steuer geht an die jungen Leute selbst, soll eine materielle Grundlage ihrer Ehe bilden. Den Kaufpreis erhält der Schwiegervater und in ihm der Stamm, aus dem das Mäd¬ chen fortgeholt wird, er ist die Sühne für den ideellen "Raub".
Lieblich aber mischen sich hier die Melodieen aus den Hirtenbildern des alten Testaments ein. In der Sage von Jakob, der um die Rahel freit, hast du den Kauf in seiner idyllischsten Form. Das Kapital des Freiers, das er anbieten kann, steckt in seiner Hände Kraft. Sieben Jahre stellt er diese Kraft in des Schwiegervaters Dienst, dann ist die Sühne ab¬ getragen und die Tochter sein. Wir sind fernab von Kampf und Raub. Nicht mit seinem Blute, sondern mit seiner Arbeit erkauft der Freier die Braut. Aber auch hier noch ist es Arbeit für den fremden Stamm, nicht für das eigene Heim. Wer das alte Testament mit seinen Liebesgeschichten prüfend auf diese Dinge liest, der findet allerorten die alten Pfade noch, die diese urtümlichen Liebesdinge in der Menschheitsseele aus¬ getreten haben. Die Frühsonne der Kultur leuchtet schon hinein und läßt die Umrisse verschwimmen. Aber es macht dieses Buch so wunderbar, daß es mit einem Fuße wirklich noch in dem großen Nebelgrau steht, aus dem dieses wilde und zarte, rohe und sich bildende Menschentier herauf¬ gekrochen ist.
Ein verwandtes Bild, das aber zugleich schon weiter führt, hast du hoch oben in Kamtschatka. Es ist kurz vor der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Da verunglückt dort eine Expedition. Die Teilnehmer werden durch Schiffbruch fast ein Jahr an wildem Strande festgehalten. Es ist der Strand, wo auch die Liebesgeschichte der Seebären spielt. Jene Expedition aber ist berühmt geworden durch zweierlei. In ihrer Not entdeckten die Schiffbrüchigen dort als Nahrungs¬ quelle eine riesige Seekuh, das sogenannte Borkentier. Sie lebte noch, -- wenig später war sie durch diese und folgende Besucher bis auf den letzten Kopf ausgerottet, -- aufgegessen.
ſteuer geht an die jungen Leute ſelbſt, ſoll eine materielle Grundlage ihrer Ehe bilden. Den Kaufpreis erhält der Schwiegervater und in ihm der Stamm, aus dem das Mäd¬ chen fortgeholt wird, er iſt die Sühne für den ideellen „Raub“.
Lieblich aber miſchen ſich hier die Melodieen aus den Hirtenbildern des alten Teſtaments ein. In der Sage von Jakob, der um die Rahel freit, haſt du den Kauf in ſeiner idylliſchſten Form. Das Kapital des Freiers, das er anbieten kann, ſteckt in ſeiner Hände Kraft. Sieben Jahre ſtellt er dieſe Kraft in des Schwiegervaters Dienſt, dann iſt die Sühne ab¬ getragen und die Tochter ſein. Wir ſind fernab von Kampf und Raub. Nicht mit ſeinem Blute, ſondern mit ſeiner Arbeit erkauft der Freier die Braut. Aber auch hier noch iſt es Arbeit für den fremden Stamm, nicht für das eigene Heim. Wer das alte Teſtament mit ſeinen Liebesgeſchichten prüfend auf dieſe Dinge lieſt, der findet allerorten die alten Pfade noch, die dieſe urtümlichen Liebesdinge in der Menſchheitsſeele aus¬ getreten haben. Die Frühſonne der Kultur leuchtet ſchon hinein und läßt die Umriſſe verſchwimmen. Aber es macht dieſes Buch ſo wunderbar, daß es mit einem Fuße wirklich noch in dem großen Nebelgrau ſteht, aus dem dieſes wilde und zarte, rohe und ſich bildende Menſchentier herauf¬ gekrochen iſt.
Ein verwandtes Bild, das aber zugleich ſchon weiter führt, haſt du hoch oben in Kamtſchatka. Es iſt kurz vor der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Da verunglückt dort eine Expedition. Die Teilnehmer werden durch Schiffbruch faſt ein Jahr an wildem Strande feſtgehalten. Es iſt der Strand, wo auch die Liebesgeſchichte der Seebären ſpielt. Jene Expedition aber iſt berühmt geworden durch zweierlei. In ihrer Not entdeckten die Schiffbrüchigen dort als Nahrungs¬ quelle eine rieſige Seekuh, das ſogenannte Borkentier. Sie lebte noch, — wenig ſpäter war ſie durch dieſe und folgende Beſucher bis auf den letzten Kopf ausgerottet, — aufgegeſſen.
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ſteuer geht an die jungen Leute ſelbſt, ſoll eine materielle
Grundlage ihrer Ehe bilden. Den Kaufpreis erhält der
Schwiegervater und in ihm der Stamm, aus dem das Mäd¬
chen fortgeholt wird, er iſt die Sühne für den ideellen „Raub“.
Lieblich aber miſchen ſich hier die Melodieen aus den
Hirtenbildern des alten Teſtaments ein. In der Sage von
Jakob, der um die Rahel freit, haſt du den Kauf in ſeiner
idylliſchſten Form. Das Kapital des Freiers, das er anbieten
kann, ſteckt in ſeiner Hände Kraft. Sieben Jahre ſtellt er dieſe
Kraft in des Schwiegervaters Dienſt, dann iſt die Sühne ab¬
getragen und die Tochter ſein. Wir ſind fernab von Kampf
und Raub. Nicht mit ſeinem Blute, ſondern mit ſeiner Arbeit
erkauft der Freier die Braut. Aber auch hier noch iſt es Arbeit
für den fremden Stamm, nicht für das eigene Heim. Wer das
alte Teſtament mit ſeinen Liebesgeſchichten prüfend auf dieſe
Dinge lieſt, der findet allerorten die alten Pfade noch, die
dieſe urtümlichen Liebesdinge in der Menſchheitsſeele aus¬
getreten haben. Die Frühſonne der Kultur leuchtet ſchon
hinein und läßt die Umriſſe verſchwimmen. Aber es macht
dieſes Buch ſo wunderbar, daß es mit einem Fuße wirklich
noch in dem großen Nebelgrau ſteht, aus dem dieſes wilde
und zarte, rohe und ſich bildende Menſchentier herauf¬
gekrochen iſt.
Ein verwandtes Bild, das aber zugleich ſchon weiter
führt, haſt du hoch oben in Kamtſchatka. Es iſt kurz vor der
Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Da verunglückt dort
eine Expedition. Die Teilnehmer werden durch Schiffbruch
faſt ein Jahr an wildem Strande feſtgehalten. Es iſt der
Strand, wo auch die Liebesgeſchichte der Seebären ſpielt.
Jene Expedition aber iſt berühmt geworden durch zweierlei.
In ihrer Not entdeckten die Schiffbrüchigen dort als Nahrungs¬
quelle eine rieſige Seekuh, das ſogenannte Borkentier. Sie
lebte noch, — wenig ſpäter war ſie durch dieſe und folgende
Beſucher bis auf den letzten Kopf ausgerottet, — aufgegeſſen.
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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