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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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In der schwarzen Welt bildet sie den schwärzesten Fleck, das
Gegenmittel zu aller Seligkeit. Sie ist das größte Hemmnis
jener einzig wahren Entwickelung.

Die andere Form des Pessimismus ist unvergleichlich viel
radikaler. Erst in ihr wird es ganz rabendunkel über dem
Dasein, für immer und überall.

Die Grundlage dieser Anschauung ist durchaus monistisch.
Es giebt nur eine Grundsache: nämlich diese Welt. Nichts
geht aus ihr heraus, niemals kann sie nicht sein. Auch in
ihr herrscht ein blinder Naturwille, als Naturgesetz im Stoff
waltend, aber vor ihm giebt es diesmal keine Erlösung irgend¬
wohin. Sein Grundzug ist die absolute Sinnlosigkeit. Ein
ewiges Chaos ist die Welt, das hin und her schaukelt, von
Ewigkeit zu Ewigkeit. In diesem Chaos geschieht es zwar,
daß sich zufällig, in der Unzählbarkeit der Zufälle, auch einmal
eine Anzahl glatt harmonisch verlaufender Wellen bilden: ein
scheinbarer Anlauf zu sinnvoller Harmonie erscheint als Spezial¬
fall im unendlichen Geplätscher des Chaos. Es entsteht der
"Schein" einer Empor-Entwickelung, wie gerade in unserem
Sonnensystem, auf unserer Erde, wo eine solche Linie es bis
zu intelligenten Wesen gebracht hat. Aber schon dieses kleine
Stückchen Weges wird erkauft mit unsagbarem Elend, mit
wahnsinnig gesteigerten Schmerzen, es ist eine Geburt unter
Höllenqual. Und dabei ist es unabänderlich doch im ganzen
auch nur eine Totgeburt. Wie die tote, indifferente Erde
jedes intelligente Einzelwesen nach kurzer Frist wieder ver¬
schlingt, so geht nach einer gewissen Zeit die Menschheit im
ganzen, das Leben überhaupt, selbst die kurze Harmonie des
Sonnensystems wieder ein, versinkt durch Eiszeiten, Planeten¬
stürze, Sonnentod, allgemeine kosmische Vereisung wieder in
die chaotische Urmaterie hinein, -- "es ist so gut als wär
es nicht gewesen", sagt Mephisto.

Das höchste, was an scheinbarer Stabilität, an Entwicke¬
lungsdauer in dieser Welt erreicht werden könnte, wäre nur

In der ſchwarzen Welt bildet ſie den ſchwärzeſten Fleck, das
Gegenmittel zu aller Seligkeit. Sie iſt das größte Hemmnis
jener einzig wahren Entwickelung.

Die andere Form des Peſſimismus iſt unvergleichlich viel
radikaler. Erſt in ihr wird es ganz rabendunkel über dem
Daſein, für immer und überall.

Die Grundlage dieſer Anſchauung iſt durchaus moniſtiſch.
Es giebt nur eine Grundſache: nämlich dieſe Welt. Nichts
geht aus ihr heraus, niemals kann ſie nicht ſein. Auch in
ihr herrſcht ein blinder Naturwille, als Naturgeſetz im Stoff
waltend, aber vor ihm giebt es diesmal keine Erlöſung irgend¬
wohin. Sein Grundzug iſt die abſolute Sinnloſigkeit. Ein
ewiges Chaos iſt die Welt, das hin und her ſchaukelt, von
Ewigkeit zu Ewigkeit. In dieſem Chaos geſchieht es zwar,
daß ſich zufällig, in der Unzählbarkeit der Zufälle, auch einmal
eine Anzahl glatt harmoniſch verlaufender Wellen bilden: ein
ſcheinbarer Anlauf zu ſinnvoller Harmonie erſcheint als Spezial¬
fall im unendlichen Geplätſcher des Chaos. Es entſteht der
„Schein“ einer Empor-Entwickelung, wie gerade in unſerem
Sonnenſyſtem, auf unſerer Erde, wo eine ſolche Linie es bis
zu intelligenten Weſen gebracht hat. Aber ſchon dieſes kleine
Stückchen Weges wird erkauft mit unſagbarem Elend, mit
wahnſinnig geſteigerten Schmerzen, es iſt eine Geburt unter
Höllenqual. Und dabei iſt es unabänderlich doch im ganzen
auch nur eine Totgeburt. Wie die tote, indifferente Erde
jedes intelligente Einzelweſen nach kurzer Friſt wieder ver¬
ſchlingt, ſo geht nach einer gewiſſen Zeit die Menſchheit im
ganzen, das Leben überhaupt, ſelbſt die kurze Harmonie des
Sonnenſyſtems wieder ein, verſinkt durch Eiszeiten, Planeten¬
ſtürze, Sonnentod, allgemeine kosmiſche Vereiſung wieder in
die chaotiſche Urmaterie hinein, — „es iſt ſo gut als wär
es nicht geweſen“, ſagt Mephiſto.

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[360/0374] In der ſchwarzen Welt bildet ſie den ſchwärzeſten Fleck, das Gegenmittel zu aller Seligkeit. Sie iſt das größte Hemmnis jener einzig wahren Entwickelung. Die andere Form des Peſſimismus iſt unvergleichlich viel radikaler. Erſt in ihr wird es ganz rabendunkel über dem Daſein, für immer und überall. Die Grundlage dieſer Anſchauung iſt durchaus moniſtiſch. Es giebt nur eine Grundſache: nämlich dieſe Welt. Nichts geht aus ihr heraus, niemals kann ſie nicht ſein. Auch in ihr herrſcht ein blinder Naturwille, als Naturgeſetz im Stoff waltend, aber vor ihm giebt es diesmal keine Erlöſung irgend¬ wohin. Sein Grundzug iſt die abſolute Sinnloſigkeit. Ein ewiges Chaos iſt die Welt, das hin und her ſchaukelt, von Ewigkeit zu Ewigkeit. In dieſem Chaos geſchieht es zwar, daß ſich zufällig, in der Unzählbarkeit der Zufälle, auch einmal eine Anzahl glatt harmoniſch verlaufender Wellen bilden: ein ſcheinbarer Anlauf zu ſinnvoller Harmonie erſcheint als Spezial¬ fall im unendlichen Geplätſcher des Chaos. Es entſteht der „Schein“ einer Empor-Entwickelung, wie gerade in unſerem Sonnenſyſtem, auf unſerer Erde, wo eine ſolche Linie es bis zu intelligenten Weſen gebracht hat. Aber ſchon dieſes kleine Stückchen Weges wird erkauft mit unſagbarem Elend, mit wahnſinnig geſteigerten Schmerzen, es iſt eine Geburt unter Höllenqual. Und dabei iſt es unabänderlich doch im ganzen auch nur eine Totgeburt. Wie die tote, indifferente Erde jedes intelligente Einzelweſen nach kurzer Friſt wieder ver¬ ſchlingt, ſo geht nach einer gewiſſen Zeit die Menſchheit im ganzen, das Leben überhaupt, ſelbſt die kurze Harmonie des Sonnenſyſtems wieder ein, verſinkt durch Eiszeiten, Planeten¬ ſtürze, Sonnentod, allgemeine kosmiſche Vereiſung wieder in die chaotiſche Urmaterie hinein, — „es iſt ſo gut als wär es nicht geweſen“, ſagt Mephiſto. Das höchſte, was an ſcheinbarer Stabilität, an Entwicke¬ lungsdauer in dieſer Welt erreicht werden könnte, wäre nur

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/374>, abgerufen am 24.11.2024.