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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Männerkindbett. Es ist eine magische Adoption. Erst wenn
ihre Bedingungen erfüllt sind, darf der Vater sich als Besitzer
des Kindes ansehen vor Gott und Menschen, erst dann ge¬
hört es leiblich und seelisch ihm an, seinem Geschlecht, seinem
Stamm. Durch einen Zauber, durch ein Wunder ist es über¬
geführt in sein Totem, ist fortan Blut von ihm, obwohl eine
Mutter aus fremdem Totem es leiblich geboren hat.

Auch hier wieder ist es das ungeheure Verlangen des
Menschen, das durchbricht: das Verlangen, die Natur zu meistern,
zu biegen nach seinem Wunsch. Er ist das gleiche Verlangen,
das schließlich Berge durchbohrt und den Blitz gebändigt hat, das
heute auf Dampfwagen fährt und durch Wände schaut. Bloß
daß der erste, ältere Weg die Welt zu zwingen meinte mit dem
Fußtritt einer Zauberformel, während wir anfangen, die wirk¬
liche feine Sprache der Naturgeister -- das Gesetz der Natur¬
kräfte -- zu verstehen, und eine gebildete Rede mit ihnen
zu führen wissen, die wirklich zum Ziel führt. Die Sehnsucht
aber ist heute die von vor Jahrtausenden. In dieser Sehn¬
sucht steckt der Mensch. Es war die Sehnsucht, die durch das
ganze Leben heraufkam, aber unendlich zersplittert: die Sehn¬
sucht, Herr der Dinge zu werden. Aus ihr die millionen
Anpassungen. Bis das alles eines Tages Menschengeist wird,
Prometheus, der jetzt endlich das ganze wimmelnde Verlangen
der vielköpfigen Tierheit in seiner Hand vereinigt -- und der
diese Hand ausstreckt, das Feuer des Himmels zu stehlen, das
Feuer, in dem das Schwert der Erdherrschaft geschmiedet wird.

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Männerkindbett. Es iſt eine magiſche Adoption. Erſt wenn
ihre Bedingungen erfüllt ſind, darf der Vater ſich als Beſitzer
des Kindes anſehen vor Gott und Menſchen, erſt dann ge¬
hört es leiblich und ſeeliſch ihm an, ſeinem Geſchlecht, ſeinem
Stamm. Durch einen Zauber, durch ein Wunder iſt es über¬
geführt in ſein Totem, iſt fortan Blut von ihm, obwohl eine
Mutter aus fremdem Totem es leiblich geboren hat.

Auch hier wieder iſt es das ungeheure Verlangen des
Menſchen, das durchbricht: das Verlangen, die Natur zu meiſtern,
zu biegen nach ſeinem Wunſch. Er iſt das gleiche Verlangen,
das ſchließlich Berge durchbohrt und den Blitz gebändigt hat, das
heute auf Dampfwagen fährt und durch Wände ſchaut. Bloß
daß der erſte, ältere Weg die Welt zu zwingen meinte mit dem
Fußtritt einer Zauberformel, während wir anfangen, die wirk¬
liche feine Sprache der Naturgeiſter — das Geſetz der Natur¬
kräfte — zu verſtehen, und eine gebildete Rede mit ihnen
zu führen wiſſen, die wirklich zum Ziel führt. Die Sehnſucht
aber iſt heute die von vor Jahrtauſenden. In dieſer Sehn¬
ſucht ſteckt der Menſch. Es war die Sehnſucht, die durch das
ganze Leben heraufkam, aber unendlich zerſplittert: die Sehn¬
ſucht, Herr der Dinge zu werden. Aus ihr die millionen
Anpaſſungen. Bis das alles eines Tages Menſchengeiſt wird,
Prometheus, der jetzt endlich das ganze wimmelnde Verlangen
der vielköpfigen Tierheit in ſeiner Hand vereinigt — und der
dieſe Hand ausſtreckt, das Feuer des Himmels zu ſtehlen, das
Feuer, in dem das Schwert der Erdherrſchaft geſchmiedet wird.

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[238/0252] Männerkindbett. Es iſt eine magiſche Adoption. Erſt wenn ihre Bedingungen erfüllt ſind, darf der Vater ſich als Beſitzer des Kindes anſehen vor Gott und Menſchen, erſt dann ge¬ hört es leiblich und ſeeliſch ihm an, ſeinem Geſchlecht, ſeinem Stamm. Durch einen Zauber, durch ein Wunder iſt es über¬ geführt in ſein Totem, iſt fortan Blut von ihm, obwohl eine Mutter aus fremdem Totem es leiblich geboren hat. Auch hier wieder iſt es das ungeheure Verlangen des Menſchen, das durchbricht: das Verlangen, die Natur zu meiſtern, zu biegen nach ſeinem Wunſch. Er iſt das gleiche Verlangen, das ſchließlich Berge durchbohrt und den Blitz gebändigt hat, das heute auf Dampfwagen fährt und durch Wände ſchaut. Bloß daß der erſte, ältere Weg die Welt zu zwingen meinte mit dem Fußtritt einer Zauberformel, während wir anfangen, die wirk¬ liche feine Sprache der Naturgeiſter — das Geſetz der Natur¬ kräfte — zu verſtehen, und eine gebildete Rede mit ihnen zu führen wiſſen, die wirklich zum Ziel führt. Die Sehnſucht aber iſt heute die von vor Jahrtauſenden. In dieſer Sehn¬ ſucht ſteckt der Menſch. Es war die Sehnſucht, die durch das ganze Leben heraufkam, aber unendlich zerſplittert: die Sehn¬ ſucht, Herr der Dinge zu werden. Aus ihr die millionen Anpaſſungen. Bis das alles eines Tages Menſchengeiſt wird, Prometheus, der jetzt endlich das ganze wimmelnde Verlangen der vielköpfigen Tierheit in ſeiner Hand vereinigt — und der dieſe Hand ausſtreckt, das Feuer des Himmels zu ſtehlen, das Feuer, in dem das Schwert der Erdherrſchaft geſchmiedet wird. [Abbildung]

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/252>, abgerufen am 22.11.2024.