des Schlammbuddelns die Haare verscheucht. Daß es nicht notwendig zum Bilde dieser Riesen gehört, beweisen die rot¬ wolligen und braun-weiß gescheckten Mammute und Nashörner der Diluvialzeit, deren Kadaver heute noch im sibirischen Eis liegen.
Daß aber das Wasser die Haare thatsächlich in Bann thut, lehrt vollends eindringlich die letzte der Säugetier-Aus¬ nahmen: das splitterfasernackte Seesäugetier Delphin und Wal¬ fisch. Die Anpassung liegt hier auf der Hand, wie denn ge¬ rade so ein Walfisch ein wahres Meisterwerk folgerichtiger Anpassung in jeglichem Betracht ist.
Auch bei diesen Nacktheiten sieht man deutlich das Äqui¬ valent für den wärmeschützenden Pelz in gewissen Besonder¬ heiten der Haut: bei jenen Sumpfriesen des Festlandes ist die Haut wenigstens panzerhaft dick geworden, und der Walfisch gar hat noch eine solche Fettschicht darin, daß er im Polar¬ wasser seine Innenheizung retten kann gleich einem in Eider¬ daunen gewickelten Vogel. Gewisse Anzeichen deuten sogar darauf hin, daß die Herren Vorväter dieser Wale kompakte Gürteltierpanzer getragen haben, eine Sachlage, die mir auch bei dem Rhinozeros gar nicht so unwahrscheinlich ist.
Für das rätselvolle Erdenungetüm Mensch passen aber alle diese Präzedenzfälle säugerlicher Nacktheit absolut nicht. Er steckt in keinem Igel- oder Gürteltierpanzer. Es giebt zwar bei ihm eine seltsame Krankheit, die bisweilen sogar erblich in Familien auftritt und die man geradezu Fischschuppen- oder Stachelschweinkrankheit genannt hat. Bei ihr verhornt die Oberhaut zu schuppenartigen Gebilden, und das steigert sich im extremen Fall bis zum Hervorsprießen dicker Zapfen am ganzen Leibe, die für den oberflächlichen Blick den lebendigen Menschen in "Hans mein Igel" aus dem Grimmschen Märchen verwandeln. Das ist ja wie ein Fingerzeig, was auch aus braver Menschenhaut alles werden könnte. Aber der Igel im Menschen, wenn er, wie früher erzählt, unserer Ahnenkette wirklich nahe gestanden hat, liegt Jahrmillionen zurück, und
2
des Schlammbuddelns die Haare verſcheucht. Daß es nicht notwendig zum Bilde dieſer Rieſen gehört, beweiſen die rot¬ wolligen und braun-weiß geſcheckten Mammute und Nashörner der Diluvialzeit, deren Kadaver heute noch im ſibiriſchen Eis liegen.
Daß aber das Waſſer die Haare thatſächlich in Bann thut, lehrt vollends eindringlich die letzte der Säugetier-Aus¬ nahmen: das ſplitterfaſernackte Seeſäugetier Delphin und Wal¬ fiſch. Die Anpaſſung liegt hier auf der Hand, wie denn ge¬ rade ſo ein Walfiſch ein wahres Meiſterwerk folgerichtiger Anpaſſung in jeglichem Betracht iſt.
Auch bei dieſen Nacktheiten ſieht man deutlich das Äqui¬ valent für den wärmeſchützenden Pelz in gewiſſen Beſonder¬ heiten der Haut: bei jenen Sumpfrieſen des Feſtlandes iſt die Haut wenigſtens panzerhaft dick geworden, und der Walfiſch gar hat noch eine ſolche Fettſchicht darin, daß er im Polar¬ waſſer ſeine Innenheizung retten kann gleich einem in Eider¬ daunen gewickelten Vogel. Gewiſſe Anzeichen deuten ſogar darauf hin, daß die Herren Vorväter dieſer Wale kompakte Gürteltierpanzer getragen haben, eine Sachlage, die mir auch bei dem Rhinozeros gar nicht ſo unwahrſcheinlich iſt.
Für das rätſelvolle Erdenungetüm Menſch paſſen aber alle dieſe Präzedenzfälle ſäugerlicher Nacktheit abſolut nicht. Er ſteckt in keinem Igel- oder Gürteltierpanzer. Es giebt zwar bei ihm eine ſeltſame Krankheit, die bisweilen ſogar erblich in Familien auftritt und die man geradezu Fiſchſchuppen- oder Stachelſchweinkrankheit genannt hat. Bei ihr verhornt die Oberhaut zu ſchuppenartigen Gebilden, und das ſteigert ſich im extremen Fall bis zum Hervorſprießen dicker Zapfen am ganzen Leibe, die für den oberflächlichen Blick den lebendigen Menſchen in „Hans mein Igel“ aus dem Grimmſchen Märchen verwandeln. Das iſt ja wie ein Fingerzeig, was auch aus braver Menſchenhaut alles werden könnte. Aber der Igel im Menſchen, wenn er, wie früher erzählt, unſerer Ahnenkette wirklich nahe geſtanden hat, liegt Jahrmillionen zurück, und
2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="17"/>
des Schlammbuddelns die Haare verſcheucht. Daß es nicht<lb/>
notwendig zum Bilde dieſer Rieſen gehört, beweiſen die rot¬<lb/>
wolligen und braun-weiß geſcheckten Mammute und Nashörner<lb/>
der Diluvialzeit, deren Kadaver heute noch im ſibiriſchen Eis liegen.</p><lb/><p>Daß aber das Waſſer die Haare thatſächlich in Bann<lb/>
thut, lehrt vollends eindringlich die letzte der Säugetier-Aus¬<lb/>
nahmen: das ſplitterfaſernackte Seeſäugetier Delphin und Wal¬<lb/>
fiſch. Die Anpaſſung liegt hier auf der Hand, wie denn ge¬<lb/>
rade ſo ein Walfiſch ein wahres Meiſterwerk folgerichtiger<lb/>
Anpaſſung in jeglichem Betracht iſt.</p><lb/><p>Auch bei dieſen Nacktheiten ſieht man deutlich das Äqui¬<lb/>
valent für den wärmeſchützenden Pelz in gewiſſen Beſonder¬<lb/>
heiten der Haut: bei jenen Sumpfrieſen des Feſtlandes iſt die<lb/>
Haut wenigſtens panzerhaft dick geworden, und der Walfiſch<lb/>
gar hat noch eine ſolche Fettſchicht darin, daß er im Polar¬<lb/>
waſſer ſeine Innenheizung retten kann gleich einem in Eider¬<lb/>
daunen gewickelten Vogel. Gewiſſe Anzeichen deuten ſogar<lb/>
darauf hin, daß die Herren Vorväter dieſer Wale kompakte<lb/>
Gürteltierpanzer getragen haben, eine Sachlage, die mir auch<lb/>
bei dem Rhinozeros gar nicht ſo unwahrſcheinlich iſt.</p><lb/><p>Für das rätſelvolle Erdenungetüm Menſch paſſen aber<lb/>
alle dieſe Präzedenzfälle ſäugerlicher Nacktheit abſolut nicht.<lb/>
Er ſteckt in keinem Igel- oder Gürteltierpanzer. Es giebt<lb/>
zwar bei ihm eine ſeltſame Krankheit, die bisweilen ſogar<lb/>
erblich in Familien auftritt und die man geradezu Fiſchſchuppen-<lb/>
oder Stachelſchweinkrankheit genannt hat. Bei ihr verhornt<lb/>
die Oberhaut zu ſchuppenartigen Gebilden, und das ſteigert<lb/>ſich im extremen Fall bis zum Hervorſprießen dicker Zapfen<lb/>
am ganzen Leibe, die für den oberflächlichen Blick den lebendigen<lb/>
Menſchen in „Hans mein Igel“ aus dem Grimmſchen Märchen<lb/>
verwandeln. Das iſt ja wie ein Fingerzeig, was auch aus<lb/>
braver Menſchenhaut alles werden <hirendition="#g">könnte</hi>. Aber der Igel<lb/>
im Menſchen, wenn er, wie früher erzählt, unſerer Ahnenkette<lb/>
wirklich nahe geſtanden hat, liegt Jahrmillionen zurück, und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[17/0031]
des Schlammbuddelns die Haare verſcheucht. Daß es nicht
notwendig zum Bilde dieſer Rieſen gehört, beweiſen die rot¬
wolligen und braun-weiß geſcheckten Mammute und Nashörner
der Diluvialzeit, deren Kadaver heute noch im ſibiriſchen Eis liegen.
Daß aber das Waſſer die Haare thatſächlich in Bann
thut, lehrt vollends eindringlich die letzte der Säugetier-Aus¬
nahmen: das ſplitterfaſernackte Seeſäugetier Delphin und Wal¬
fiſch. Die Anpaſſung liegt hier auf der Hand, wie denn ge¬
rade ſo ein Walfiſch ein wahres Meiſterwerk folgerichtiger
Anpaſſung in jeglichem Betracht iſt.
Auch bei dieſen Nacktheiten ſieht man deutlich das Äqui¬
valent für den wärmeſchützenden Pelz in gewiſſen Beſonder¬
heiten der Haut: bei jenen Sumpfrieſen des Feſtlandes iſt die
Haut wenigſtens panzerhaft dick geworden, und der Walfiſch
gar hat noch eine ſolche Fettſchicht darin, daß er im Polar¬
waſſer ſeine Innenheizung retten kann gleich einem in Eider¬
daunen gewickelten Vogel. Gewiſſe Anzeichen deuten ſogar
darauf hin, daß die Herren Vorväter dieſer Wale kompakte
Gürteltierpanzer getragen haben, eine Sachlage, die mir auch
bei dem Rhinozeros gar nicht ſo unwahrſcheinlich iſt.
Für das rätſelvolle Erdenungetüm Menſch paſſen aber
alle dieſe Präzedenzfälle ſäugerlicher Nacktheit abſolut nicht.
Er ſteckt in keinem Igel- oder Gürteltierpanzer. Es giebt
zwar bei ihm eine ſeltſame Krankheit, die bisweilen ſogar
erblich in Familien auftritt und die man geradezu Fiſchſchuppen-
oder Stachelſchweinkrankheit genannt hat. Bei ihr verhornt
die Oberhaut zu ſchuppenartigen Gebilden, und das ſteigert
ſich im extremen Fall bis zum Hervorſprießen dicker Zapfen
am ganzen Leibe, die für den oberflächlichen Blick den lebendigen
Menſchen in „Hans mein Igel“ aus dem Grimmſchen Märchen
verwandeln. Das iſt ja wie ein Fingerzeig, was auch aus
braver Menſchenhaut alles werden könnte. Aber der Igel
im Menſchen, wenn er, wie früher erzählt, unſerer Ahnenkette
wirklich nahe geſtanden hat, liegt Jahrmillionen zurück, und
2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/31>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.