Einmischung das Sozialprinzip gefährdete, -- es gefährlich machte. Sollten beide miteinander dauernd auskommen, so mußte irgend eine Regulierung eintreten. Die Natur ist ja unerschöpflich gewesen in Auswegen vor dem drohenden Inzucht¬ gespenst.
Wie die Sache sich bei den Elefanten wieder ins Rechte stellt, ist nicht genau erforscht. Immerhin ist aber bei ihnen wie bei verschiedenen anderen stark sozial lebenden Tieren auf¬ fällig das Bestehen sogenannter "Herumstreicher". Man nennt so einzelne reife Männchen, die merkwürdigerweise keiner Ge¬ nossenschaft angehören, sondern für gewöhnlich ein absolut einsames, trotziges Junggesellenleben führen. Es ließe sich ganz gut denken, daß diese Sekte der Herumstreicher nichts viel anderes darstellte, als eine ständige Reservearmee gelegent¬ licher Blutauffrischer bei den verschiedenen festen Genossen¬ schaften. Sie mögen in ihrem ursprünglichen Stamme irgend¬ wie überzählig geworden sein bei der Weiberregulierung, haben sich vom Verbande gelöst und bilden nun, wo immer sie ein Weib aus anderem Stamm im passenden Moment überrumpeln oder gutwillig in ambulando verführen, eine unbeabsichtigte, aber äußerst nützliche Liga gegen die böse Inzucht.
Ein viel probateres Mittel aber besteht überall da, wo der Anführer oder die Körperschaft der alten Männchen im Stamm gewohnheitsmäßig jedesmal die heranwachsende männ¬ liche Jugend aus der Genossenschaft gewaltsam hinauswirft, so wie sie anfängt, sich mit den Weibern im Stamm mausig zu machen. Ein solches vor die Thür gesetztes Jugendheer als lauernde Masse im Hintergrund hattest du schon bei den See¬ bären. Ähnliche Verhältnisse herrschen vielfach bei den gesellig lebenden Affen. Und der Erfolg ist ein sinnfälliger. Das lüsterne junge Volk zerstreut sich und umlagert als ständige Versuchung die verschiedenen Verbände, stets auf dem Sprung, sich hier oder da ein fremdes Weib herauszuräubern. Es braucht nicht immer mit Gewalt zu geschehen. In diesem oder
Einmiſchung das Sozialprinzip gefährdete, — es gefährlich machte. Sollten beide miteinander dauernd auskommen, ſo mußte irgend eine Regulierung eintreten. Die Natur iſt ja unerſchöpflich geweſen in Auswegen vor dem drohenden Inzucht¬ geſpenſt.
Wie die Sache ſich bei den Elefanten wieder ins Rechte ſtellt, iſt nicht genau erforſcht. Immerhin iſt aber bei ihnen wie bei verſchiedenen anderen ſtark ſozial lebenden Tieren auf¬ fällig das Beſtehen ſogenannter „Herumſtreicher“. Man nennt ſo einzelne reife Männchen, die merkwürdigerweiſe keiner Ge¬ noſſenſchaft angehören, ſondern für gewöhnlich ein abſolut einſames, trotziges Junggeſellenleben führen. Es ließe ſich ganz gut denken, daß dieſe Sekte der Herumſtreicher nichts viel anderes darſtellte, als eine ſtändige Reſervearmee gelegent¬ licher Blutauffriſcher bei den verſchiedenen feſten Genoſſen¬ ſchaften. Sie mögen in ihrem urſprünglichen Stamme irgend¬ wie überzählig geworden ſein bei der Weiberregulierung, haben ſich vom Verbande gelöſt und bilden nun, wo immer ſie ein Weib aus anderem Stamm im paſſenden Moment überrumpeln oder gutwillig in ambulando verführen, eine unbeabſichtigte, aber äußerſt nützliche Liga gegen die böſe Inzucht.
Ein viel probateres Mittel aber beſteht überall da, wo der Anführer oder die Körperſchaft der alten Männchen im Stamm gewohnheitsmäßig jedesmal die heranwachſende männ¬ liche Jugend aus der Genoſſenſchaft gewaltſam hinauswirft, ſo wie ſie anfängt, ſich mit den Weibern im Stamm mauſig zu machen. Ein ſolches vor die Thür geſetztes Jugendheer als lauernde Maſſe im Hintergrund hatteſt du ſchon bei den See¬ bären. Ähnliche Verhältniſſe herrſchen vielfach bei den geſellig lebenden Affen. Und der Erfolg iſt ein ſinnfälliger. Das lüſterne junge Volk zerſtreut ſich und umlagert als ſtändige Verſuchung die verſchiedenen Verbände, ſtets auf dem Sprung, ſich hier oder da ein fremdes Weib herauszuräubern. Es braucht nicht immer mit Gewalt zu geſchehen. In dieſem oder
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Einmiſchung das Sozialprinzip gefährdete, — es gefährlich
machte. Sollten beide miteinander dauernd auskommen, ſo
mußte irgend eine Regulierung eintreten. Die Natur iſt ja
unerſchöpflich geweſen in Auswegen vor dem drohenden Inzucht¬
geſpenſt.
Wie die Sache ſich bei den Elefanten wieder ins Rechte
ſtellt, iſt nicht genau erforſcht. Immerhin iſt aber bei ihnen
wie bei verſchiedenen anderen ſtark ſozial lebenden Tieren auf¬
fällig das Beſtehen ſogenannter „Herumſtreicher“. Man nennt
ſo einzelne reife Männchen, die merkwürdigerweiſe keiner Ge¬
noſſenſchaft angehören, ſondern für gewöhnlich ein abſolut
einſames, trotziges Junggeſellenleben führen. Es ließe ſich
ganz gut denken, daß dieſe Sekte der Herumſtreicher nichts
viel anderes darſtellte, als eine ſtändige Reſervearmee gelegent¬
licher Blutauffriſcher bei den verſchiedenen feſten Genoſſen¬
ſchaften. Sie mögen in ihrem urſprünglichen Stamme irgend¬
wie überzählig geworden ſein bei der Weiberregulierung, haben
ſich vom Verbande gelöſt und bilden nun, wo immer ſie ein
Weib aus anderem Stamm im paſſenden Moment überrumpeln
oder gutwillig in ambulando verführen, eine unbeabſichtigte,
aber äußerſt nützliche Liga gegen die böſe Inzucht.
Ein viel probateres Mittel aber beſteht überall da, wo
der Anführer oder die Körperſchaft der alten Männchen im
Stamm gewohnheitsmäßig jedesmal die heranwachſende männ¬
liche Jugend aus der Genoſſenſchaft gewaltſam hinauswirft, ſo
wie ſie anfängt, ſich mit den Weibern im Stamm mauſig zu
machen. Ein ſolches vor die Thür geſetztes Jugendheer als
lauernde Maſſe im Hintergrund hatteſt du ſchon bei den See¬
bären. Ähnliche Verhältniſſe herrſchen vielfach bei den geſellig
lebenden Affen. Und der Erfolg iſt ein ſinnfälliger. Das
lüſterne junge Volk zerſtreut ſich und umlagert als ſtändige
Verſuchung die verſchiedenen Verbände, ſtets auf dem Sprung,
ſich hier oder da ein fremdes Weib herauszuräubern. Es
braucht nicht immer mit Gewalt zu geſchehen. In dieſem oder
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/220>, abgerufen am 29.11.2024.
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