kann er das erkennen? Er beobachtet ein festes Merkmal, etwa eine bestimmte Art des Rüssels, sich nach der Spitze zu nicht zu verjüngen, oder eine bestimmte Stellung der Augen, ein bestimmtes Profil der Stirn, -- und er weiß absolut sicher: alle Mitglieder dieses Trupps und sollen es zwanzig und mehr sein, haben ausgesprochen diesen Individualtypus. Die Ursache ist eben: der ganze Trupp hat seit Generationen sich immerzu nur aus seiner eigenen Mitte heraus ergänzt. Alle seine Mitglieder, ob Mann, ob Weib, ob Führer oder geführt, ob verheiratet oder ledig, allesamt sind sie außerdem noch echte, enge Blutsverwandte. Daher die gleichen Nasen, Stirnen und Augen bei allen: sie sind ihr durch Inzucht fort und fort gesteigertes Familienwappen.
Ja aber durch Inzucht! Die Inzucht ist eben die große Gefahr, die das Eheprinzip, das Erotische überhaupt in das Soziale auf dieser Stufe bringt. Es ist so hübsch, den Stamm möglichst geschlossen halten, wenn er glücklich einmal beisammen ist! Keine fremden Eindringlinge zu dulden! Und das aus¬ zudehnen über Generationen. Den Jungen die Mühe der neuen Konsolidierung gleich zu sparen. Kinder sind ja da durch die eifrige Liebesmühe der Stammgenossen. Männlein und Weiblein sind dabei. Warum sollen die nicht gleich wieder sich begatten, -- wenn auch nicht genau Bruder und Schwester vom gleichen Mutterleibe, so doch wenigstens Stammeskind hier und Stammeskind dort? Anfangs ist das in der That sehr hübsch. Aber ein paar Generationen: und alle sind doch so eng blutsverwandt wie Sprößlinge einer einzigen Ehe. Die Inzucht steht in ihrer Sünden Blüte, -- diese Inzucht, auf die die Natur nun einmal immer und immer wieder ihren siebenfachen Fluch gelegt hat. Wenn sie nicht wieder heraus¬ kommt aus dem schönen Rechenexempel, so muß der Stamm eines Tages an seiner eigenen aristokratischen Reinheit, seinem Blaublut, das Giftblut wird, elendiglich zu Grunde gehen .....
Ganz unbedingt lag hier ein Punkt, wo die erotische
kann er das erkennen? Er beobachtet ein feſtes Merkmal, etwa eine beſtimmte Art des Rüſſels, ſich nach der Spitze zu nicht zu verjüngen, oder eine beſtimmte Stellung der Augen, ein beſtimmtes Profil der Stirn, — und er weiß abſolut ſicher: alle Mitglieder dieſes Trupps und ſollen es zwanzig und mehr ſein, haben ausgeſprochen dieſen Individualtypus. Die Urſache iſt eben: der ganze Trupp hat ſeit Generationen ſich immerzu nur aus ſeiner eigenen Mitte heraus ergänzt. Alle ſeine Mitglieder, ob Mann, ob Weib, ob Führer oder geführt, ob verheiratet oder ledig, alleſamt ſind ſie außerdem noch echte, enge Blutsverwandte. Daher die gleichen Naſen, Stirnen und Augen bei allen: ſie ſind ihr durch Inzucht fort und fort geſteigertes Familienwappen.
Ja aber durch Inzucht! Die Inzucht iſt eben die große Gefahr, die das Eheprinzip, das Erotiſche überhaupt in das Soziale auf dieſer Stufe bringt. Es iſt ſo hübſch, den Stamm möglichſt geſchloſſen halten, wenn er glücklich einmal beiſammen iſt! Keine fremden Eindringlinge zu dulden! Und das aus¬ zudehnen über Generationen. Den Jungen die Mühe der neuen Konſolidierung gleich zu ſparen. Kinder ſind ja da durch die eifrige Liebesmühe der Stammgenoſſen. Männlein und Weiblein ſind dabei. Warum ſollen die nicht gleich wieder ſich begatten, — wenn auch nicht genau Bruder und Schweſter vom gleichen Mutterleibe, ſo doch wenigſtens Stammeskind hier und Stammeskind dort? Anfangs iſt das in der That ſehr hübſch. Aber ein paar Generationen: und alle ſind doch ſo eng blutsverwandt wie Sprößlinge einer einzigen Ehe. Die Inzucht ſteht in ihrer Sünden Blüte, — dieſe Inzucht, auf die die Natur nun einmal immer und immer wieder ihren ſiebenfachen Fluch gelegt hat. Wenn ſie nicht wieder heraus¬ kommt aus dem ſchönen Rechenexempel, ſo muß der Stamm eines Tages an ſeiner eigenen ariſtokratiſchen Reinheit, ſeinem Blaublut, das Giftblut wird, elendiglich zu Grunde gehen .....
Ganz unbedingt lag hier ein Punkt, wo die erotiſche
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kann er das erkennen? Er beobachtet ein feſtes Merkmal, etwa
eine beſtimmte Art des Rüſſels, ſich nach der Spitze zu nicht
zu verjüngen, oder eine beſtimmte Stellung der Augen, ein
beſtimmtes Profil der Stirn, — und er weiß abſolut ſicher:
alle Mitglieder dieſes Trupps und ſollen es zwanzig und mehr
ſein, haben ausgeſprochen dieſen Individualtypus. Die Urſache
iſt eben: der ganze Trupp hat ſeit Generationen ſich immerzu
nur aus ſeiner eigenen Mitte heraus ergänzt. Alle ſeine
Mitglieder, ob Mann, ob Weib, ob Führer oder geführt, ob
verheiratet oder ledig, alleſamt ſind ſie außerdem noch echte,
enge Blutsverwandte. Daher die gleichen Naſen, Stirnen und
Augen bei allen: ſie ſind ihr durch Inzucht fort und fort
geſteigertes Familienwappen.
Ja aber durch Inzucht! Die Inzucht iſt eben die große
Gefahr, die das Eheprinzip, das Erotiſche überhaupt in das
Soziale auf dieſer Stufe bringt. Es iſt ſo hübſch, den Stamm
möglichſt geſchloſſen halten, wenn er glücklich einmal beiſammen
iſt! Keine fremden Eindringlinge zu dulden! Und das aus¬
zudehnen über Generationen. Den Jungen die Mühe der
neuen Konſolidierung gleich zu ſparen. Kinder ſind ja da
durch die eifrige Liebesmühe der Stammgenoſſen. Männlein
und Weiblein ſind dabei. Warum ſollen die nicht gleich wieder
ſich begatten, — wenn auch nicht genau Bruder und Schweſter
vom gleichen Mutterleibe, ſo doch wenigſtens Stammeskind hier
und Stammeskind dort? Anfangs iſt das in der That ſehr
hübſch. Aber ein paar Generationen: und alle ſind doch ſo
eng blutsverwandt wie Sprößlinge einer einzigen Ehe. Die
Inzucht ſteht in ihrer Sünden Blüte, — dieſe Inzucht, auf
die die Natur nun einmal immer und immer wieder ihren
ſiebenfachen Fluch gelegt hat. Wenn ſie nicht wieder heraus¬
kommt aus dem ſchönen Rechenexempel, ſo muß der Stamm
eines Tages an ſeiner eigenen ariſtokratiſchen Reinheit, ſeinem
Blaublut, das Giftblut wird, elendiglich zu Grunde gehen .....
Ganz unbedingt lag hier ein Punkt, wo die erotiſche
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/219>, abgerufen am 28.11.2024.
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