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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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recht außerhalb der Ehe erfunden, und zwar gerade weil
die Ehe noch nicht feste Dauerehe war.

Die Ehe ist abgesehen von ihrem Zeugungszweck eine
Schutzgenossenschaft, die zwei Tiere eingehen. Nun hört sie
eines Tages auf. Männlein wie Weiblein steht wieder für
sich. Monate lang, einen großen Teil vielleicht des Jahres
lang. Denke an die acht Monate ehelosen Interregnums der
Seebären. Warum nicht auch in dieser Zeit gewisse Anläufe
zu Schutzgenossenschaften? Für sie gilt natürlich nicht das
Doppelprinzip: Mann und Weib. Es können ein Dutzend
oder mehr Weiber zueinanderhalten zum gegenseitigen Schutz¬
zweck; oder ein Haufen Männer. Gleich diese erste Stufe des
außerehelichen Sozialversuchs hast du aber wirklich in reicher
Auswahl bei allerlei Tieren.

[Abbildung]

Der alte Fechner hat einmal ein niedliches Gedicht gemacht.
Ein Mäuslein hat vom Himmel gehört, wo es ein Schlaraffen¬
leben als Engel geben soll. Nun gerät es von ungefähr auf
die kalte Esse des Küchenherdes und blickt empor. Es glaubt
den Himmel zu sehen. Denn da oben hängen im Rauchfang
ungezählte Speckseiten, umkreist von geflügelten Mauseengeln:
Fledermäusen.

Wenn der Maulwurf aus seinem finstern Loch fahren
und sich ins Blau hinaufschwingen könnte: die Fledermaus
wäre er. Diese Fledermaus aber besitzt schon jene bewußte
Sozialvereinigung außerhalb der Ehe in schönstem Beispiel.

Die Ehe der lustigen Flatterer steht an sich noch sehr
tief. Kaum daß sie über das Spinnenstadium hinausgediehen
ist. Eine kurze Zeit des Liebesspiels, halsbrecherische Jagden
in der Luft, Umklammern und Kitzeln und Necken und Herab¬

recht außerhalb der Ehe erfunden, und zwar gerade weil
die Ehe noch nicht feſte Dauerehe war.

Die Ehe iſt abgeſehen von ihrem Zeugungszweck eine
Schutzgenoſſenſchaft, die zwei Tiere eingehen. Nun hört ſie
eines Tages auf. Männlein wie Weiblein ſteht wieder für
ſich. Monate lang, einen großen Teil vielleicht des Jahres
lang. Denke an die acht Monate eheloſen Interregnums der
Seebären. Warum nicht auch in dieſer Zeit gewiſſe Anläufe
zu Schutzgenoſſenſchaften? Für ſie gilt natürlich nicht das
Doppelprinzip: Mann und Weib. Es können ein Dutzend
oder mehr Weiber zueinanderhalten zum gegenſeitigen Schutz¬
zweck; oder ein Haufen Männer. Gleich dieſe erſte Stufe des
außerehelichen Sozialverſuchs haſt du aber wirklich in reicher
Auswahl bei allerlei Tieren.

[Abbildung]

Der alte Fechner hat einmal ein niedliches Gedicht gemacht.
Ein Mäuslein hat vom Himmel gehört, wo es ein Schlaraffen¬
leben als Engel geben ſoll. Nun gerät es von ungefähr auf
die kalte Eſſe des Küchenherdes und blickt empor. Es glaubt
den Himmel zu ſehen. Denn da oben hängen im Rauchfang
ungezählte Speckſeiten, umkreiſt von geflügelten Mauſeengeln:
Fledermäuſen.

Wenn der Maulwurf aus ſeinem finſtern Loch fahren
und ſich ins Blau hinaufſchwingen könnte: die Fledermaus
wäre er. Dieſe Fledermaus aber beſitzt ſchon jene bewußte
Sozialvereinigung außerhalb der Ehe in ſchönſtem Beiſpiel.

Die Ehe der luſtigen Flatterer ſteht an ſich noch ſehr
tief. Kaum daß ſie über das Spinnenſtadium hinausgediehen
iſt. Eine kurze Zeit des Liebesſpiels, halsbrecheriſche Jagden
in der Luft, Umklammern und Kitzeln und Necken und Herab¬

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[185/0199] recht außerhalb der Ehe erfunden, und zwar gerade weil die Ehe noch nicht feſte Dauerehe war. Die Ehe iſt abgeſehen von ihrem Zeugungszweck eine Schutzgenoſſenſchaft, die zwei Tiere eingehen. Nun hört ſie eines Tages auf. Männlein wie Weiblein ſteht wieder für ſich. Monate lang, einen großen Teil vielleicht des Jahres lang. Denke an die acht Monate eheloſen Interregnums der Seebären. Warum nicht auch in dieſer Zeit gewiſſe Anläufe zu Schutzgenoſſenſchaften? Für ſie gilt natürlich nicht das Doppelprinzip: Mann und Weib. Es können ein Dutzend oder mehr Weiber zueinanderhalten zum gegenſeitigen Schutz¬ zweck; oder ein Haufen Männer. Gleich dieſe erſte Stufe des außerehelichen Sozialverſuchs haſt du aber wirklich in reicher Auswahl bei allerlei Tieren. [Abbildung] Der alte Fechner hat einmal ein niedliches Gedicht gemacht. Ein Mäuslein hat vom Himmel gehört, wo es ein Schlaraffen¬ leben als Engel geben ſoll. Nun gerät es von ungefähr auf die kalte Eſſe des Küchenherdes und blickt empor. Es glaubt den Himmel zu ſehen. Denn da oben hängen im Rauchfang ungezählte Speckſeiten, umkreiſt von geflügelten Mauſeengeln: Fledermäuſen. Wenn der Maulwurf aus ſeinem finſtern Loch fahren und ſich ins Blau hinaufſchwingen könnte: die Fledermaus wäre er. Dieſe Fledermaus aber beſitzt ſchon jene bewußte Sozialvereinigung außerhalb der Ehe in ſchönſtem Beiſpiel. Die Ehe der luſtigen Flatterer ſteht an ſich noch ſehr tief. Kaum daß ſie über das Spinnenſtadium hinausgediehen iſt. Eine kurze Zeit des Liebesſpiels, halsbrecheriſche Jagden in der Luft, Umklammern und Kitzeln und Necken und Herab¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/199>, abgerufen am 27.11.2024.