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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Zärtlichkeit der Gatten beruhen, die man bei einzelnen Riesen
der Säugerwelt, zum Beispiel dem Rinozeros, beobachtet hat.

Die individuelle Neigung (ästhetische Wahl) ist unverkenn¬
bar bei Hunden. Hundezüchter wissen ganz genau, daß eine
Hündin durchaus nicht jedes beliebige Männchen annimmt,
sondern ihren "Geschmack" hat. Dieser Geschmack als bleibende
Sache muß in vielen Fällen unbedingt auch zu konstanten
Wiederholungsehen, also zur Dauerehe führen. Ein weiblicher
Pinscher, den Darwin erwähnt, liebte einen Wasserhund mit
Leidenschaft, und als man die beiden gewaltsam trennte, ließ
er keinen anderen Hund mehr heran und blieb im Cölibat.
Eine Hirschhündin lebte mit vier Männchen zusammen, die
alle gesunde Rasse waren. Sie bevorzugte aber einen und
denselben Hund dabei immer wieder und brachte in drei Liebes¬
perioden alle drei Mal nur von ihm Junge. Ähnliche That¬
sachen sind von Pferden und Ochsen bekannt.

Gerade vom Orang Utan, der uns wegen seiner Menschen¬
nähe interessiert, berichtet ein Beobachter, daß er einem Männ¬
chen begegnet sei, das ein Weibchen mit einem größeren und
einem ganz kleinen Jungen bei sich hatte. Unzweifelhaft waren
hier mindestens zwei Brunst-Perioden zu einer Dauerehe ver¬
schmolzen.

Aber der Gegensatz zum Vogel ist doch unverkennbar da.
Und man versteht gerade aus dem Seebärenfall heraus auch
das Moment, das beim Säuger die Dauerehe hintertreiben
konnte, wenn nicht besondere Maßregeln (wie beim Seebär die
strenge Wiederkehr beider Parteien an den gleichen Ort!) zu
ihrem Schutz getroffen waren. Es lag in der vielfach endlos
gedehnten Schwangerschaft. Die Länge dieser Schwangerschaft
scheint im Verhältnis zur Größe zu stehen. Je riesiger das
Säugetier, desto mehr Monate, -- bis zu den zwanzig Monaten
des Elefanten. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Weibchens
in dieser Zeit besteht durchweg nicht. Es fehlt also über weite
Spannen weg dem Paar die gemeinsame Arbeit. Wie nahe

Zärtlichkeit der Gatten beruhen, die man bei einzelnen Rieſen
der Säugerwelt, zum Beiſpiel dem Rinozeros, beobachtet hat.

Die individuelle Neigung (äſthetiſche Wahl) iſt unverkenn¬
bar bei Hunden. Hundezüchter wiſſen ganz genau, daß eine
Hündin durchaus nicht jedes beliebige Männchen annimmt,
ſondern ihren „Geſchmack“ hat. Dieſer Geſchmack als bleibende
Sache muß in vielen Fällen unbedingt auch zu konſtanten
Wiederholungsehen, alſo zur Dauerehe führen. Ein weiblicher
Pinſcher, den Darwin erwähnt, liebte einen Waſſerhund mit
Leidenſchaft, und als man die beiden gewaltſam trennte, ließ
er keinen anderen Hund mehr heran und blieb im Cölibat.
Eine Hirſchhündin lebte mit vier Männchen zuſammen, die
alle geſunde Raſſe waren. Sie bevorzugte aber einen und
denſelben Hund dabei immer wieder und brachte in drei Liebes¬
perioden alle drei Mal nur von ihm Junge. Ähnliche That¬
ſachen ſind von Pferden und Ochſen bekannt.

Gerade vom Orang Utan, der uns wegen ſeiner Menſchen¬
nähe intereſſiert, berichtet ein Beobachter, daß er einem Männ¬
chen begegnet ſei, das ein Weibchen mit einem größeren und
einem ganz kleinen Jungen bei ſich hatte. Unzweifelhaft waren
hier mindeſtens zwei Brunſt-Perioden zu einer Dauerehe ver¬
ſchmolzen.

Aber der Gegenſatz zum Vogel iſt doch unverkennbar da.
Und man verſteht gerade aus dem Seebärenfall heraus auch
das Moment, das beim Säuger die Dauerehe hintertreiben
konnte, wenn nicht beſondere Maßregeln (wie beim Seebär die
ſtrenge Wiederkehr beider Parteien an den gleichen Ort!) zu
ihrem Schutz getroffen waren. Es lag in der vielfach endlos
gedehnten Schwangerſchaft. Die Länge dieſer Schwangerſchaft
ſcheint im Verhältnis zur Größe zu ſtehen. Je rieſiger das
Säugetier, deſto mehr Monate, — bis zu den zwanzig Monaten
des Elefanten. Eine beſondere Schutzbedürftigkeit des Weibchens
in dieſer Zeit beſteht durchweg nicht. Es fehlt alſo über weite
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[181/0195] Zärtlichkeit der Gatten beruhen, die man bei einzelnen Rieſen der Säugerwelt, zum Beiſpiel dem Rinozeros, beobachtet hat. Die individuelle Neigung (äſthetiſche Wahl) iſt unverkenn¬ bar bei Hunden. Hundezüchter wiſſen ganz genau, daß eine Hündin durchaus nicht jedes beliebige Männchen annimmt, ſondern ihren „Geſchmack“ hat. Dieſer Geſchmack als bleibende Sache muß in vielen Fällen unbedingt auch zu konſtanten Wiederholungsehen, alſo zur Dauerehe führen. Ein weiblicher Pinſcher, den Darwin erwähnt, liebte einen Waſſerhund mit Leidenſchaft, und als man die beiden gewaltſam trennte, ließ er keinen anderen Hund mehr heran und blieb im Cölibat. Eine Hirſchhündin lebte mit vier Männchen zuſammen, die alle geſunde Raſſe waren. Sie bevorzugte aber einen und denſelben Hund dabei immer wieder und brachte in drei Liebes¬ perioden alle drei Mal nur von ihm Junge. Ähnliche That¬ ſachen ſind von Pferden und Ochſen bekannt. Gerade vom Orang Utan, der uns wegen ſeiner Menſchen¬ nähe intereſſiert, berichtet ein Beobachter, daß er einem Männ¬ chen begegnet ſei, das ein Weibchen mit einem größeren und einem ganz kleinen Jungen bei ſich hatte. Unzweifelhaft waren hier mindeſtens zwei Brunſt-Perioden zu einer Dauerehe ver¬ ſchmolzen. Aber der Gegenſatz zum Vogel iſt doch unverkennbar da. Und man verſteht gerade aus dem Seebärenfall heraus auch das Moment, das beim Säuger die Dauerehe hintertreiben konnte, wenn nicht beſondere Maßregeln (wie beim Seebär die ſtrenge Wiederkehr beider Parteien an den gleichen Ort!) zu ihrem Schutz getroffen waren. Es lag in der vielfach endlos gedehnten Schwangerſchaft. Die Länge dieſer Schwangerſchaft ſcheint im Verhältnis zur Größe zu ſtehen. Je rieſiger das Säugetier, deſto mehr Monate, — bis zu den zwanzig Monaten des Elefanten. Eine beſondere Schutzbedürftigkeit des Weibchens in dieſer Zeit beſteht durchweg nicht. Es fehlt alſo über weite Spannen weg dem Paar die gemeinſame Arbeit. Wie nahe

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/195>, abgerufen am 23.11.2024.