Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.[Abbildung]
Die Eiszeithöhle mit unseren nackten Urmenschen ver¬ Im Aquarium hört die Tierkunde des Laien auf. Pflanze Im letzteren Falle riskiert der Besucher wohl trotz seines [Abbildung]
Die Eiszeithöhle mit unſeren nackten Urmenſchen ver¬ Im Aquarium hört die Tierkunde des Laien auf. Pflanze Im letzteren Falle riskiert der Beſucher wohl trotz ſeines <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0243" n="229"/> <figure/> <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Eiszeithöhle mit unſeren nackten Urmenſchen ver¬<lb/> wandelt ſich auf einen Moment in eine moderne kühle, ge¬<lb/> ſpenſtiſch aus bläulichen Glasaugen erleuchtete Grotte. Du biſt<lb/> im Aquarium.</p><lb/> <p>Im Aquarium hört die Tierkunde des Laien auf. Pflanze<lb/> und Tier wächſt dir durcheinander. Du ſollſt dich an das<lb/> Tier gewöhnen, das (wie die Seeroſe) die Symmetrie einer<lb/> Blume hat oder den Bau eines Sternes. Hinten und vorn,<lb/> die alten Urbegriffe, verſagen. Der Tintenfiſch hat die Beine<lb/> auf dem Kopf, und die Qualle hat überhaupt keinen Kopf.<lb/> Nun kommen noch die Namen. Der Tintenfiſch iſt gar kein<lb/> Fiſch, und die Seegurke iſt keine Gurke, ſondern ein Tier.<lb/> Das Seepferd dagegen iſt ein Fiſch.</p><lb/> <p>Im letzteren Falle riskiert der Beſucher wohl trotz ſeines<lb/> Laienbewußtſeins einen Disput. Der Pferdekopf mag noch hin¬<lb/> gehen. Aber wann hat ſich je ein Fiſch ſo durchs Waſſer be¬<lb/> wegt, daß er den ganzen Leib ſenkrecht und ſtarr hält und<lb/> bloß aus dem Rücken ein Floſſenrädchen wachſen läßt, das ge¬<lb/> ſpenſtiſch ſchnell ſchwirrt und die Maſchine treibt wie eine<lb/> Schiffsſchraube? Und wo hat ein regelrechter Fiſch ſeinen<lb/> Leib in der Ruhelage um einen Zweig geringelt wie ein<lb/> Wurm? Gerade dieſe Abnormitäten laſſen aber wieder den<lb/> Naturforſcher ganz kalt. Ihm iſt der Begriff „Fiſch“ ein der¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [229/0243]
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Die Eiszeithöhle mit unſeren nackten Urmenſchen ver¬
wandelt ſich auf einen Moment in eine moderne kühle, ge¬
ſpenſtiſch aus bläulichen Glasaugen erleuchtete Grotte. Du biſt
im Aquarium.
Im Aquarium hört die Tierkunde des Laien auf. Pflanze
und Tier wächſt dir durcheinander. Du ſollſt dich an das
Tier gewöhnen, das (wie die Seeroſe) die Symmetrie einer
Blume hat oder den Bau eines Sternes. Hinten und vorn,
die alten Urbegriffe, verſagen. Der Tintenfiſch hat die Beine
auf dem Kopf, und die Qualle hat überhaupt keinen Kopf.
Nun kommen noch die Namen. Der Tintenfiſch iſt gar kein
Fiſch, und die Seegurke iſt keine Gurke, ſondern ein Tier.
Das Seepferd dagegen iſt ein Fiſch.
Im letzteren Falle riskiert der Beſucher wohl trotz ſeines
Laienbewußtſeins einen Disput. Der Pferdekopf mag noch hin¬
gehen. Aber wann hat ſich je ein Fiſch ſo durchs Waſſer be¬
wegt, daß er den ganzen Leib ſenkrecht und ſtarr hält und
bloß aus dem Rücken ein Floſſenrädchen wachſen läßt, das ge¬
ſpenſtiſch ſchnell ſchwirrt und die Maſchine treibt wie eine
Schiffsſchraube? Und wo hat ein regelrechter Fiſch ſeinen
Leib in der Ruhelage um einen Zweig geringelt wie ein
Wurm? Gerade dieſe Abnormitäten laſſen aber wieder den
Naturforſcher ganz kalt. Ihm iſt der Begriff „Fiſch“ ein der¬
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Zitationshilfe: | Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/243>, abgerufen am 23.02.2025. |