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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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mit mir, -- das starke Messer können tausend Menschen nach¬
einander benutzen und es bleibt dasselbe, ob auch sein erster
Besitzer stirbt, es erbt sozial fort. Die ganze uns klar sichtbare
Geschichte der Menschheit ist Sozialgeschichte. Die rohesten
Naturvölker zeigen soziale Formen, zum Teil von staunens¬
werter Verwickelung. Alle Höhen und Tiefen des Menschlichen
auf Erden durchdringt das Soziale. Es steht über der Schädel¬
pyramide Tamerlans wie über der Abendmahlstafel, wo Christus
die Menschenliebe einsetzt. Seine Wandlungen, seine Fort¬
schritte bewegen uns, wie sie vor ein paar tausend Jahren schon
alles durcheinander gerüttelt haben. Im Sozialen liegen unsere
politischen Probleme und unsere Brotfragen.

Auch die Urgeschichte der menschlichen Ehe muß ihren
Menschen auftreten lassen als dieses soziale Tier von Anfang
an. Und damit werden alle die Linien, die ich dir zuletzt an¬
gedeutet, auch für den Menschen hoch bedeutsam: soziale An¬
fänge neben der Ehe und außerhalb der Ehe; und Kreuzung,
Verschiebung der Ehe durch diese Sozialverbände, wie dieser
Sozialverbände selbst wieder durch die Ehe.

Suchen wir doch einmal beim Menschen, wie er heute
noch vor uns steht, die Stücke rasch zusammen, die an alle jene
tierischen Detailzüge gemahnen.

Die erste, schlechterdings denn doch nicht zu leugnende
Sache ist allerdings die Existenz der monogamischen Ehe beim
Menschen in ungezählten Fällen heute noch. Die Beispiele
steigen, wie gesagt, vom nackten Wedda auf Ceylon bis zum
obersten Kulturmenschen, sie schreiten im Großen den gesamten
lebenden Kreis der Menschheit ab. Also diesen Punkt hat der
Mensch unzweifelhaft.

Wo diese monogamische Ehe Lücken läßt, da tritt zunächst
dann die polygamische ein. Auch sie herrscht in Afrika und
den größten Teilen Asiens heute noch in stattlicher Kraft, fehlt
dagegen bei vielen sehr urtümlichen Völkern unten und wiederum
bei den höchsten Kulturvölkern oben. Im allgemeinen macht

mit mir, — das ſtarke Meſſer können tauſend Menſchen nach¬
einander benutzen und es bleibt dasſelbe, ob auch ſein erſter
Beſitzer ſtirbt, es erbt ſozial fort. Die ganze uns klar ſichtbare
Geſchichte der Menſchheit iſt Sozialgeſchichte. Die roheſten
Naturvölker zeigen ſoziale Formen, zum Teil von ſtaunens¬
werter Verwickelung. Alle Höhen und Tiefen des Menſchlichen
auf Erden durchdringt das Soziale. Es ſteht über der Schädel¬
pyramide Tamerlans wie über der Abendmahlstafel, wo Chriſtus
die Menſchenliebe einſetzt. Seine Wandlungen, ſeine Fort¬
ſchritte bewegen uns, wie ſie vor ein paar tauſend Jahren ſchon
alles durcheinander gerüttelt haben. Im Sozialen liegen unſere
politiſchen Probleme und unſere Brotfragen.

Auch die Urgeſchichte der menſchlichen Ehe muß ihren
Menſchen auftreten laſſen als dieſes ſoziale Tier von Anfang
an. Und damit werden alle die Linien, die ich dir zuletzt an¬
gedeutet, auch für den Menſchen hoch bedeutſam: ſoziale An¬
fänge neben der Ehe und außerhalb der Ehe; und Kreuzung,
Verſchiebung der Ehe durch dieſe Sozialverbände, wie dieſer
Sozialverbände ſelbſt wieder durch die Ehe.

Suchen wir doch einmal beim Menſchen, wie er heute
noch vor uns ſteht, die Stücke raſch zuſammen, die an alle jene
tieriſchen Detailzüge gemahnen.

Die erſte, ſchlechterdings denn doch nicht zu leugnende
Sache iſt allerdings die Exiſtenz der monogamiſchen Ehe beim
Menſchen in ungezählten Fällen heute noch. Die Beiſpiele
ſteigen, wie geſagt, vom nackten Wedda auf Ceylon bis zum
oberſten Kulturmenſchen, ſie ſchreiten im Großen den geſamten
lebenden Kreis der Menſchheit ab. Alſo dieſen Punkt hat der
Menſch unzweifelhaft.

Wo dieſe monogamiſche Ehe Lücken läßt, da tritt zunächſt
dann die polygamiſche ein. Auch ſie herrſcht in Afrika und
den größten Teilen Aſiens heute noch in ſtattlicher Kraft, fehlt
dagegen bei vielen ſehr urtümlichen Völkern unten und wiederum
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[210/0224] mit mir, — das ſtarke Meſſer können tauſend Menſchen nach¬ einander benutzen und es bleibt dasſelbe, ob auch ſein erſter Beſitzer ſtirbt, es erbt ſozial fort. Die ganze uns klar ſichtbare Geſchichte der Menſchheit iſt Sozialgeſchichte. Die roheſten Naturvölker zeigen ſoziale Formen, zum Teil von ſtaunens¬ werter Verwickelung. Alle Höhen und Tiefen des Menſchlichen auf Erden durchdringt das Soziale. Es ſteht über der Schädel¬ pyramide Tamerlans wie über der Abendmahlstafel, wo Chriſtus die Menſchenliebe einſetzt. Seine Wandlungen, ſeine Fort¬ ſchritte bewegen uns, wie ſie vor ein paar tauſend Jahren ſchon alles durcheinander gerüttelt haben. Im Sozialen liegen unſere politiſchen Probleme und unſere Brotfragen. Auch die Urgeſchichte der menſchlichen Ehe muß ihren Menſchen auftreten laſſen als dieſes ſoziale Tier von Anfang an. Und damit werden alle die Linien, die ich dir zuletzt an¬ gedeutet, auch für den Menſchen hoch bedeutſam: ſoziale An¬ fänge neben der Ehe und außerhalb der Ehe; und Kreuzung, Verſchiebung der Ehe durch dieſe Sozialverbände, wie dieſer Sozialverbände ſelbſt wieder durch die Ehe. Suchen wir doch einmal beim Menſchen, wie er heute noch vor uns ſteht, die Stücke raſch zuſammen, die an alle jene tieriſchen Detailzüge gemahnen. Die erſte, ſchlechterdings denn doch nicht zu leugnende Sache iſt allerdings die Exiſtenz der monogamiſchen Ehe beim Menſchen in ungezählten Fällen heute noch. Die Beiſpiele ſteigen, wie geſagt, vom nackten Wedda auf Ceylon bis zum oberſten Kulturmenſchen, ſie ſchreiten im Großen den geſamten lebenden Kreis der Menſchheit ab. Alſo dieſen Punkt hat der Menſch unzweifelhaft. Wo dieſe monogamiſche Ehe Lücken läßt, da tritt zunächſt dann die polygamiſche ein. Auch ſie herrſcht in Afrika und den größten Teilen Aſiens heute noch in ſtattlicher Kraft, fehlt dagegen bei vielen ſehr urtümlichen Völkern unten und wiederum bei den höchſten Kulturvölkern oben. Im allgemeinen macht

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/224>, abgerufen am 29.11.2024.