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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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dann hat eben doch Mephisto recht: "Es ist so gut, als wär'
es nicht gewesen." Und um das zu erlangen als Schlu߬
resultat, haben wir bei jeder Emporstufe so lange die grä߬
lichsten Wehen mit in Kauf nehmen müssen. Kein Weg noch
so hoch empor mildert ja an sich je die unsagbare Ungerech¬
tigkeit des Vergangenen und wenn er ins strahlendste Licht
führte. Nun führt unser Weg aber ersichtlich nicht einmal
ganz empor, sondern auch er endet gar bald, in einer kleinen
Kette von Millionenjahresfolgen, wieder auch im Ganzen beim
Nichts, beim Untergang. Oder wenn ja etwas folgt, so kommt
das gleiche Rad wieder, die gleiche Welt ewig neu. Goethes
Faust äonenlang immer neu, wird aber doch auch eine lang¬
weilige Perspektive. Zumal da der ganze Höllenschmerz, der
die Entwickelung doch begleitet hat, wie du auch ehrlich zu¬
giebst, ewig wieder mitkommt.

Aber nun vergegenwärtige dir, daß zunächst die rein sach¬
lichen, naturwissenschaftlichen Ideen, die dem zu Grunde liegen
sollen, sämtlich noch ganz problematisch sind. Wir wissen viel
zu wenig vom Wesen des Lebens, um zu sagen, ob dieses Leben
nicht bei genügender Zeit auch jene Zukunftsdinge (wie etwa
Erkalten der Sonne) durch fortschreitende Anpassung überwinden
könnte. Sehr gut kann der Mensch mit seiner Technik schon diese
Anpassung sein. Was sind vor dieser Technik in Jahrmillionen
vielleicht Begriffe wie "Kälte" oder auch wie "Planetenabstände"!

Es bleibt, daß wir positiv wenig über diese Dinge wissen.
Aber negativ können wir erst recht nichts absprechendes davon
behaupten. Vom indifferenten Nichts weiß gerade der Natur¬
forscher nirgendwo etwas, also dahin kann auch kein Welten¬
sturz gehen. Was die Naturforschung vielmehr lehrt, ist die
Ewigkeit aller Wirkungen. Kein Hauch einer Luft, kein Schlag
einer Welle kann in Wahrheit im All je vergehen: seine
Wirkungskreise gehen ins Unendliche in alle Ewigkeit. Ewig
ist nicht bloß die Summe der Weltenkraft, die so erhalten
bleibt. Auch die Form aller Dinge, die einmal waren, bleibt

dann hat eben doch Mephiſto recht: „Es iſt ſo gut, als wär'
es nicht geweſen.“ Und um das zu erlangen als Schlu߬
reſultat, haben wir bei jeder Emporſtufe ſo lange die grä߬
lichſten Wehen mit in Kauf nehmen müſſen. Kein Weg noch
ſo hoch empor mildert ja an ſich je die unſagbare Ungerech¬
tigkeit des Vergangenen und wenn er ins ſtrahlendſte Licht
führte. Nun führt unſer Weg aber erſichtlich nicht einmal
ganz empor, ſondern auch er endet gar bald, in einer kleinen
Kette von Millionenjahresfolgen, wieder auch im Ganzen beim
Nichts, beim Untergang. Oder wenn ja etwas folgt, ſo kommt
das gleiche Rad wieder, die gleiche Welt ewig neu. Goethes
Fauſt äonenlang immer neu, wird aber doch auch eine lang¬
weilige Perſpektive. Zumal da der ganze Höllenſchmerz, der
die Entwickelung doch begleitet hat, wie du auch ehrlich zu¬
giebſt, ewig wieder mitkommt.

Aber nun vergegenwärtige dir, daß zunächſt die rein ſach¬
lichen, naturwiſſenſchaftlichen Ideen, die dem zu Grunde liegen
ſollen, ſämtlich noch ganz problematiſch ſind. Wir wiſſen viel
zu wenig vom Weſen des Lebens, um zu ſagen, ob dieſes Leben
nicht bei genügender Zeit auch jene Zukunftsdinge (wie etwa
Erkalten der Sonne) durch fortſchreitende Anpaſſung überwinden
könnte. Sehr gut kann der Menſch mit ſeiner Technik ſchon dieſe
Anpaſſung ſein. Was ſind vor dieſer Technik in Jahrmillionen
vielleicht Begriffe wie „Kälte“ oder auch wie „Planetenabſtände“!

Es bleibt, daß wir poſitiv wenig über dieſe Dinge wiſſen.
Aber negativ können wir erſt recht nichts abſprechendes davon
behaupten. Vom indifferenten Nichts weiß gerade der Natur¬
forſcher nirgendwo etwas, alſo dahin kann auch kein Welten¬
ſturz gehen. Was die Naturforſchung vielmehr lehrt, iſt die
Ewigkeit aller Wirkungen. Kein Hauch einer Luft, kein Schlag
einer Welle kann in Wahrheit im All je vergehen: ſeine
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iſt nicht bloß die Summe der Weltenkraft, die ſo erhalten
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[370/0384] dann hat eben doch Mephiſto recht: „Es iſt ſo gut, als wär' es nicht geweſen.“ Und um das zu erlangen als Schlu߬ reſultat, haben wir bei jeder Emporſtufe ſo lange die grä߬ lichſten Wehen mit in Kauf nehmen müſſen. Kein Weg noch ſo hoch empor mildert ja an ſich je die unſagbare Ungerech¬ tigkeit des Vergangenen und wenn er ins ſtrahlendſte Licht führte. Nun führt unſer Weg aber erſichtlich nicht einmal ganz empor, ſondern auch er endet gar bald, in einer kleinen Kette von Millionenjahresfolgen, wieder auch im Ganzen beim Nichts, beim Untergang. Oder wenn ja etwas folgt, ſo kommt das gleiche Rad wieder, die gleiche Welt ewig neu. Goethes Fauſt äonenlang immer neu, wird aber doch auch eine lang¬ weilige Perſpektive. Zumal da der ganze Höllenſchmerz, der die Entwickelung doch begleitet hat, wie du auch ehrlich zu¬ giebſt, ewig wieder mitkommt. Aber nun vergegenwärtige dir, daß zunächſt die rein ſach¬ lichen, naturwiſſenſchaftlichen Ideen, die dem zu Grunde liegen ſollen, ſämtlich noch ganz problematiſch ſind. Wir wiſſen viel zu wenig vom Weſen des Lebens, um zu ſagen, ob dieſes Leben nicht bei genügender Zeit auch jene Zukunftsdinge (wie etwa Erkalten der Sonne) durch fortſchreitende Anpaſſung überwinden könnte. Sehr gut kann der Menſch mit ſeiner Technik ſchon dieſe Anpaſſung ſein. Was ſind vor dieſer Technik in Jahrmillionen vielleicht Begriffe wie „Kälte“ oder auch wie „Planetenabſtände“! Es bleibt, daß wir poſitiv wenig über dieſe Dinge wiſſen. Aber negativ können wir erſt recht nichts abſprechendes davon behaupten. Vom indifferenten Nichts weiß gerade der Natur¬ forſcher nirgendwo etwas, alſo dahin kann auch kein Welten¬ ſturz gehen. Was die Naturforſchung vielmehr lehrt, iſt die Ewigkeit aller Wirkungen. Kein Hauch einer Luft, kein Schlag einer Welle kann in Wahrheit im All je vergehen: ſeine Wirkungskreiſe gehen ins Unendliche in alle Ewigkeit. Ewig iſt nicht bloß die Summe der Weltenkraft, die ſo erhalten bleibt. Auch die Form aller Dinge, die einmal waren, bleibt

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/384>, abgerufen am 21.11.2024.