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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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In den verwickelten Linien, wie die Ehe im Tierreich
herankommt, mußte sich ähnlich die reine Logik vielfältig ver¬
schieben zu einer gewissen Ungleichheit der eigentlichen Macht
zum Besitz.

Auch da aber ist nun wieder sehr evident, daß in vielen
Fällen diese überwiegende Seite zunächst gar nicht ohne
weiteres
beim Manne zu sein brauchte. Die Frau, das
"Weibchen", erscheint in den Eheanfängen vielfach als die
stärkere, als die eigentliche Arbeiterin, und zwar das nicht
im Sklavensinn, sondern gerade im edeln, freien Kraftsinne.

Das Weibchen hat von Anfang an in der rein körperlichen
Liebesteilung schon die umfassendere Kinderfabrik unter sich. Es
hat in der Mehrzahl der Fälle auch die weitere Kindersorge
in erster Linie in seiner Hand. Es hat so zu sagen die ehelichen
Hosen zunächst an, was sich schon äußerlich in seinem gröberen,
mehr auf Schutzzwecke gerichteten Arbeitskleide andeutet, --
denke an die Paradiesvogelgeschichte.

Das Männchen umgekehrt erscheint in zahlreichen Fällen
viel mehr wie das bunte Dekorationsstück der Liebe. Es paradiert
in strahlenden Farben und wallenden Schweifen, es tanzt und
singt und treibt alle Sorten äußeren Liebesfeuerwerks. Aber
in der Ehe selbst ist es viel mehr das Nebenrad, das gelegentliche
Ersatzglied, die Reserve, der Gehülfe der Meisterin, der aber
immer im Dienst von deren Initiative ist. Die Stärke ja
des Männchens selbst, wo sie zuerst auftritt, seine Hörner,
Geweihe, Waffen aller Art, sie gehören ihm offenbar keineswegs
von Beginn der Dinge an als Mannesprivileg, sondern auch
sie gerade verdankt es nur der umsichtigen Wahl, der Sorge
der Frau. Die Frau hat das erst bei ihm herangezüchtet als
das, was sie als Hülfe bei ihrer Arbeit am besten gebrauchen
konnte, sie hat durch beständige Auslese der bestgewappneten
Männchen ihm die Waffe allmählich auf den Leib gezüchtet.

Erst ganz allmählich siehst du dann auf Grund dieser
Stärke ein gewisses Übergewicht des Mannes eintreten. Wiederum

In den verwickelten Linien, wie die Ehe im Tierreich
herankommt, mußte ſich ähnlich die reine Logik vielfältig ver¬
ſchieben zu einer gewiſſen Ungleichheit der eigentlichen Macht
zum Beſitz.

Auch da aber iſt nun wieder ſehr evident, daß in vielen
Fällen dieſe überwiegende Seite zunächſt gar nicht ohne
weiteres
beim Manne zu ſein brauchte. Die Frau, das
„Weibchen“, erſcheint in den Eheanfängen vielfach als die
ſtärkere, als die eigentliche Arbeiterin, und zwar das nicht
im Sklavenſinn, ſondern gerade im edeln, freien Kraftſinne.

Das Weibchen hat von Anfang an in der rein körperlichen
Liebesteilung ſchon die umfaſſendere Kinderfabrik unter ſich. Es
hat in der Mehrzahl der Fälle auch die weitere Kinderſorge
in erſter Linie in ſeiner Hand. Es hat ſo zu ſagen die ehelichen
Hoſen zunächſt an, was ſich ſchon äußerlich in ſeinem gröberen,
mehr auf Schutzzwecke gerichteten Arbeitskleide andeutet, —
denke an die Paradiesvogelgeſchichte.

Das Männchen umgekehrt erſcheint in zahlreichen Fällen
viel mehr wie das bunte Dekorationsſtück der Liebe. Es paradiert
in ſtrahlenden Farben und wallenden Schweifen, es tanzt und
ſingt und treibt alle Sorten äußeren Liebesfeuerwerks. Aber
in der Ehe ſelbſt iſt es viel mehr das Nebenrad, das gelegentliche
Erſatzglied, die Reſerve, der Gehülfe der Meiſterin, der aber
immer im Dienſt von deren Initiative iſt. Die Stärke ja
des Männchens ſelbſt, wo ſie zuerſt auftritt, ſeine Hörner,
Geweihe, Waffen aller Art, ſie gehören ihm offenbar keineswegs
von Beginn der Dinge an als Mannesprivileg, ſondern auch
ſie gerade verdankt es nur der umſichtigen Wahl, der Sorge
der Frau. Die Frau hat das erſt bei ihm herangezüchtet als
das, was ſie als Hülfe bei ihrer Arbeit am beſten gebrauchen
konnte, ſie hat durch beſtändige Ausleſe der beſtgewappneten
Männchen ihm die Waffe allmählich auf den Leib gezüchtet.

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[200/0214] In den verwickelten Linien, wie die Ehe im Tierreich herankommt, mußte ſich ähnlich die reine Logik vielfältig ver¬ ſchieben zu einer gewiſſen Ungleichheit der eigentlichen Macht zum Beſitz. Auch da aber iſt nun wieder ſehr evident, daß in vielen Fällen dieſe überwiegende Seite zunächſt gar nicht ohne weiteres beim Manne zu ſein brauchte. Die Frau, das „Weibchen“, erſcheint in den Eheanfängen vielfach als die ſtärkere, als die eigentliche Arbeiterin, und zwar das nicht im Sklavenſinn, ſondern gerade im edeln, freien Kraftſinne. Das Weibchen hat von Anfang an in der rein körperlichen Liebesteilung ſchon die umfaſſendere Kinderfabrik unter ſich. Es hat in der Mehrzahl der Fälle auch die weitere Kinderſorge in erſter Linie in ſeiner Hand. Es hat ſo zu ſagen die ehelichen Hoſen zunächſt an, was ſich ſchon äußerlich in ſeinem gröberen, mehr auf Schutzzwecke gerichteten Arbeitskleide andeutet, — denke an die Paradiesvogelgeſchichte. Das Männchen umgekehrt erſcheint in zahlreichen Fällen viel mehr wie das bunte Dekorationsſtück der Liebe. Es paradiert in ſtrahlenden Farben und wallenden Schweifen, es tanzt und ſingt und treibt alle Sorten äußeren Liebesfeuerwerks. Aber in der Ehe ſelbſt iſt es viel mehr das Nebenrad, das gelegentliche Erſatzglied, die Reſerve, der Gehülfe der Meiſterin, der aber immer im Dienſt von deren Initiative iſt. Die Stärke ja des Männchens ſelbſt, wo ſie zuerſt auftritt, ſeine Hörner, Geweihe, Waffen aller Art, ſie gehören ihm offenbar keineswegs von Beginn der Dinge an als Mannesprivileg, ſondern auch ſie gerade verdankt es nur der umſichtigen Wahl, der Sorge der Frau. Die Frau hat das erſt bei ihm herangezüchtet als das, was ſie als Hülfe bei ihrer Arbeit am beſten gebrauchen konnte, ſie hat durch beſtändige Ausleſe der beſtgewappneten Männchen ihm die Waffe allmählich auf den Leib gezüchtet. Erſt ganz allmählich ſiehſt du dann auf Grund dieſer Stärke ein gewiſſes Übergewicht des Mannes eintreten. Wiederum

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/214>, abgerufen am 28.11.2024.