die Ehe, die vom Sozialen stets leise angegriffen worden ist und das sicher in Urtagen schon ebenso, immer wieder hat festigen helfen. Er machte das Weib "seltener", "kostbarer", indem es aus fremdem Stamm durch Arbeit des Mannes er¬ worben werden mußte, anstatt sich ihm im eigenen bequem darzubieten.
Ganz einseitig aber wäre es, scheint mir, das "Besitzrecht" des Mannes an der Frau im bösen Sinne, das Sklavinnen¬ recht, um das schärfste Wort zu gebrauchen, einfach schon aus diesem Raubverhältnis oder Kaufverhältnis abzuleiten. Es brauchte keineswegs daraus zu resultieren. Brunhild ist nicht Siegfrieds Sklavin, weil er sie erobert hat. Sie ist es nur, wenn eben noch eine besondere wirtschaftliche und sonstige Dauer¬ lage in der Ehe dazukommt.
Die menschlichen Verhältnisse haben massenhaft auf solche Lage geführt und dann ist die Frau innerhalb der Ehe aller¬ dings dem Manne gegenüber versklavt. Diese Linien gehen bis auf den heutigen Tag.
Daß das Weib im Stadium des Weiberraubes an Wert stieg, kann aber nicht in diese Linie gehören. Je kostbarer ein Besitz, desto geringer das Mitfüßentreten, desto höher die Ach¬ tung. Das kannst du schon an einem Besitzer feiner Renn¬ pferde sehen, wie der mit seinen Tieren umgeht. Man könnte sich fast streiten, wer da der Sklave ist. Erst innerhalb der ziemlich überschaubaren Menschheitsgeschichte ist das Besitzrecht des Ehemanns am Eheweibe im gefährlichen Sinne periodisch stärker geworden, ja es ist vielfach bis heute zu einer Bedrohung der weiblichen Individualität ausgeartet.
Dahin wirkte, wie ich schon beim Tier erwähnt habe, in erster Linie das ungeheure Übergewicht, das der Mann als sozialer Führer erlangte. Die Ehe hatte Mann und Frau. Die Herde hatte aber beim Tier schon in der Mehrzahl der Fälle über diesen Ehen noch einmal einen Gesamtanführer und der war -- ein Mann. Mit diesem Schema hast du
die Ehe, die vom Sozialen ſtets leiſe angegriffen worden iſt und das ſicher in Urtagen ſchon ebenſo, immer wieder hat feſtigen helfen. Er machte das Weib „ſeltener“, „koſtbarer“, indem es aus fremdem Stamm durch Arbeit des Mannes er¬ worben werden mußte, anſtatt ſich ihm im eigenen bequem darzubieten.
Ganz einſeitig aber wäre es, ſcheint mir, das „Beſitzrecht“ des Mannes an der Frau im böſen Sinne, das Sklavinnen¬ recht, um das ſchärfſte Wort zu gebrauchen, einfach ſchon aus dieſem Raubverhältnis oder Kaufverhältnis abzuleiten. Es brauchte keineswegs daraus zu reſultieren. Brunhild iſt nicht Siegfrieds Sklavin, weil er ſie erobert hat. Sie iſt es nur, wenn eben noch eine beſondere wirtſchaftliche und ſonſtige Dauer¬ lage in der Ehe dazukommt.
Die menſchlichen Verhältniſſe haben maſſenhaft auf ſolche Lage geführt und dann iſt die Frau innerhalb der Ehe aller¬ dings dem Manne gegenüber verſklavt. Dieſe Linien gehen bis auf den heutigen Tag.
Daß das Weib im Stadium des Weiberraubes an Wert ſtieg, kann aber nicht in dieſe Linie gehören. Je koſtbarer ein Beſitz, deſto geringer das Mitfüßentreten, deſto höher die Ach¬ tung. Das kannſt du ſchon an einem Beſitzer feiner Renn¬ pferde ſehen, wie der mit ſeinen Tieren umgeht. Man könnte ſich faſt ſtreiten, wer da der Sklave iſt. Erſt innerhalb der ziemlich überſchaubaren Menſchheitsgeſchichte iſt das Beſitzrecht des Ehemanns am Eheweibe im gefährlichen Sinne periodiſch ſtärker geworden, ja es iſt vielfach bis heute zu einer Bedrohung der weiblichen Individualität ausgeartet.
Dahin wirkte, wie ich ſchon beim Tier erwähnt habe, in erſter Linie das ungeheure Übergewicht, das der Mann als ſozialer Führer erlangte. Die Ehe hatte Mann und Frau. Die Herde hatte aber beim Tier ſchon in der Mehrzahl der Fälle über dieſen Ehen noch einmal einen Geſamtanführer und der war — ein Mann. Mit dieſem Schema haſt du
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0296"n="282"/>
die Ehe, die vom Sozialen ſtets leiſe angegriffen worden iſt<lb/>
und das ſicher in Urtagen ſchon ebenſo, immer wieder hat<lb/>
feſtigen helfen. Er machte das Weib „ſeltener“, „koſtbarer“,<lb/>
indem es aus fremdem Stamm durch Arbeit des Mannes er¬<lb/>
worben werden mußte, anſtatt ſich ihm im eigenen bequem<lb/>
darzubieten.</p><lb/><p>Ganz einſeitig aber wäre es, ſcheint mir, das „Beſitzrecht“<lb/>
des Mannes an der Frau im böſen Sinne, das Sklavinnen¬<lb/>
recht, um das ſchärfſte Wort zu gebrauchen, einfach ſchon aus<lb/>
dieſem Raubverhältnis oder Kaufverhältnis abzuleiten. Es<lb/>
brauchte keineswegs daraus zu reſultieren. Brunhild iſt nicht<lb/>
Siegfrieds Sklavin, weil er ſie erobert hat. Sie iſt es nur,<lb/>
wenn eben noch eine beſondere wirtſchaftliche und ſonſtige Dauer¬<lb/>
lage in der Ehe dazukommt.</p><lb/><p>Die menſchlichen Verhältniſſe haben maſſenhaft auf ſolche<lb/>
Lage geführt und dann iſt die Frau innerhalb der Ehe aller¬<lb/>
dings dem Manne gegenüber verſklavt. Dieſe Linien gehen<lb/>
bis auf den heutigen Tag.</p><lb/><p>Daß das Weib im Stadium des Weiberraubes an <hirendition="#g">Wert</hi><lb/>ſtieg, kann aber nicht in dieſe Linie gehören. Je koſtbarer ein<lb/>
Beſitz, deſto geringer das Mitfüßentreten, deſto höher die Ach¬<lb/>
tung. Das kannſt du ſchon an einem Beſitzer feiner Renn¬<lb/>
pferde ſehen, wie der mit ſeinen Tieren umgeht. Man könnte<lb/>ſich faſt ſtreiten, wer da der Sklave iſt. Erſt innerhalb der<lb/>
ziemlich überſchaubaren Menſchheitsgeſchichte iſt das Beſitzrecht<lb/>
des Ehemanns am Eheweibe im gefährlichen Sinne periodiſch<lb/>ſtärker geworden, ja es iſt vielfach bis heute zu einer Bedrohung<lb/>
der weiblichen Individualität ausgeartet.</p><lb/><p>Dahin wirkte, wie ich ſchon beim Tier erwähnt habe, in<lb/>
erſter Linie das ungeheure Übergewicht, das der Mann als<lb/>ſozialer Führer erlangte. Die Ehe hatte Mann und Frau.<lb/>
Die Herde hatte aber beim Tier ſchon in der Mehrzahl der<lb/>
Fälle über dieſen Ehen noch einmal einen Geſamtanführer<lb/>
und der war — ein Mann. Mit dieſem Schema haſt du<lb/></p></div></body></text></TEI>
[282/0296]
die Ehe, die vom Sozialen ſtets leiſe angegriffen worden iſt
und das ſicher in Urtagen ſchon ebenſo, immer wieder hat
feſtigen helfen. Er machte das Weib „ſeltener“, „koſtbarer“,
indem es aus fremdem Stamm durch Arbeit des Mannes er¬
worben werden mußte, anſtatt ſich ihm im eigenen bequem
darzubieten.
Ganz einſeitig aber wäre es, ſcheint mir, das „Beſitzrecht“
des Mannes an der Frau im böſen Sinne, das Sklavinnen¬
recht, um das ſchärfſte Wort zu gebrauchen, einfach ſchon aus
dieſem Raubverhältnis oder Kaufverhältnis abzuleiten. Es
brauchte keineswegs daraus zu reſultieren. Brunhild iſt nicht
Siegfrieds Sklavin, weil er ſie erobert hat. Sie iſt es nur,
wenn eben noch eine beſondere wirtſchaftliche und ſonſtige Dauer¬
lage in der Ehe dazukommt.
Die menſchlichen Verhältniſſe haben maſſenhaft auf ſolche
Lage geführt und dann iſt die Frau innerhalb der Ehe aller¬
dings dem Manne gegenüber verſklavt. Dieſe Linien gehen
bis auf den heutigen Tag.
Daß das Weib im Stadium des Weiberraubes an Wert
ſtieg, kann aber nicht in dieſe Linie gehören. Je koſtbarer ein
Beſitz, deſto geringer das Mitfüßentreten, deſto höher die Ach¬
tung. Das kannſt du ſchon an einem Beſitzer feiner Renn¬
pferde ſehen, wie der mit ſeinen Tieren umgeht. Man könnte
ſich faſt ſtreiten, wer da der Sklave iſt. Erſt innerhalb der
ziemlich überſchaubaren Menſchheitsgeſchichte iſt das Beſitzrecht
des Ehemanns am Eheweibe im gefährlichen Sinne periodiſch
ſtärker geworden, ja es iſt vielfach bis heute zu einer Bedrohung
der weiblichen Individualität ausgeartet.
Dahin wirkte, wie ich ſchon beim Tier erwähnt habe, in
erſter Linie das ungeheure Übergewicht, das der Mann als
ſozialer Führer erlangte. Die Ehe hatte Mann und Frau.
Die Herde hatte aber beim Tier ſchon in der Mehrzahl der
Fälle über dieſen Ehen noch einmal einen Geſamtanführer
und der war — ein Mann. Mit dieſem Schema haſt du
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/296>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.