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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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staatlich einregistrierten Bauersleuten, vorkommt. Von dort
haben wir den offiziellen Titel der Kultur dafür erhalten, das
französische Wort: "Couvade." Die baskische Bäuerin steht
auf, sobald nur die erste Attake vorüber ist: der Bauer aber
legt sich an ihrer statt mit dem Neugeborenen im Arm ins
Bett und empfängt ernsthaft die Wochenbesuche und Glück¬
wünsche der Nachbarn.

Angesichts dieser Sturzwelle von Narrheit um die ganze
Erde herum, ist es denn eine wahre Erlösung, wenn man sich
sagen darf, daß der Unsinn doch wenigstens Methode hat. Er
verkörpert wieder nichts anderes als ein Stück menschlicher
Urwelt.

Überall da, wo das auftauchende und sieghaft durch¬
brechende "Vaterrecht" an Name, Besitz, Stammeszugehörigkeit
des Kindes in Zwist geriet mit den alten, embryologischen Vor¬
stellungen, die der Mutter den Löwenanteil am Kinde bei¬
maßen, schob sich das Männerkindbett ein als eine Art
mystischen Ausgleichs
.

Es rehabilitierte künstlich den Vater.

Es versuchte einen nachträglichen Anschluß herzustellen
zwischen Vater und Kind, der dem Gebärakt ungefähr ent¬
sprach, da denn einmal die Zeugung allein nicht genügen
sollte. Wunderlich spielten Phantasie und Realität hier durch¬
einander. Eigentlich war's ja doch nur ein Mummenschanz.
Aber man muß sich in diese Prozesse der Völkerseele eindenken.
Alles Medizinische hat da von Anfang an etwas von Zauberei
an sich gehabt. Fasten, in der Hängematte liegen, gar Blut
und Pfeffer: das hatte eine magische Macht, es griff über in
die dämonischen Zusammenhänge hinter den Dingen, hinter
den Personen. Die Hexe legt einen Strohwisch ins Feuer und
läßt ihn verkohlen, -- dabei denkt sie an einen Menschen,
dem sie übel will, der aber hundert Meilen fern ist; in der
gleichen Stunde packt den ein unerklärlicher Fieberbrand und
rafft ihn hin. Auf solchen Ideengängen wächst auch das

ſtaatlich einregiſtrierten Bauersleuten, vorkommt. Von dort
haben wir den offiziellen Titel der Kultur dafür erhalten, das
franzöſiſche Wort: „Couvade.“ Die baskiſche Bäuerin ſteht
auf, ſobald nur die erſte Attake vorüber iſt: der Bauer aber
legt ſich an ihrer ſtatt mit dem Neugeborenen im Arm ins
Bett und empfängt ernſthaft die Wochenbeſuche und Glück¬
wünſche der Nachbarn.

Angeſichts dieſer Sturzwelle von Narrheit um die ganze
Erde herum, iſt es denn eine wahre Erlöſung, wenn man ſich
ſagen darf, daß der Unſinn doch wenigſtens Methode hat. Er
verkörpert wieder nichts anderes als ein Stück menſchlicher
Urwelt.

Überall da, wo das auftauchende und ſieghaft durch¬
brechende „Vaterrecht“ an Name, Beſitz, Stammeszugehörigkeit
des Kindes in Zwiſt geriet mit den alten, embryologiſchen Vor¬
ſtellungen, die der Mutter den Löwenanteil am Kinde bei¬
maßen, ſchob ſich das Männerkindbett ein als eine Art
myſtiſchen Ausgleichs
.

Es rehabilitierte künſtlich den Vater.

Es verſuchte einen nachträglichen Anſchluß herzuſtellen
zwiſchen Vater und Kind, der dem Gebärakt ungefähr ent¬
ſprach, da denn einmal die Zeugung allein nicht genügen
ſollte. Wunderlich ſpielten Phantaſie und Realität hier durch¬
einander. Eigentlich war's ja doch nur ein Mummenſchanz.
Aber man muß ſich in dieſe Prozeſſe der Völkerſeele eindenken.
Alles Mediziniſche hat da von Anfang an etwas von Zauberei
an ſich gehabt. Faſten, in der Hängematte liegen, gar Blut
und Pfeffer: das hatte eine magiſche Macht, es griff über in
die dämoniſchen Zuſammenhänge hinter den Dingen, hinter
den Perſonen. Die Hexe legt einen Strohwiſch ins Feuer und
läßt ihn verkohlen, — dabei denkt ſie an einen Menſchen,
dem ſie übel will, der aber hundert Meilen fern iſt; in der
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[237/0251] ſtaatlich einregiſtrierten Bauersleuten, vorkommt. Von dort haben wir den offiziellen Titel der Kultur dafür erhalten, das franzöſiſche Wort: „Couvade.“ Die baskiſche Bäuerin ſteht auf, ſobald nur die erſte Attake vorüber iſt: der Bauer aber legt ſich an ihrer ſtatt mit dem Neugeborenen im Arm ins Bett und empfängt ernſthaft die Wochenbeſuche und Glück¬ wünſche der Nachbarn. Angeſichts dieſer Sturzwelle von Narrheit um die ganze Erde herum, iſt es denn eine wahre Erlöſung, wenn man ſich ſagen darf, daß der Unſinn doch wenigſtens Methode hat. Er verkörpert wieder nichts anderes als ein Stück menſchlicher Urwelt. Überall da, wo das auftauchende und ſieghaft durch¬ brechende „Vaterrecht“ an Name, Beſitz, Stammeszugehörigkeit des Kindes in Zwiſt geriet mit den alten, embryologiſchen Vor¬ ſtellungen, die der Mutter den Löwenanteil am Kinde bei¬ maßen, ſchob ſich das Männerkindbett ein als eine Art myſtiſchen Ausgleichs. Es rehabilitierte künſtlich den Vater. Es verſuchte einen nachträglichen Anſchluß herzuſtellen zwiſchen Vater und Kind, der dem Gebärakt ungefähr ent¬ ſprach, da denn einmal die Zeugung allein nicht genügen ſollte. Wunderlich ſpielten Phantaſie und Realität hier durch¬ einander. Eigentlich war's ja doch nur ein Mummenſchanz. Aber man muß ſich in dieſe Prozeſſe der Völkerſeele eindenken. Alles Mediziniſche hat da von Anfang an etwas von Zauberei an ſich gehabt. Faſten, in der Hängematte liegen, gar Blut und Pfeffer: das hatte eine magiſche Macht, es griff über in die dämoniſchen Zuſammenhänge hinter den Dingen, hinter den Perſonen. Die Hexe legt einen Strohwiſch ins Feuer und läßt ihn verkohlen, — dabei denkt ſie an einen Menſchen, dem ſie übel will, der aber hundert Meilen fern iſt; in der gleichen Stunde packt den ein unerklärlicher Fieberbrand und rafft ihn hin. Auf ſolchen Ideengängen wächſt auch das

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/251>, abgerufen am 22.11.2024.