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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Der Mensch war von Beginn seiner Bahn an ein ge¬
selliges Tier, ein sozial lebendes Tier. Für diesen Satz spricht
so viel Wahrscheinlichkeit, als in irgend einer dieser Urgeschichts¬
fragen füglich verlangt werden kann.

Der Oberschenkel jenes Wesens von der Insel Java, das
die Mitte hält zwischen Affe und Mensch, des berühmten
Pithekanthropus, zeigt in dem einzigen uns erhaltenen Exem¬
plar eine Knochennarbe, die von einem verheilten, schweren
Abßeß erzählt. Die Möglichkeit, daß dieser längere Zeit das
Leben bedrohende Abßeß heilen konnte, erzählt dir aber, daß
dieser Affenmensch Genossen gehabt haben muß, die ihn so
lange schützten, nährten, pflegten. Die Schussenrieder und
Taubacher Eiszeitmenschen treten dir in den Resten ihrer Ur¬
kultur entgegen nicht als einsamer Adam, höchstens mit einer
Eva, -- sondern als Trupp, als Jägergesellschaft, als kleine
Kolonie an einem Seeufer. Die wichtigsten Dinge, die den
Menschen über das Tier erheben, haben einen durch und durch
sozialen Zug: die Sprache, die größte aller sozial verknüpfenden
Welterfindungen, die wir überhaupt kennen; und das Werkzeug,
diese wahre Lösung des Problems, wie das Organ abgetrennt
werden könnte vom Individuum, um für viele Individuen
gleichmäßig benutzbar zu werden, -- meine Hand ist in ihrer
zufälligen Stärke nur mir an den Leib gewachsen und stirbt

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Der Menſch war von Beginn ſeiner Bahn an ein ge¬
ſelliges Tier, ein ſozial lebendes Tier. Für dieſen Satz ſpricht
ſo viel Wahrſcheinlichkeit, als in irgend einer dieſer Urgeſchichts¬
fragen füglich verlangt werden kann.

Der Oberſchenkel jenes Weſens von der Inſel Java, das
die Mitte hält zwiſchen Affe und Menſch, des berühmten
Pithekanthropus, zeigt in dem einzigen uns erhaltenen Exem¬
plar eine Knochennarbe, die von einem verheilten, ſchweren
Abſzeß erzählt. Die Möglichkeit, daß dieſer längere Zeit das
Leben bedrohende Abſzeß heilen konnte, erzählt dir aber, daß
dieſer Affenmenſch Genoſſen gehabt haben muß, die ihn ſo
lange ſchützten, nährten, pflegten. Die Schuſſenrieder und
Taubacher Eiszeitmenſchen treten dir in den Reſten ihrer Ur¬
kultur entgegen nicht als einſamer Adam, höchſtens mit einer
Eva, — ſondern als Trupp, als Jägergeſellſchaft, als kleine
Kolonie an einem Seeufer. Die wichtigſten Dinge, die den
Menſchen über das Tier erheben, haben einen durch und durch
ſozialen Zug: die Sprache, die größte aller ſozial verknüpfenden
Welterfindungen, die wir überhaupt kennen; und das Werkzeug,
dieſe wahre Löſung des Problems, wie das Organ abgetrennt
werden könnte vom Individuum, um für viele Individuen
gleichmäßig benutzbar zu werden, — meine Hand iſt in ihrer
zufälligen Stärke nur mir an den Leib gewachſen und ſtirbt

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[209/0223] [Abbildung] Der Menſch war von Beginn ſeiner Bahn an ein ge¬ ſelliges Tier, ein ſozial lebendes Tier. Für dieſen Satz ſpricht ſo viel Wahrſcheinlichkeit, als in irgend einer dieſer Urgeſchichts¬ fragen füglich verlangt werden kann. Der Oberſchenkel jenes Weſens von der Inſel Java, das die Mitte hält zwiſchen Affe und Menſch, des berühmten Pithekanthropus, zeigt in dem einzigen uns erhaltenen Exem¬ plar eine Knochennarbe, die von einem verheilten, ſchweren Abſzeß erzählt. Die Möglichkeit, daß dieſer längere Zeit das Leben bedrohende Abſzeß heilen konnte, erzählt dir aber, daß dieſer Affenmenſch Genoſſen gehabt haben muß, die ihn ſo lange ſchützten, nährten, pflegten. Die Schuſſenrieder und Taubacher Eiszeitmenſchen treten dir in den Reſten ihrer Ur¬ kultur entgegen nicht als einſamer Adam, höchſtens mit einer Eva, — ſondern als Trupp, als Jägergeſellſchaft, als kleine Kolonie an einem Seeufer. Die wichtigſten Dinge, die den Menſchen über das Tier erheben, haben einen durch und durch ſozialen Zug: die Sprache, die größte aller ſozial verknüpfenden Welterfindungen, die wir überhaupt kennen; und das Werkzeug, dieſe wahre Löſung des Problems, wie das Organ abgetrennt werden könnte vom Individuum, um für viele Individuen gleichmäßig benutzbar zu werden, — meine Hand iſt in ihrer zufälligen Stärke nur mir an den Leib gewachſen und ſtirbt 14

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/223>, abgerufen am 29.11.2024.