Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.alle die Urkräfte der Natur. Die schaffende Phantasie, die [Abbildung]
"Friede auf Erden!" Die Mitternachtsglocken klingen und wenn ihr kurzes Lied Es giebt noch einen letzten, äußersten Kampf, den die Liebe Das Höchste, Eigenste was dieser Planetensohn besaß, war Aus dem wogenden Meer der Menschheit tauchen zwei Das Weib spricht: "Ich bin die Liebe. Ich bin das Der Mann aber hebt den düsteren Blick und krallt die Hand Das ist kein Jugendübermut mehr, kein Tamtamschlag in alle die Urkräfte der Natur. Die ſchaffende Phantaſie, die [Abbildung]
„Friede auf Erden!“ Die Mitternachtsglocken klingen und wenn ihr kurzes Lied Es giebt noch einen letzten, äußerſten Kampf, den die Liebe Das Höchſte, Eigenſte was dieſer Planetenſohn beſaß, war Aus dem wogenden Meer der Menſchheit tauchen zwei Das Weib ſpricht: „Ich bin die Liebe. Ich bin das Der Mann aber hebt den düſteren Blick und krallt die Hand Das iſt kein Jugendübermut mehr, kein Tamtamſchlag in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0366" n="352"/> alle die Urkräfte der Natur. Die ſchaffende Phantaſie, die<lb/> Macht hat, ihre Sehnſucht zu Realitäten zu feſtigen; die eherne<lb/> Logik; und die Wunderkraft der Liebe, der Zeugung, die ewig<lb/> einen anderen Menſchen neu gebiert und doch im Herzen den<lb/> gleichen, den einen immer wieder.</p><lb/> <figure/> <p>„Friede auf Erden!“</p><lb/> <p>Die Mitternachtsglocken klingen und wenn ihr kurzes Lied<lb/> verhallt iſt, ſoll auch unſere Rede von der Liebe zu Ende ſein.<lb/> Ein letztes aber muß noch geſagt werden.</p><lb/> <p>Es giebt noch einen letzten, äußerſten Kampf, den die Liebe<lb/> mit dem Menſchen gehabt hat, — den ſchwerſten von allen,<lb/> ſchlimmer als der mit dem Phaethonſinn der Phantaſie, ſchlimmer<lb/> als der mit dem Kobold. Groß, wie ſie war, hat ſie auch<lb/> mit dem Größten in ihm noch ringen müſſen, ringen im alten<lb/> Bibelſinne bis zum „du ſegneſt mich denn“.</p><lb/> <p>Das Höchſte, Eigenſte was dieſer Planetenſohn beſaß, war<lb/> ſein Verſtand, ſein Geiſt im tiefſten logiſchen Sinne. Mit dieſem<lb/> Geiſte hat die Liebe ihren letzten Konflikt gehabt auf Leben<lb/> und Tod.</p><lb/> <p>Aus dem wogenden Meer der Menſchheit tauchen zwei<lb/> rieſenhafte Geſtalten. Ein nacktes Weib, wie die Venus von<lb/> Milo. Und ein Mann mit dunklem Auge und wallendem Bart,<lb/> wie Michelangelo den Moſes geſchaut hat.</p><lb/> <p>Das Weib ſpricht: „Ich bin die Liebe. Ich bin das<lb/> Höchſte, denn ich erhalte die Menſchheit im wilden Hagel¬<lb/> ſchauer der Sandkörner, die durch das Stundenglas der Zeit<lb/> rinnen.“</p><lb/> <p>Der Mann aber hebt den düſteren Blick und krallt die Hand<lb/> in den Bart und ſagt: „Iſt ſie denn wert, erhalten zu ſein?“</p><lb/> <p>Das iſt kein Jugendübermut mehr, kein Tamtamſchlag in<lb/> der Hexenküche, kein Stein, den der Kobold wirft.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [352/0366]
alle die Urkräfte der Natur. Die ſchaffende Phantaſie, die
Macht hat, ihre Sehnſucht zu Realitäten zu feſtigen; die eherne
Logik; und die Wunderkraft der Liebe, der Zeugung, die ewig
einen anderen Menſchen neu gebiert und doch im Herzen den
gleichen, den einen immer wieder.
[Abbildung]
„Friede auf Erden!“
Die Mitternachtsglocken klingen und wenn ihr kurzes Lied
verhallt iſt, ſoll auch unſere Rede von der Liebe zu Ende ſein.
Ein letztes aber muß noch geſagt werden.
Es giebt noch einen letzten, äußerſten Kampf, den die Liebe
mit dem Menſchen gehabt hat, — den ſchwerſten von allen,
ſchlimmer als der mit dem Phaethonſinn der Phantaſie, ſchlimmer
als der mit dem Kobold. Groß, wie ſie war, hat ſie auch
mit dem Größten in ihm noch ringen müſſen, ringen im alten
Bibelſinne bis zum „du ſegneſt mich denn“.
Das Höchſte, Eigenſte was dieſer Planetenſohn beſaß, war
ſein Verſtand, ſein Geiſt im tiefſten logiſchen Sinne. Mit dieſem
Geiſte hat die Liebe ihren letzten Konflikt gehabt auf Leben
und Tod.
Aus dem wogenden Meer der Menſchheit tauchen zwei
rieſenhafte Geſtalten. Ein nacktes Weib, wie die Venus von
Milo. Und ein Mann mit dunklem Auge und wallendem Bart,
wie Michelangelo den Moſes geſchaut hat.
Das Weib ſpricht: „Ich bin die Liebe. Ich bin das
Höchſte, denn ich erhalte die Menſchheit im wilden Hagel¬
ſchauer der Sandkörner, die durch das Stundenglas der Zeit
rinnen.“
Der Mann aber hebt den düſteren Blick und krallt die Hand
in den Bart und ſagt: „Iſt ſie denn wert, erhalten zu ſein?“
Das iſt kein Jugendübermut mehr, kein Tamtamſchlag in
der Hexenküche, kein Stein, den der Kobold wirft.
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