtellt hat. Wenn der Menſch ausgepelzt wurde durch die Launen ſeiner Verliebten, denen der Pelz nicht bunt genug war und die lieber Knallfarben wollten um den Preis ſelbſt völliger Vernacktung: warum iſt die Haut des Menſchen nicht heute noch rot-blau-bunt wie ein Baſilisk?
Die Naſen alter Weinfreunde lehren klärlich, daß etwas Feuerwerk ganz gut möglich wäre. Beim Neger haben wir faſt ſchwarze, beim Indianer braunrötliche Geſamthaut. Aber der Mandrill müßte trotz alledem ſo gut wie ganz wieder nach¬ träglich aus uns herausgeſchwitzt ſein. Die Palette wäre uns geblieben, — das Gemälde wäre fort. Nehmen wir ſelbſt auf einen Moment an, der Urmenſch wäre noch bunt abgetönt geweſen, wie etwa der lebende Kleideraffe im Pelz iſt, — aus Schwarz, Braunrot, Gelb und Weiß. Und erſt nachher hätte
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der Mann. Es lag alſo in dieſem Falle offenbar kein Schutz¬
anpaſſungshindernis vor, das die Vererbung der Nacktheit auf
die Weibchen hinderte. Und ebenſo liegt auch kein ſtrenger
Grund vor, anzunehmen, daß ſtets nach Paradiesvogelweiſe
bloß die Weibchen die bunteſten, alſo nackteſten Männchen be¬
günſtigt haben, — es kann ſehr wohl auch eine gegenſeitige
Ausleſe und Anzüchtung ſtattgefunden haben, — wie du denn
eine ſehr auffällige Affenart, den Rheſusmakaken, in unſeren
Zoologiſchen Gärten mit einigem Schauder beſehen magſt, bei
dem gerade das Weibelein zur Geſchlechtszeit eine wahrhaft un¬
geheuerliche blutrote Nordlichtkrone über ſeinem Antipodenpol
ſehen läßt. Einſeitiger Frauenausleſe dürfte bloß die Rettung
des Barthaares beim Mann zuzuſchreiben ſein: auch da iſt
bei Affen wie Ziegenböcken ſchon unverkennbar vorgearbeitet,
indem die Herrn entweder bloß den Bart beſitzen (alſo wie
bei uns) oder ihn doch weit entwickelter zeigen als das Weib.
Der männliche Satansaffe in Amerika hat einen Vollbart
mindeſtens ſo groß wie der alte Darwin ſelbſt.
Doch das letzte iſt alles minder wichtig. Weſentlich da¬
gegen iſt folgende Frage, die Darwin ſchon für ſich geſtellt
hat. Wenn der Menſch ausgepelzt wurde durch die Launen
ſeiner Verliebten, denen der Pelz nicht bunt genug war und
die lieber Knallfarben wollten um den Preis ſelbſt völliger
Vernacktung: warum iſt die Haut des Menſchen nicht heute
noch rot-blau-bunt wie ein Baſilisk?
Die Naſen alter Weinfreunde lehren klärlich, daß etwas
Feuerwerk ganz gut möglich wäre. Beim Neger haben wir
faſt ſchwarze, beim Indianer braunrötliche Geſamthaut. Aber
der Mandrill müßte trotz alledem ſo gut wie ganz wieder nach¬
träglich aus uns herausgeſchwitzt ſein. Die Palette wäre uns
geblieben, — das Gemälde wäre fort. Nehmen wir ſelbſt
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geweſen, wie etwa der lebende Kleideraffe im Pelz iſt, — aus
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/45>, abgerufen am 21.11.2024.
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