Du hast bis hierher, eine neue Kette erlebt: Sozial¬ verbände in der Nichtbrunstzeit, die mit Erotik zunächst gar nichts zu thun hatten. Nun fragt sich: wie stellen diese Ver¬ bände sich aber zu der Brunstzeit mit ihrem Ehebedürfniß, wenn diese eintritt?
Die erste Antwort scheint ganz einfach. Die Brunstzeit löst eben alle größeren Verbände zu Gunsten einer neuen Schutzgenossenschaft von zwei und zwei auf. Wo die Männer getrennt lebten und die Weiber in Genossenschaft, da erscheinen zur Brunstzeit die Männer bei der Weiberherde. Es wird ge¬ wählt, vielleicht noch etwas in Rivalitätsfragen gefochten, schlie߬ lich aber zieht jeder einzelne Mann mit einer einzelnen Frau ab und gründet mit ihr auf kürzere oder längere Zeit die Ehe. Und erst wenn die Ehen wieder aus sind, läuft die Ge¬ nossenschaft der Frauen wieder zusammen.
Genau so geht's da, wo auch die Männer ihr außerehe¬ liches Kloster bilden. Kloster kommt zu Kloster und beide lösen sich aneinander auf, wie in den Zeiten der Reformation, indem Paar um Paar zur Ehe ausscheidet.
Endlich in der schon so wie so gemischten Genossenschaft heißt es einfach, wie beim Tanzen: Ordnung zur Polonaise, -- Paar tritt zu Paar und fliegt endlich losgelöst vom Ganzen, aber eng verschlungen zum Einzeltanz dahin.
Ein ganz famoses Beispiel dieses logischen Verlaufs bietet dann auch in der zoologischen Wirklichkeit der nordamerika¬ nische Bisonbüffel.
Du kennst das schwarzwollige Ungetüm mit den glühenden Augen, das unsere Tiergärten noch hegen, während seine heimische Prärie auf dem Punkt steht, es endgültig durch Ausrottung zu verlieren. Im außerehelichen Stande leben diese Riesen in kleinen Trupps, von denen die einen stets sehr streng aus Ochsen, die andern aus Kühen mit Milchkälbern bestehen. Es ist allerdings eine kleine Variante gegen die Mischgenossenschaft im Mufflonsinne hin dabei schon Brauch: diese Einzeltrupps
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Du haſt bis hierher, eine neue Kette erlebt: Sozial¬ verbände in der Nichtbrunſtzeit, die mit Erotik zunächſt gar nichts zu thun hatten. Nun fragt ſich: wie ſtellen dieſe Ver¬ bände ſich aber zu der Brunſtzeit mit ihrem Ehebedürfniß, wenn dieſe eintritt?
Die erſte Antwort ſcheint ganz einfach. Die Brunſtzeit löſt eben alle größeren Verbände zu Gunſten einer neuen Schutzgenoſſenſchaft von zwei und zwei auf. Wo die Männer getrennt lebten und die Weiber in Genoſſenſchaft, da erſcheinen zur Brunſtzeit die Männer bei der Weiberherde. Es wird ge¬ wählt, vielleicht noch etwas in Rivalitätsfragen gefochten, ſchlie߬ lich aber zieht jeder einzelne Mann mit einer einzelnen Frau ab und gründet mit ihr auf kürzere oder längere Zeit die Ehe. Und erſt wenn die Ehen wieder aus ſind, läuft die Ge¬ noſſenſchaft der Frauen wieder zuſammen.
Genau ſo geht's da, wo auch die Männer ihr außerehe¬ liches Kloſter bilden. Kloſter kommt zu Kloſter und beide löſen ſich aneinander auf, wie in den Zeiten der Reformation, indem Paar um Paar zur Ehe ausſcheidet.
Endlich in der ſchon ſo wie ſo gemiſchten Genoſſenſchaft heißt es einfach, wie beim Tanzen: Ordnung zur Polonaiſe, — Paar tritt zu Paar und fliegt endlich losgelöſt vom Ganzen, aber eng verſchlungen zum Einzeltanz dahin.
Ein ganz famoſes Beiſpiel dieſes logiſchen Verlaufs bietet dann auch in der zoologiſchen Wirklichkeit der nordamerika¬ niſche Biſonbüffel.
Du kennſt das ſchwarzwollige Ungetüm mit den glühenden Augen, das unſere Tiergärten noch hegen, während ſeine heimiſche Prärie auf dem Punkt ſteht, es endgültig durch Ausrottung zu verlieren. Im außerehelichen Stande leben dieſe Rieſen in kleinen Trupps, von denen die einen ſtets ſehr ſtreng aus Ochſen, die andern aus Kühen mit Milchkälbern beſtehen. Es iſt allerdings eine kleine Variante gegen die Miſchgenoſſenſchaft im Mufflonſinne hin dabei ſchon Brauch: dieſe Einzeltrupps
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Du haſt bis hierher, eine neue Kette erlebt: Sozial¬
verbände in der Nichtbrunſtzeit, die mit Erotik zunächſt gar
nichts zu thun hatten. Nun fragt ſich: wie ſtellen dieſe Ver¬
bände ſich aber zu der Brunſtzeit mit ihrem Ehebedürfniß,
wenn dieſe eintritt?
Die erſte Antwort ſcheint ganz einfach. Die Brunſtzeit
löſt eben alle größeren Verbände zu Gunſten einer neuen
Schutzgenoſſenſchaft von zwei und zwei auf. Wo die Männer
getrennt lebten und die Weiber in Genoſſenſchaft, da erſcheinen
zur Brunſtzeit die Männer bei der Weiberherde. Es wird ge¬
wählt, vielleicht noch etwas in Rivalitätsfragen gefochten, ſchlie߬
lich aber zieht jeder einzelne Mann mit einer einzelnen Frau
ab und gründet mit ihr auf kürzere oder längere Zeit die
Ehe. Und erſt wenn die Ehen wieder aus ſind, läuft die Ge¬
noſſenſchaft der Frauen wieder zuſammen.
Genau ſo geht's da, wo auch die Männer ihr außerehe¬
liches Kloſter bilden. Kloſter kommt zu Kloſter und beide
löſen ſich aneinander auf, wie in den Zeiten der Reformation,
indem Paar um Paar zur Ehe ausſcheidet.
Endlich in der ſchon ſo wie ſo gemiſchten Genoſſenſchaft
heißt es einfach, wie beim Tanzen: Ordnung zur Polonaiſe,
— Paar tritt zu Paar und fliegt endlich losgelöſt vom
Ganzen, aber eng verſchlungen zum Einzeltanz dahin.
Ein ganz famoſes Beiſpiel dieſes logiſchen Verlaufs bietet
dann auch in der zoologiſchen Wirklichkeit der nordamerika¬
niſche Biſonbüffel.
Du kennſt das ſchwarzwollige Ungetüm mit den glühenden
Augen, das unſere Tiergärten noch hegen, während ſeine heimiſche
Prärie auf dem Punkt ſteht, es endgültig durch Ausrottung zu
verlieren. Im außerehelichen Stande leben dieſe Rieſen in
kleinen Trupps, von denen die einen ſtets ſehr ſtreng aus
Ochſen, die andern aus Kühen mit Milchkälbern beſtehen. Es
iſt allerdings eine kleine Variante gegen die Miſchgenoſſenſchaft
im Mufflonſinne hin dabei ſchon Brauch: dieſe Einzeltrupps
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/207>, abgerufen am 28.06.2024.
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